Deutschland will wieder in Ruanda helfen
11. Februar 2013Der Schritt kam überraschend: Nach einem Gespräch zwischen Entwicklungsminister Dirk Niebel und der ruandischen Außenministerin Louise Mushikiwabo hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) entschieden, sieben Millionen Euro eingefrorener Hilfsgelder wieder freizugeben. Die Gelder für Ruanda sollen nun aber nicht mehr - wie zuvor - direkt in die Staatskasse fließen, sondern projektbezogen im Bereich der beruflichen Bildung eingesetzt werden. Die deutsche Regierung hatte die Zahlung im vergangenen Jahr ausgesetzt, nachdem Ruanda in einem UN-Bericht beschuldigt worden war, eine Rebellengruppe im Nachbarland Kongo zu unterstützen.
Die aktuelle Entscheidung stößt bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf Verwunderung. Ruanda-Expertin Carina Tertsakian sagte der Deutschen Welle, es gebe bislang keinen Beweis, dass Ruanda seine umfangreiche Einflussnahme im Kongo gestoppt habe. Vielmehr habe die Organisation Informationen, die darauf hindeuteten, dass die kongolesischen M23-Rebellen noch im Dezember finanzielle und militärische Unterstützung aus Kigali erhalten hätten.
"Wenn manche Geber - Deutschland oder andere - ihre Hilfe verfrüht wieder aufnehmen, bevor Ruanda sie davon überzeugen kann, dass das Ursprungsproblem gelöst ist, dann könnte das das klare Signal untergraben, das sie im letzten Jahr gesetzt haben", sagt Tertsakian.
Neben Deutschland hatten im Sommer auch einige andere Länder ihre Hilfen für Ruanda eingefroren, darunter Großbritannien, Schweden und die Niederlande. Deutschland ist das erste Land, das nun die suspendierten Gelder in Teilen wieder freigibt. Von den ursprünglich 21 Millionen Euro Budgethilfe, die Ruanda über einen Zeitraum von drei Jahren erhalten sollte, betrifft das - mit sieben Millionen Euro - zunächst nur die Summe für das laufende Haushaltsjahr. Insgesamt sollte Ruanda von Deutschland bis 2015 rund 60 Millionen Euro an Hilfsgeldern erhalten. Die übrigen 39 Millionen Euro, die von vornherein als projektbezogene Hilfen beschlossen wurden, waren von der Sperre nicht betroffen.
"Ruanda macht Fortschritte"
Entwicklungsminister Dirk Niebel erläuterte seine Entscheidung für die Freigabe der Gelder im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wir wollen nicht, dass die Entwicklungsfortschritte in Ruanda verloren gehen, weil die wirtschaftliche Schieflage zu groß wird." Berufliche Qualifikation sei ein Schlüsselbereich, um entwicklungspolitische Erfolge in dem ostafrikanischen Land festigen zu können.
Doch auch Niebel mahnt zur Vorsicht. "Wir sind der Ansicht, dass es keine gute Idee ist, in der jetzigen Situation deutsche Steuergelder ungeprüft auszuzahlen." Im Ministerium nehme man die Vorwürfe der UN-Experten sehr ernst. Ruanda habe aber auch Fortschritte gemacht und sei auf dem Weg zu einer politischen Lösung.
Vorsichtigen Optimismus äußerte auch Ilona Auer-Frege vom Ökumenischen Netz Zentralafrika. In den Friedensverhandlungen, die derzeit in Uganda geführt werden, habe sich Ruanda bemüht gezeigt, sagt die Koordinatorin des Netzwerks kirchlicher Hilfswerke. Ruanda habe zudem verstanden, dass es seine Strategie der Einflussnahme im Kongo so nicht fortsetzen könne. Auer-Frege hält es daher für wichtig, Ruandas Dialogbereitschaft zu unterstützen.
Zuckerbrot und Peitsche
Man könne es durchaus verantworten, nach dem internationalen Druck der letzten sechs Monate nun wieder einen kleinen Schritt auf Ruanda zuzugehen, um den Faden der Kommunikation nicht abreißen zu lassen, meint Auer-Frege. "Wenn man diese Schraube des Einstellens von Hilfen zu sehr überdreht, läuft man Gefahr, dass sich die ruandische Regierung weiter radikalisiert und dann überhaupt keine Verhandlungen mehr möglich sind." Ruanda müsse nun beweisen, dass es die Unterstützung für die M23-Rebellen im Kongo einstelle. Stattdessen solle Ruanda sich um legale Investitionen im Nachbarland und um den Aufbau einer regionalen Wirtschaftsgemeinschaft bemühen. Eine weitere Forderung des kirchlichen Netzwerks: Die Zivilgesellschaft müsse stärker in die Verhandlungen eingebunden werden.
Minister Niebel betonte, dass die Budgethilfe das höchste Maß an Vertrauen zwischen zwei Nationen ausdrücke. Sie stelle in der deutschen Politik ohnehin eine Ausnahme dar und werde in allen Fällen gründlich geprüft. Zurzeit zahlt Deutschland Budgethilfen an sechs Länder. Für Mali und Malawi ist die Hilfe ausgesetzt. "Ich glaube, wir waren uns einig, dass eine allgemeine Budgethilfe in absehbarer Zeit von Deutschland nicht wieder nach Ruanda geleistet wird. Wir sind uns auch einig, dass wir diese Mittel in klaren Sektoren einsetzen sollten, damit wir auch sehen, wo sie hinfließen." Deutschland wolle sich auch international dafür einsetzen, dass Hilfszahlungen auch in Form sogenannter sektoraler Hilfe gezahlt werden können, heißt es aus dem Ministerium.
Auch Uganda wird beobachtet
Die UN-Expertengruppe zum Kongo hatte noch im November ihre Vorwürfe gegen Ruanda verschärft. Ihr Bericht sah den ruandischen Verteidigungsminister als Leiter der Kommandostruktur der M23-Rebellen an. Den Experten zufolge hatte es auch von ugandischer Seite Unterstützung für die Rebellen gegeben, die derzeit in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, mit der kongolesischen Regierung verhandeln.
Kurz darauf hatte Minister Niebel auch die Budgetzahlungen an Uganda ausgesetzt. Nun werde man auch für Uganda eine Umwandlung in projektbezogene Hilfen erwägen, kündigte Niebel an.