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Migration: Deutschland will es Flüchtlingen schwerer machen

28. Mai 2025

Familiennachzug stoppen, "Turbo"-Einbürgerung abschaffen - Fakten, Fragen und Antworten zu aktuellen Gesetzesvorlagen der Bundesregierung.

Ein kleiner Junge schiebt einen Kinderwagen in einer Geflüchtetenunterkunft. In dem Kinderwagen sitzt ein Mädchen. Beide Kinder sind von hinten zu sehen.
Die meisten nach Deutschland Geflüchteten sollen ihre Kinder und Ehepartner nicht mehr nachholen dürfenBild: Peter Jülich/epd

Was ist beschlossen worden?

1. Familiennachzug

Die Bundesregierung will den Familiennachzug für eine bestimmte Gruppe von nach Deutschland Geflüchteten für zwei Jahre aussetzen. Ausnahmen soll es nur aus humanitären Gründen, beispielsweise bei schwersten Erkrankungen geben.

In einem ersten Schritt stimmte das Kabinett am Mittwoch (28.05.) einer entsprechenden gesetzlichen Änderung zu.  Beschließen muss es der Bundestag, also das Parlament. Dort haben die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD die Mehrheit. Der Bundesrat, also das Parlament der Bundesländer, muss der Gesetzesänderung danach noch zustimmen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt(CSU) strebt ein Inkrafttreten noch vor der parlamentarischen Sommerpause an und verwies nach der Kabinettsitzung erneut darauf, dass Städte und Kommunem mit der Aufnahme und Integration von Geflüchteten überfordert seien. "Erstens: Die Familien ziehen nicht nach, das bringt die direkte Entlastung. Zweitens: Es wird wahrgenommen in der Welt, dass dieser Mechanismus nicht mehr funktioniert, wenn sich ein Familienangehöriger auf den Weg macht und auch das bringt Entlastung."

2. Einbürgerung 

Eine beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders integrierte Zuwanderer soll es nicht mehr geben. Die Regelung, die von der Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP eingeführt worden war, wird ersatzlos gestrichen.

3. Offiziell formuliertes Ziel: Begrenzung der Migration

Das Aufenthaltsrecht wird umformuliert. Gesetzliche Regelungen sollen nicht mehr allein der Steuerung von Migration dienen. Künftig wird als Ziel die "Steuerung und Begrenzung von Migration" gesetzt.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, rechts), Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD, Mitte) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Kabinettsitzung in BerlinBild: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa

Wer ist betroffen?

Von den Änderungen beim Einbürgerungsrecht sind alle betroffen, die einen deutschen Pass beantragen wollen. Zukünftig muss man mindestens fünf Jahre dauerhaft in Deutschland leben, bevor man eingebürgert werden kann. Voraussetzung sind unter anderem gute deutsche Sprachkenntnisse und ein fester Arbeitsplatz. 2024 wurden in Deutschland mehr als 200.000 Menschen eingebürgert. Das war der höchste Stand seit 25 Jahren.

Die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft die sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Das sind Geflüchtete, die weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verfolgt werden, noch Anspruch auf politisches Asyl haben. Denen aber im Herkunftsland womöglich ernsthafter Schaden droht, beispielsweise durch einen Bürgerkrieg.

Subsidiär Schutzberechtigte können weniger Rechte haben als Personen mit regulärem Flüchtlingsstatus. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte so bestätigt. In Deutschland leben etwa 388.000 Menschen mit diesem Status, die allermeisten kommen aus Syrien, viele weitere aus Afghanistan und dem Irak.

Was gilt bisher für den Familiennachzug?

In Deutschland wurden erstmals 2011 Geflüchtete als subsidiär schutzberechtigt anerkannt. Ehepartner und Kinder durften sie nicht nachholen. Das änderte sich Anfang 2015. Nachdem ab Mitte des Jahres sehr viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kamen, setzte die Bundesregierung den Familiennachzug wieder aus.

Seit 2018 gilt ein Kontingent, wonach maximal 1000 enge Familienmitglieder pro Monat ein Visum für Deutschland bekommen können. Ein rechtlicher Anspruch auf Familienzusammenführung bestand nie, eine Bewilligung liegt im Ermessensspielraum der Behörden. Der Antrag muss in einer deutschen Auslandsvertretung gestellt werden. 2023 und 2024 wurden jeweils rund 12.000 Visa erteilt.

Wie begründet die Regierung ihre Migrationspolitik?

CDU und CSU wollen erreichen, dass weniger Menschen nach Deutschland flüchten. "Wir sind offen für legale Migration in unseren Arbeitsmarkt und in unsere Gesellschaft", sagte Bundesinnenminister Dobrindt im Bundestag. Bei der sogenannten "illegalen" oder "irregulären" Migration", also wenn Menschen ungesteuert nach Deutschland kommen, sei die Belastungsgrenze hingegen überschritten.

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hat Dobrindt bereits verschärfte Kontrollen an den Landesgrenzen und die Zurückweisung auch von Asylbewerbern angeordnet. Nun folgen weitere Maßnahmen. "Unser Ziel ist es, Pull-Faktoren, die Anziehungskraft auch zur Einreise nach Deutschland gebracht haben, zu beseitigen", sagte Dobrindt nach der Kabinettsitzung.

An allen deutschen Landesgrenzen werden Einreisende kontrolliertBild: Wojciech Szymanski/DW

Welche Kritik gibt es an den Maßnahmen?

Die Grünen und die Linkspartei sind gegen die Verschärfungen, der in Teilen rechtsextremen AfD gehen sie nicht weit genug. 

Die linke Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sprach vom "Beginn einer migrationspolitischen Eiszeit". Diese werde "die Gesellschaft negativ verändern und ein gleichberechtigtes, solidarisches Zusammenleben erschweren". Die "Migrationswende" sei nicht weniger als eine "Abkehr von Humanität und Menschenrechten".

Die Organisation Pro Asyl bezeichnet die Aussetzung des Familiennachzugs als "Familienzerstörungsgesetz". Es sei eine Katastrophe für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen seien. Mütter, Väter und Kinder müssten weiterhin in Gefahr und Angst leben, ihre Familien blieben zerrissen. Legale und sichere Fluchtwege würden geschlossen.

Auch die Kirchen lehnen den Stopp beim Familiennachzug ab. Er sei "ethisch überaus fragwürdig" und wirke sich auch negativ auf die Integration aus, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße in einem Zeitungsinterview. Das Grundgesetz stelle die Familie unter besonderen Schutz. 

Gibt es auch Zustimmung?

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) kritisiert zwar die Aussetzung des Familiennachzugs. Die geplante Abschaffung der Einbürgerung nach drei Jahren hält der SVR hingegen für sinnvoll. Damit werde der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert. 

Die aktuelle Regelung habe dazu geführt, "dass eine Einbürgerung schneller erfolgen kann als der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts. Das ist kaum zu vermitteln und entspricht nicht der Bedeutung des Staatsangehörigkeitsrechts", sagte der SVR-Vorsitzende Winfried Kluth in einem Zeitungsinterview.

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