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Deutschland will bei Ukraine-Hilfen sparen

19. August 2024

Die Bundesregierung will ab 2026 Kapitalerträge eingefrorener russischer Vermögenswerte statt den Bundeshaushalt zur Unterstützung der Ukraine nutzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selensky vor einer deutschen und einee Europaflagge
Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Hilfe "so lange wie nötig" versprochenBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Es ist ein Schock für die Ukraine und für alle, die Kiew vorbehaltlos unterstützen wollen: Die Bundesregierung will die finanzielle Hilfe für die Ukraine aus dem Bundeshaushalt offenbar nach dem kommenden Jahr beenden und stattdessen einen internationalen Topf dafür anzapfen. Grund ist die extrem angespannte Haushaltslage der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und liberaler FDP, die größte Schwierigkeiten hat, mit den Staatseinnahmen auszukommen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte in einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geschrieben, "neue Maßnahmen" mit Zahlungsverpflichtungen dürften nur eingegangen werden, wenn "eine Finanzierung gesichert ist". Und die scheint nicht gegeben zu sein. 

Finanzminister Christian Lindner will auch bei der Ukraine-Hilfe sparenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance/dpa

Für 2025 hat die Bundesregierung noch vier Milliarden Euro für die Ukraine eingeplant. Auch das ist schon fast eine Halbierung der 7,5 Milliarden des laufenden Jahres. Nach 2025 ist offenbar kein weiteres Geld für die Ukraine aus dem Bundeshalt mehr vorgesehen.

Dann soll das Geld aus Krediten kommen, wie die G7, die Gruppe der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten, bei ihrem Gipfel im Juni in Italien vereinbart hat. Bis zum Ende des Jahres sollen so etwa 50 Milliarden Euro zusammenkommen - an "zusätzlichen Mitteln", wie es in der Erklärung heißt, also nicht als Ersatz für nationale Zuwendungen, wie es die Bundesregierung anscheinend vorhat.

Bezahlt werden sollen diese Kredite unter anderem durch künftige Zinserträge eingefrorener russischer Vermögenswerte. Doch bisher ist unklar, ob, und wenn ja, wann solche Erträge fließen und wie hoch sie dann ausfallen würden. Die internationalen Verhandlungen darüber laufen - mit ungewissem Ausgang.

Entsetzen bei CDU-Opposition, aber auch innerhalb der Koalition

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, warnt die Bundesregierung eindringlich vor einer Kürzung der finanziellen Unterstützung seines Landes. "An der Militärhilfe für die Ukraine zu sparen heißt, Europas Sicherheit zu gefährden", schreibt er auf X. "Das wäre fatal und muss verhindert werden. Die Mittel sind da, es ist eine Frage des politischen Willens."

Es hagelt Kritik auch aus Deutschland. Vertreter der größten Oppositionspartei, der konservativen CDU/CSU, werfen der Bundesregierung vor, die Ukraine im Stich zu lassen. Die Oppositionspartei ist zwar auch dafür, dass russische Vermögenswerte herangezogen werden, aber nicht als Ersatz für deutsche Haushaltsmittel, sondern zusätzlich.

Kritische Stimmen kommen sogar von innerhalb der Regierungskoalition. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, sagte, Deutschland dürfe seine Unterstützung nicht von der Haushaltslage abhängig machen; die Unterstützung findet er gerade in der laufenden ukrainischen Offensive in der russischen Region Kursk wichtig.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte im ARD-Sommerinterview: "Das ist kein gutes Signal, erst recht nicht an die Ukraine und erst recht nicht an unsere Partnerstaaten, die alle beteiligt sind."

Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, im Bundestag eine der vehementesten Befürworterinnen der Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine und inzwischen Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, schlägt in dieselbe Kerbe. Sie nimmt aber auch die Partner in die Pflicht. Auf X schreibt sie, die Ukraine-Hilfen müssten noch ausgeweitet werden. "Das ist aber nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern möglich, von denen wir ebenso mehr Einsatz als bisher fordern."

Angst vor den Landtagswahlen?

Der Grund, warum die Bundesregierung die deutsche Hilfe kürzen will, dürfte nicht nur die angespannte Haushaltslage sein. Im September finden in drei Bundesländern im Osten Deutschlands, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, Landtagswahlen statt. Umfragen deuten auf gute Ergebnisse für die rechte Alternative für Deutschland (AfD) wie für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hin, das sich von der Linkspartei abgespalten hat. Sowohl AfD als auch BSW wollen die Ukraine-Hilfe beenden und treten für eine Wiederannäherung an Russland ein.

Gerade in den ostdeutschen Bundesländern ist die Ukraine-Hilfe bei vielen Menschen unpopulärBild: dts/IMAGO

Auch wenn es bei Landtagswahlen offiziell gar nicht um außenpolitische Fragen geht, spielt das Thema doch im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Sogar der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert eine Verringerung der deutschen Ukraine-Unterstützung - entgegen der Linie der Bundespartei.

Sahra Wagenknecht würde aber nicht nur die Waffenhilfe streichen, sondern forderte sogar, über Schadensersatz von der Ukraine für die Sprengung der Erdgasleitung Nord Stream nachzudenken. Die Bundesanwaltschaft sucht per Haftbefehl einen Ukrainer, den sie verdächtigt, 2022 an der Zerstörung der Ostsee-Leitung von Russland nach Deutschland beteiligt gewesen zu sein. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" wusste Präsident Selenskyj von dem Anschlag. Bewiesen ist indessen nichts. Die ukrainische Regierung hat den Artikel heftig dementiert.

Nach der ersten Aufregung um die Ukraine-Hilfe bemüht sich die Bundesregierung jetzt um Schadensbegrenzung: "Es gilt weiter das Wort des Kanzlers, dass die Unterstützung der Ukraine so lange fortgesetzt wird, wie das nötig ist, und dass niemand, vor allem auch nicht der russische Präsident, darauf hoffen kann, dass wir darin nachlassen", sagte Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Doch in der Sache bestreitet er nicht, dass an eine Verlagerung vom Bundeshaushalt auf internationale Quellen gedacht ist.

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