Deutschland will Familiennachzug für Geflüchtete aussetzen
19. Mai 2025
"Bevor ich nach Deutschland kam, wusste ich nicht, dass es so schwierig sein würde. Ich wusste es einfach nicht. Wissen Sie, wir sind Männer, und wir Männer sind es nicht gewohnt, Kinder zu erziehen", sagt Mohammed. Der Syrer ist mit seinem neunjährigen schwerbehinderten Sohn, der an einer zerebralen Atrophie leidet, allein in Deutschland.
Doch der Plan, irgendwann seine Frau und seine beiden Töchter nachzuholen, wird wahrscheinlich nicht aufgehen. Denn der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD sieht vor, den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre auszusetzen.
Mohammed, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, gehört zu diesen 351.400 Menschen in Deutschland, die meisten von ihnen kommen aus Syrien. Die Einstufung gilt für Personen, welche die spezifischen Kriterien für den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention nicht erfüllen, denen aber in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht: Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder auch willkürliche Gewalt im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt.
Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus erhalten eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, seit 2024 für drei Jahre. Sie dürfen arbeiten und Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Doch während Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge das Recht haben, Ehepartner und Kinder unter 18 Jahren nachzuholen, gilt dies nicht für Personen mit subsidiärem Schutzstatus.
Neue Regierung will Migration durch einen "Politikwechsel" einschränken
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt sagt, die Bürger erwarteten einen "Politikwechsel" beim Thema Migration, der auch ein Ende des Familiennachzugs in bestimmten Fällen umfasse. Die Integrationsfähigkeit eines Landes hat aus Sicht des neuen Ministers "schlichtweg eine Belastungsgrenze, und deswegen müssen wir handeln". Städte und Gemeinden im ganzen Land stießen an ihre Grenzen.
Die Frage der Familienzusammenführung für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ist in Deutschland seit Jahren Gegenstand vieler politischer Debatten. Im Jahr 2015 gewährte die von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Regierung Ehegatten, Kindern oder Eltern von subsidiär Schutzberechtigten das Recht auf Familiennachzug. Dieses Recht wurde jedoch 2016 nach nur einem Jahr wieder ausgesetzt.
Seit 2018 können die Familien von subsidiär Schutzberechtigten wieder zusammengeführt werden. Allerdings beschränkt die Bundesregierung die Zahl der Visa, die sie ausstellt, auf maximal 1000 pro Monat – inklusive langer Wartelisten und langwieriger bürokratischer Verfahren. Im Jahr 2024 wurden also rund 12.000 Visa an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt.
Auch juristisch Grauzonen beim Familiennachzug
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren, die Trennung von der Familie stelle für die Betroffenen eine enorme psychische Belastung dar, mit Auswirkungen auf die Integration und auch auf die irreguläre Einwanderung. Ohne einen legalen Weg zur Wiedervereinigung mit Kindern, Eltern oder Ehepartnern gingen manche Menschen das Risiko ein, irreguläre, oft unsichere Routen zu nutzen, um ihre Angehörigen in Deutschland zu erreichen.
Einige Rechtsexperten sind der Meinung, dass die EU-Richtlinie für Familienzusammenführung zwar nicht für Menschen mit subsidiärem Schutz gelte, weil sie vor der Definition dieses Status erlassen wurde. Doch der Gesetzgeber sei dennoch sowohl an Artikel sechs der deutschen Verfassung ("Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung") als auch an die von Deutschland ratifizierte Europäischen Menschenrechtskonvention mit dem verankerten Recht auf Familienleben gebunden.
Eine wichtige Einschränkung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht in Deutschland entschieden und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptiert. "Wenn es eine Alternative für das Familienleben in einem anderen Land gibt, insbesondere im Herkunftsland, dann gibt es kein automatisches Recht auf Familienzusammenführung in Deutschland", sagt Thomas Gross, Experte für deutsches und EU-Recht an der Universität Osnabrück, der DW.
Visavergabe für Familienangehörige sehr langwierig
Das deutsche Bundesverfassungsgericht wird letztlich entscheiden müssen, ob ein Ende der Familienzusammenführung für Menschen mit subsidiärem Schutz rechtlich zulässig ist. Gross vermutet, dass das Jahre dauert. Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass es schon jetzt zwischen sechs Monaten und mehr als zwei Jahren dauert, bis Familienmitglieder von den deutschen Botschaften ein Visum erhalten.
"Es ist nicht so, dass man zur Botschaft geht und am nächsten Tag einen Flug nach Deutschland nimmt. Es ist ein kompliziertes und oft langwieriges Verfahren. Manchmal sind DNA-Tests erforderlich, manchmal ist die Botschaft weit entfernt in einem anderen Land, was für viele Menschen praktisch unmöglich ist", sagt Gross.
Mohammeds Visum für subsidiären Schutz ist noch ein Jahr gültig. Seine Integration gestaltet sich schwierig, weil er praktisch Vollzeitpfleger für seinen Sohn ist, der regelmäßige Krankenhausbesuche benötigt. "Der Staat sollte meiner Familie helfen, hierher zu kommen, das ist eine humanitäre Ausnahmesituation", sagt Mohammed. "Ich meine, wie soll ich das noch länger aushalten?"