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Deutschland von innen und außen zugleich

Michael Köhler13. September 2005

Die amerikanische Philosophin Susan Neiman, Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam, hat ein Buch mit Stimmen aus dem Ausland zur Lage Deutschlands vorgelegt. Die Ergebnisse sind überraschend.

Blick von außen: Susan NeimanBild: dpa - Fotoreport

"Was wäre, wenn Deutschland schon dabei ist, sich neu zu erfinden - und man hätte das nur aus der Entfernung erkannt?" fragt sich Susan Neiman, Direktorin des renommierten Thinktanks Einstein-Forum in Potsdam. Eine Amerikanerin, die Philosophie in Harvard und an der Freien Universität Berlin studierte, Professorin in Yale und Tel Aviv war und - mit einigen Unterbrechungen - seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Ihre Perspektive von innen und außen zugleich hat sie ermutigt, im letzten Moment vor der Wahl noch ein Buch vorzulegen, indem es darum geht, wie gebildete Ausländer Deutschland sehen und was die Deutschen selbst vielleicht nicht genug zu schätzen wissen.

"Gewisse Kosmopolität nach außen"

Was passiert ist in den letzten Jahren, fasst Neimann in drei Punkten zusammen: "Einmal eine deutliche Veränderung in der Erinnerungspolitik. Das hat sich zwar über Jahre hinweg aufgebaut, wurde aber durch diese Regierung konsequent vertreten. Der zweite Punkt ist eine andere Beziehung zu Ausländern durch die Änderung der Einwanderungsgesetze der rot-grünen Regierung. Eine gewisse Kosmopolität trägt sich nach außen. Deutschland ist ein weltoffenes Land. Drittens gibt es die Außenpolitik. Da hat Schröders Ablehnung des Krieges eine große Rolle gespielt - eine viel größere Rolle im Ausland als im Inland."

Diskussionslosen Konsens in Frage stellen

In der Meinungs-, Stimmungs- und Zuschauerdemokratie tut ein Blick von außen manchmal gut. Darum heißt Susan Neimans Buch auch "Fremde sehen anders". "Das Buch ist eine politische Intervention, weil mir die Diskussion über die Wahlen recht eintönig schien", sagt Neimann. "Ich konnte mich nicht mit einem diskussionslosen Konsens abfinden, der da lautet: Rot-Grün verliert und man sagt, sie haben es verdient, auch wenn niemandem die Alternative wirklich gefällt." Genau dies wollte sie mit einem Spiegelbild von außen in Frage stellen.

Einfach aus dem Grund, weil im linksliberalen Freundes- und Kollegenkreis der amerikanischen Philosophin die Politik anders beurteilt wird, aus einer anderen Perspektive betrachtet wird. Ihr Buch ist keine politische Analyse der vergangenen Legislaturperioden. Es hat intellektuelle Stimmen versammelt aus Afrika, der Türkei, aus England, aus Schweden, Israel und Amerika. Von Leuten, die in Deutschland gearbeitet und geforscht haben. Susan Neiman hat sich auf gebildete Kreise beschränkt.

"It´s only German elections, but it´s an international affair": Es sei nur eine deutsche Wahl, aber auch eine internationale Angelegenheit, heißt es auf Plakaten des Nachrichtensenders CNN, die in Berlin neben Abbildungen von Merkel, Schröder, Fischer und Westerwelle hängen. Ein Blick von außen ist berechtigt. Aber wie jeder Blick ist er interessegeleitet. In Susan Neimans Versammlung der Stimmen, drückt sich der Widerstand gegen jede Art von Neokonservativität aus. "Meine Absicht war nicht, eine objektive Bilanz für alle Zeiten zu ziehen, sondern diese andere Seite, die hier nie zur Sprache kommt, einfach mal darzustellen", sagt Neimann.

Verändertes Deutschland-Bild

Von außen betrachtet hat es eine Veränderung des Deutschlandbildes gegeben, sagt sie. Es gebe ein Gefühl, Deutschland sei "westlich", aber marschiere nicht Amerika hinterher. Schröder habe "durchgeblickt" - so drückt es Susan Neiman aus. Auf die Außenpolitik legt sie dabei besonderen Wert - und viele ausländische Meinungen offenbar auch . "Ich war selber erstaunt, wie erfahrene Israelis wie Shlomo Avneri, Amos Elon und andere für Joschka Fischer geschwärmt haben - weiß Gott keine naiven Männer, sondern erfahrene Politiker, Politikwissenschaftler und manche, die wirklich in Regierungen gearbeitet haben. Das hätte ich nie geglaubt", sagt sie. Sie findet es wichtig, dass diese Wertschätzung gerade aus Israel kommt. "Wir wissen alle jetzt, spätestens nach dem 11. September 2001: Die Nahost-Frage wird die Welt beschäftigen. Und einen Außenminister zu haben, der das Vertrauen der Israelis und Palästinenser hat in diesen prekären Zeiten, ist ein Geschenk, das man nicht hoch genug bewerten kann."

Susan Neiman : Fremde sehen anders. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2005.

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