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Deutschland zögert beim Netzausbau

10. Mai 2017

Schnelles Internet ist entscheidend für Wirtschaftswachstum. Glasfasernetze sind entscheidend für schnellen Internetzugang. Deutschland aber gehört in Sachen Glasfaser international zu den Schlusslichtern.

Rot leuchtende Glasfaserkabel
Bild: picture-alliance/dpa

In Estland führen Glasfaserleitungen bereits in drei von vier Haushalte, in Schweden und in Spanien fast zu jedem zweiten Anschluss. In Deutschland haben gerade einmal gut sechs von hundert Haushalten Zugang zum Glasfasernetz. Und im ländlichen Deutschland nicht mal zwei von hundert. Für eine neue Studie zur Qualität der Internetversorgung haben sich das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und die Bertelsmann Stiftung die Versorgung mit Glasfaserleitungen besonders genau angeschaut. Der Grund: nur die könnten "langfristig alle Anforderungen an Bandbreite, Stabilität und Qualität der Verbindungen erfüllen", so die Autoren.

Die digitale Realität in Deutschland - und nicht nur auf dem Land - schildern die Forscher so: "ruckelnde Internet-Videos, stockende Uploads, ländliche Gemeinden ohne Breitbandanschluss". Im Vergleich mit anderen Industrieländern belegt Deutschland denn auch nur Platz 28 von 32, so eine Untersuchung der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dabei hat die Weltbank unlängst prognostiziert, dass "Industrienationen ihre Wirtschaftsleistung zusätzlich um 1,2 Prozent ankurbeln, wenn sie die Zahl der Breitbandanschlüsse um zehn Prozent erhöhen".

Zögerlicher Ausbau des Glasfasernetzes, erst recht in ländlichen GebietenBild: Stefan Rheinbay

Internet als Grundbedürfnis

Länder wie Schweden und Estland zeigen, wie es besser laufen kann als in Deutschland. Beide Länder, so die Experten des ISI, behandeln den Internetzugang - ähnlich wie die Versorgung mit Wasser und Strom - inzwischen als Grundversorgung: Kommunale Versorger kümmern sich um den Glasfaseranschluss.  In der Schweiz hat der Staat alle Beteiligten an einen Tisch gebracht, um den Ausbau der Glasfasernetze zu koordinieren. Mit ersten Erfolgen: Immerhin gehen die schnellen Leitungen schon in gut ein Viertel aller Schweizer Haushalte.

Warum das in Deutschland noch anders ist, hat Kritikern zufolge viel mit dem ehemaligen Staatsmonopolisten zu tun, der Deutschen Telekom. Die Telekom hat früher viel Geld in ein lnadesweites Netz mit Kupferleitungen für das Telefon investiert, und das nützt sie immer noch - auch für die Internetversorgung.  Die Telekom werde nicht einfach wegen des Drucks von außen Glasfaseranschlüsse bis in die Häuser bauen, sagte Konzernchef Tim Höttges unlängst der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir entscheiden für unsere Kunden und Aktionäre, was die richtige Vorgehensweise ist."  Das Kupfernetz war für das Telefon ausgelegt, nicht für die riesigen Datenmengen, die durch das Internet anfallen. Vor allem das letzte Stück direkt in die Haushalte ist das Problem.

Ex-Monopolist Deutsche Telekom

Probleme mit der Kupferleitung

Dafür bietet nicht allein die Glasfaser-Technologie eine Lösung; es gibt auch andere schnelle Zugänge zum Internet. Die Telekom versucht, das Problem mit der sogenannten Vectoring-Technologie zu lösen. Die Technologie unterdrückt Störsignale zwischen den Kupferdrähten, doch funktioniert sie nur, wenn andere Breitbandanbieter das Feld räumen. Die Konkurrenz lief dagegen Sturm, auch vor Gericht - bisher aber erfolglos.    

"Derzeit fließen viele öffentliche Mittel in die Vectoring-Technologie und damit in das alte Kupfernetz der Telekom", sagte der Chef des Anbieters United-Internet Ralph Dommermuth zu Reuters. Gleichzeitig komme aber der Glasfaserausbau nicht voran. "Jeder weiß, dass das kein Zukunftsmodell ist, aber es wird trotzdem gemacht." Dabei wird die Qualität der Netze zunehmend zum Standortfaktor. Die besten Arbeitsplätze würden dort entstehen, wo es die besten Netze gebe, sagt Jürgen Grützner, Chef des Branchenverbands VATM. "Wir müssen jetzt für die digitale Avantgarde bauen und nicht warten, bis Glasfaseranschlüsse den Massenmarkt erreichen."

Verteilerkasten mit Glasfaserkabel in HannoverBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Warten auf den nächsten Standard?

Andere Experten vermuten noch andere Gründe für die Zurückhaltung der Deutschen in Sachen Glasfaser. "Einige Betreiber spekulieren auf den nächsten Mobilfunkstandard 5G, mit dem sich große Datenmengen übertragen lassen", so Analyst Guy Peddy von der Bank Macquarie. Damit könne man das letzte Stück des Internet-Ausbaus bis in die Häuser mit Funk überbrücken. "Doch auch 5G hebelt die Gesetze der Physik im Mobilfunk nicht aus. Wenn sich mehrere Leute gleichzeitig einklinken, sinken die Datenraten rapide." Experten erwarten, dass 5G erst Mitte des nächsten Jahrzehnts im großen Stil nach Deutschland kommt. Derzeit gibt es den Standard noch nicht einmal.

Die Auftraggeber der jüngsten Studie raten der deutschen Politik auf jeden Fall, die eigenen Ziele ambitionierter zu fasse, wenn es ums Internet geht. "Das eigentliche Drama ist, dass der Aufholprozess durch politische Weichenstellungen unzureichend unterstützt wird", sagte Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Schließlich hat die EU bis 2020 das Ziel ausgegeben, jeden zweiten Verbraucher mit 100 Megabit in der Sekunde (Mbit/s) schnellen Leitungen auszustatten. Die deutsche Zielmarke aber laufe auf  landesweit 50 Mbit/s bis nächstes Jahr hinaus. Das reiche bei weitem nicht aus. Die Politik sei nun gefragt, den Ausbau der Leitungen besser zu koordinieren.

ar/hb (rtr, afp - Bertelsmann Stiftung) 

 

 

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