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Politik

Deutschland vor strengerem Corona-Kurs

14. November 2021

Die Politik in Deutschland streitet weiter, wie der Anstieg der Corona-Infektionen gebremst werden kann. Nun will die designierte Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ihren Maßnahmenkatalog offenbar verschärfen.

Deutschland Coronavirus - Frankfurt am Main
Bild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Der Druck in der deutschen Öffentlichkeit nahm in den vergangenen Tagen merklich zu. Nun scheinen die Partner der designierten Ampel-Koalition einzulenken. Das neue Infektionsschutzgesetz, das in der kommenden Woche im Bundestag zur Abstimmung steht, könnte doch schärfer ausfallen als bislang von SPD, FDP und Grünen geplant. Das hat SPD-Parteichefin Saskia Esken deutlich gemacht. Diskutiert werden müssten neben regelmäßigen Corona-Tests für Beschäftigte in Bereichen wie der Pflege oder in Schulen "auch eine Impfpflicht in diesen Bereichen", sagte Esken der ARD.
Angesichts der ernsten Lage appellierte die amtierende Kanzlerin Angela Merkel inzwischen erneut an die Deutschen, sich impfen zu lassen - und auch andere von diesem Schritt zu überzeugen. 

Grünen-Co-Chef Robert Habeck und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprachen von einem dramatischen Infektionsgeschehen, das zusätzliche Schritte notwendig mache. Habeck brachte auch Einschränkungen für Ungeimpfte ins Gespräch. "Kontaktbeschränkungen sind schmerzliche Einschnitte. Aber angesichts der dramatischen Lage können sie für Ungeimpfte regional nötig werden", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Differenzierung nach Impfstatus und Ausnahmen für Kinder seien nach geltender Rechtslage möglich.

Inzidenz steigt weiter dramatisch an

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet an diesem Sonntag 33.498 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Das sind knapp 10.000 Fälle mehr als am Sonntag vor einer Woche, als 23.543 Neuinfektionen gemeldet wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt weiter auf 289,0 von 277,4 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 55 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle binnen 24 Stunden auf 97.672.

Die Intensivstationen in vielen Krankenhäusern stoßen bereits an ihre KapazitätsgrenzenBild: Waltraud Grubitzsch/dpa/picture alliance

Das neue Infektionsschutzgesetz, das der Bundestag am Donnerstag erstmals beraten hatte, sieht ein Fortbestehen der bisherigen Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsgebote vor. Einige bisherige Regelungen sollen aber entfallen: So soll es künftig keine flächendeckenden Lockdowns oder Schulschließungen in Deutschland mehr geben, was nicht nur bei der Opposition für Kritik sorgt.

Homeoffice und 3G auf der Arbeit und in der Bahn?

Inzwischen planen die Ampel-Parteien ergänzende Regelungen wie eine deutschlandweite 3G-Regel am Arbeitsplatz, also Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete, und Testpflichten in Pflegeeinreichungen. Die Details sollen noch festgelegt werden, am Montag gibt es dazu eine Anhörung.

Auch Arbeitgeber sollen wieder dazu verpflichtet werden, Beschäftigte im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten ins Home-Office zu schicken, wenn es keine zwingenden betriebsbedingten Gründe dagegen gibt. So sieht es der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums für einen Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP vor, der mehreren Medien einem Vorabbericht zufolge vorliegt.

Bahnreisende in Hamburg (Ende Oktober): "Stundenlang eng neben anderen Passagieren sitzen"Bild: Eibner/imago images

Verschärfungen könnte es auch für Bahnreisende geben. Grünenchef Habeck und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach haben sich für 3G in Zügen ausgesprochen. Das Bahnfahren müsse sicherer werden, sagte Habeck der Funke Mediengruppe: "Aus meiner Sicht sollte hier 3G hier gelten, darüber werden wir reden müssen." Lauterbach ergänzte in der Zeitung "Bild am Sonntag", es sei in der aktuellen Corona-Situation unverantwortlich, "dass Menschen ungeimpft und ­ungetestet in vollen Zügen im Fernverkehr stundenlang eng neben anderen Passagieren sitzen".

Gegen das Informationsdefizit bei Impfungen

Auch gegen nach wie vor bestehenden Informationsdefizite wollen die Ampel-Parteien vorgehen. Schon ab Ende des Monats soll ermittelt und gemeldet werden, wie viele COVID-19-Intensivpatienten vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind. Die künftigen Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP hätten eine entsprechende Anpassung des Intensivregisters initiiert, sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Bei vielen Intensivpatienten werde der Impfstatus derzeit nicht erfasst, weil einzelne Schritte in der bisherigen Meldekette nicht funktionierten, hieß es. "Bislang fehlen schlicht Daten", sagte Dahmen. Er gehe davon aus, dass die Umstellung auf eine tagesgenaue Meldung spätestens bis Ende des Jahres umgesetzt sein werde. Die Parteien erhoffen sich nach den Worten des Grünen-Politikers davon mehr Transparenz und eine bessere Grundlage für kurzfristige Entscheidungen in der Corona-Politik.

Bundeswehr und Marburger Bund

Die Wehrbeauftragte Eva Högl mahnte zudem eine Corona-Impfpflicht in der Bundeswehr an. Für Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sei eine COVID-19-Impfung bereits verpflichtend, "sie sollte für alle in der Truppe gelten, damit die Einsatzbereitschaft gewährleistet ist", sagte Högl in Zeitungsinterviews. Bei Truppenbesuchen nehme sie dafür eine große Zustimmung wahr.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund rechnet inzwischen damit, dass Corona-Patienten künftig deutschlandweit verteilt werden müssen, um Regionen mit überfüllten Kliniken zu entlasten. "Die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen wird in den kommenden Wochen so weit steigen, dass mancherorts eine überregionale, vielleicht sogar deutschlandweite Verlegung nötig sein wird, erklärte die Gewerkschaftsvorsitzende Susanne Johna. 

Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne JohnaBild: Müller-Stauffenberg/imago images

Bei der Beurteilung der aktuellen Krankenhauseinweisungen von COVID-Infizierten dürfe man nicht vergessen, dass Patienten, die jetzt aufgenommen würden, nicht in sieben Tagen wieder weg seien, betonte Johna. Inzwischen liege die durchschnittliche Verweildauer eines Corona-Patienten auf der Intensivstation bei etwa zwei Wochen. Schwerstkranke müssten manchmal auch mehrere Wochen bis Monate versorgt werden.

Lockdown für Ungeimpfte in Österreich

Die Einreise nach Deutschland ist aus drei Nachbarstaaten mit hohen Inzidenzen nun schwieriger: Seit Mitternacht gelten einige Regionen Österreichs, ganz Tschechien und Ungarn als Corona-Hochrisikogebiete. Wer von dort aus als Ungeimpfter nach Deutschland kommt, muss für zehn Tage in Quarantäne. Diese kann frühestens nach fünf Tagen mit einem negativen Test aufgehoben werden.

In Österreich ist die Sieben-Tage-Inzidenz auf mehr als 800 Fälle pro 100.000 Einwohner gestiegen. Gleichzeitig liegt dort die Impfquote unter dem EU-Durchschnitt. Die Regierung in Wien beschloss deshalb einen landesweiten Lockdown für Ungeimpfte. Dieser wird bereits in der Nacht zu Montag in Kraft treten.

AR/as/sti (dpa, epd, rtr)

 

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