1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Deutschland wagt Schritt aus dem Stillstand

20. April 2020

Nach wochenlanger Corona-Zwangspause werden in Deutschland die ersten Geschäfte wieder geöffnet - mit höchst unterschiedlichen Vorgaben in den Bundesländern. Ein Run auf die Stadtzentren wird aber nicht erwartet.

Symboldbild: Erster deutscher Verlagspreis
Buchläden dürfen ungeachtet ihrer Größe wieder öffnenBild: picture-alliance/K. Kleist-Heinrich

Handelsketten, Läden und Buchhändler stehen in den Startlöchern: Nach der gut einmonatigen Zwangspause in der Corona-Krise greifen von diesem Montag an erste Lockerungen. Kleine und mittlere Läden dürfen erstmals seit der angeordneten Schließung wieder öffnen. Ausgenommen sind Geschäfte mit einer Ladenfläche von mehr als 800 Quadratmetern. Kfz- und Fahrradhändler sowie Buchhandlungen dürfen jedoch ungeachtet ihrer Größe ihre Waren in den Geschäften verkaufen.

Ein "Flickenteppich"

Die Verbraucher können aber nicht in allen Bundesländern sofort shoppen gehen. In Bayern, Berlin, Thüringen und Brandenburg dürfen Geschäfte erst etwas später öffnen. Das Einkaufserlebnis wird vielerorts auch ein anderes sein: Wie schon im Lebensmittelhandel werden beim Textil- oder Bücherkauf Schutzmasken, Abstandsmarkierungen und Einlass-Kontrollen üblich sein. 

Bund und Länder hatten sich zwar am vergangenen Mittwoch auf erste Lockerungen der Auflagen zur Eindämmung der Pandemie verständigt. Eine bundesweit einheitliche Strategie im Kampf gegen das Virus ist aber nicht absehbar. Letztlich entscheiden die einzelnen Bundesländer, wie sie die Lockerungen konkret gestalten. Kritiker sprechen von einem "Flickenteppich". In Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Niedersachsen etwa dürfen auch größere Läden aufmachen, wenn sie die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen. Ebenso in Hessen. In Brandenburg dürfen auch Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern öffnen, die in Einkaufszentren liegen. In Sachsen gilt beim Einkaufen Maskenpflicht - wie auch im öffentlichen Nahverkehr. Sachsen ist das erste Bundesland mit einer derartigen Regelung.

In sächsischen Supermärkten künftig Pflicht: eine "Mund-Nasenbedeckung"Bild: picture-alliance/AP/H. Fohringer

Altmaier verteidigt Maßnahmen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier rief Bund und Länder zu mehr Einigkeit auf. "Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhaufen und uns gegenseitig abwechselnd mit Verschärfungen und Lockerungen überbieten", mahnte der CDU-Politiker. Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidung, zunächst vor allem kleineren Läden die Öffnung zu erlauben. Kleinere Geschäfte hätten weniger Reserven und es deshalb weit schwerer, "den Kopf über Wasser zu halten".

Der Städtetag begrüßte die Lockerungen. "Menschen brauchen lebendige Innenstädte. Wenn jetzt wieder mehr Geschäfte im Einzelhandel öffnen werden, wird das Allen gut tun: den Menschen, die einkaufen möchten, den Einzelhändlern, ihren Beschäftigten und den Städten", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Bei der Wiedereröffnung rechnet der Städtetag mit Zurückhaltung der Kunden. Es sei davon auszugehen, dass die wiedergewonnenen Möglichkeiten gerne genutzt werden: "Aber wir erwarten jetzt auch nicht den riesigen Ansturm: Die Geschäfte, die jetzt wieder öffnen, sind eine Woche später noch genauso erreichbar", sagte Dedy.

Weitere Hilfen angekündigt

Die Bundesregierung plant in der Corona-Krise weitere Hilfen für gebeutelte Branchen, weil sie die Wirtschaft nur vorsichtig wieder hochfahren will. Kanzleramtschef Helge Braun sagte, womöglich müsse noch einmal nachgesteuert werden. Finanzminister Olaf Scholz erläuterte, es gehe vor allem um Wirtschaftszweige, die sich wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus noch gedulden müssten. "Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört sicherlich dazu." Dort droht nach Verbandsangaben 70.000 Betrieben die Pleite - fast jedes dritte Unternehmen der Branche. Arbeitsminister Hubertus Heil äußerte sich zudem zuversichtlich, das Kurzarbeitergeld bald befristet aufzustocken.

Hotels und Gaststätten müssen bis auf Weiteres geschlossen bleibenBild: picture-alliance/dpa/SvenSimon

Veranstalter fordern Klarheit

Die Veranstaltungsbranche fordert indes von der Politik Klarheit zum weiteren Vorgehen bei Konzerten und anderen Veranstaltungen. Hintergrund ist die Vereinbarung von Bund und Ländern, dass wegen der Corona-Krise alle Großveranstaltungen bis Ende August untersagt bleiben sollen. Bisher sei nur in Ausnahmefällen klar, was seitens der Bundesländer als Großveranstaltung betrachtet werde, kritisierte der geschäftsführende Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungsbesucher (BDKV), Jens Michow. Man bitte alle Landesregierungen nachdrücklich um klare Vorgaben.

Dem BDKV gehören nach eigener Aussage nahezu alle deutschen Veranstaltungsunternehmen an. Derzeit würden mehr als 155.000 Live-Veranstaltungen in Deutschland und Europa verschoben, hieß es auf Nachfrage bei Europas führendem Ticket- und Live-Entertainment-Unternehmen Eventim. Bei einer sechsmonatigen Dauer der Maßnahmen sei nach aktuellen Berechnungen von Umsatzeinbußen von mehr als fünf Milliarden Euro für die Veranstaltungswirtschaft auszugehen, teilte ein Sprecher mit.

as/qu/wa (dpa, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen