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Deutsch-griechische Beziehungskrise wegen Flüchtlingspolitik

Kaki Bali (Athen)
27. Mai 2025

Die deutsche Regierung will Asylsuchende nach Griechenland zurückschicken. Athen möchte statt Rückführungen mehr EU-Unterstützung beim Grenzschutz und ein Migrationsabkommen mit Libyen.

Viele Menschen stehen auf einem rostigen Boot, die meisten sind Männer
Ankunft eines Flüchtlingsbootes im Hafen von Chania auf der griechischen Insel KretaBild: Stefanos Rapanis/Eurokinissi/ANE/picture alliance

Die Einladung nach Berlin war für Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis eine erfreuliche Pause von seinem schwierigen Alltag zu Hause. Am am 13. Mai 2025 zeichnete ihn der Wirtschaftsrat der CDU mit der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold aus. Dabei erhielt der konservative Politiker Gelegenheit, dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz seine Erfolge beim Wachstum (2,3 Prozent in 2024) und bei der Minderung der Arbeitslosigkeit (9,5 Prozent in 2024) zu präsentieren.

Zu den Trägern der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze gehört auch der verstorbene ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der während der Euro-Krise jahrelang vehement darauf bestanden hat, dass Griechenland "seine Hausaufgaben machen muss". Also präsentierte sich der aktuelle griechische Regierungschef im Jahr 2025 als derjenige, der seine Hausaufgaben gemacht hat - und wurde dafür hoch gelobt.

Griechenlands Premier Kyriakos Misotakis (li.) und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz in Berlin am 13. Mai 2025 Bild: Lisi Niesner/REUTERS

Bundeskanzler Merz war vom "Mut zu Reformen" der Regierung Mitsotakis begeistert. Explizit lobte er die Rückkehr zur Sechs-Tage-Woche in Griechenland: "Griechenland hat sehr viel mehr gemacht, was das Thema Arbeitszeit in der Woche betrifft, da können wir durchaus von Griechenland etwas lernen," so Merz.

Mitsotakis' Trerfen mit Merz hatte aber auch unangenehme Seiten, besonders was das Thema Flucht und Migration betrifft. Theoretisch sind sich die beiden konservativen Regierungschefs einig: Beide sind entschlossen, die irreguläre Einwanderung nach Europa zu stoppen. Beide haben bekannte "Hardliner" als Migrationsminister ernannt, den CSU-Mann Alexander Dobrindt in Berlin und den Ex-Rechtsextremisten Makis Voridis in der griechischen Hauptstadt Athen. Und beide haben entschieden, dass ab jetzt strikt kontrolliert wird, wer nach Europa kommen darf - und wer nicht.

Unterschiedliche Geografie

In der Praxis aber sind die Interessen beider Länder sehr unterschiedlich: Griechenland liegt an der Außengrenze Europas, es ist ein Land der Erstaufnahme von Flüchtlingen und Migrierenden, die von einem besseren Leben in den reicheren Ländern West- und Nordeuropas träumen. Darum reisen seit Jahren Asylbewerber, die schon in Griechenland registriert oder anerkannt waren, weiter nach Deutschland, Frankreich oder Skandinavien.

Geflüchtete im "Dublin-Zentrum" für eine schnellere Rückführung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten in BrandenburgBild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Bis jetzt wurden ganz wenige dieser Migrantinnen und Migranten zurückgeführt - aber nun will die Regierung Merz verstärkt Rückführungen ermöglichen. Das ist jetzt auch juristisch möglich, denn Mitte April befand das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass Migranten in Griechenland keine extremen Härten drohen. Der Maßstab sei, ob den Migranten dort "Brot, Bett und Seife" zur Verfügung stünden, wie der Vorsitzende Richter Robert Keller sagte.

"Nicht sehr freundlich"

Seitdem könnte Deutschland theoretisch mehrere tausende Migranten nach Griechenland zurückschicken, vor allem junge, allein reisende und gesunde Männer. Aber das will die Regierung in Athen nicht. Αuf die Frage nach der Entscheidung des deutschen Gerichts antwortete Migrationsminister Voridis Ende April, er habe im Moment keinen Antrag aus Deutschland auf dem Tisch. "Wir werden dem Ersuchen jedoch nicht sehr freundlich gegenüberstehen", warnte er.

Griechenlands Migrationsminister Makis VoridisBild: Giannis Panagopoulos/ANE/picture alliance

Nach Angaben des griechischen Ministeriums für Einwanderung und Asyl wurden im vergangenen Jahr 56.066 Ankünfte irregulärer Einwanderer verzeichnet, etwa 155 pro Tag. Im selben Jahr kehrten insgesamt 219 Personen aus Deutschland nach Griechenland zurück. Aus allen EU-Ländern (einschließlich Deutschlands) kehrten vergangenes Jahr ganze 473 anerkannte Flüchtlinge nach Griechenland zurück.

Im Jahr 2025 waren es bis zum 16. Mai bisher 114, davon 48 aus Deutschland. Diese Zahl von Rückführungen sind keine nennenswerte Belastung für Griechenland. Aber falls die Bundesrepublik tatsächlich 20.000 bis 30.000 mutmaßlich weitergereiste Migranten nach Griechenland zurückschicken will, wird die Lage für Athen problematisch.

Rückgang von 30 Prozent

Tatsächlich ist es seit Beginn des Jahres 2025 an den griechischen Grenzen ruhiger geworden. Bis April waren 8295 Menschen angekommen, was einem Rückgang von 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. "Dank eines wirksamen Grenzschutzes und einer verbesserten Zusammenarbeit mit der Türkei sind die Migrationsströme in den ersten vier Monaten um rund 30 Prozent zurückgegangen, obwohl der Zustrom aus Libyen um 174 Prozent gestiegen ist", erklärte Minister Voridis am 22. Mai.

Migranten neben einem Boot der libyschen Küstenwache in der Stadt Khoms, etwa 120 Kilometer östlich von TripolisBild: Hazem Ahmed/AP/picture alliance

Jetzt träumt der Migrationsminister von einem Abkommen mit Libyen, ähnlich dem, das Italien 2017 mit der Regierung in Tripolis unterschrieben hat. Mit der finanziellen und technischen Unterstützung Italiens fingen die libyschen Behörden Tausende Menschen, die das Mittelmeer bereits überquert hatten, ab und brachten sie zurück nach Libyen.

Früher verlief die Flüchtlings-Route vom Westen Libyens nach Lampedusa, jetzt führt eine neue Route von Tobruk im Osten Libyens nach Kreta. Doch die Regierung in Tripolis, hat im Osten des Landes nichts zu sagen. Trotz seiner Ankündigung, bald Libyen zu besuchen, hat Voridis dort im Moment keinen Gesprächspartner, um einen Deal zu machen - und sicher nicht das nötige Kleingeld, um alle möglichen Milizen in dem afrikanischen Land davon zu überzeugen, die Route von Tobruk nach Kreta zu schließen.

Anklage gegen 17 Küstenwächter

Zur Erinnerung: Von Tobruk aus startete im Juni 2023 der Fischkutter "Adriana", der dann vor der griechischen Küstenstadt Pylos unterging - mit mehreren Hundert Menschen an Bord. Mutmaßlich ertranken 600 Migrantinnen und Migranten. Berichte von Überlebenden und internationale Recherchen legten schwere Fehler der griechischen Küstenwache nahe.

Nun hat Griechenlands Staatsanwaltschaft Anklage gegen 17 teils hochrangige Mitarbeiter der Küstenwache erhoben. Unter den Angeklagten ist der Kapitän des Küstenwachen-Schiffs LS 920, das in die Havarie der Adriana maßgeblich verstrickt war. Ihm wird vorgeworfen, für den Untergang des Flüchtlingsschiffs verantwortlich zu sein - und gefährlich in den Schiffsverkehr eingegriffen zu haben.

Des Weiteren werden die gesamte Besatzung der Adriana, zwei wachhabende Offiziere sowie der damalige Chef der griechischen Küstenwache beschuldigt, die Migranten auf dem Schiff einer lebensgefährlichen Situation ausgesetzt zu haben. Es ist das erste Mal, dass die griechische Justiz derartige strafrechtliche Schritte gegen hochrangige Vertreter der Küstenwache einleitet.