Deutschland zieht die Investoren an
14. Mai 2013Wer auf schnelles Wachstum, billige Löhne und hohe Profite setzt, der muss in China und den anderen Schwellenländern investieren. Schließlich sind das die momentan angesagten Wachstumsmärkte. Doch gilt diese Weisheit immer und überall? Offenbar nicht. Denn auch auf dem alten Kontinent Europa gibt es attraktive Investitionsstandorte - Deutschland zum Beispiel.
"Industrieunternehmen in Deutschland werden für ausländische Investoren immer attraktiver. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Transaktionen mit ausländischen Käufern um über zehn Prozent. Der positive Trend dürfte auch 2013 anhalten", heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers (PwC).
Schwellenländer legen zu
Für bemerkenswert halten die Autoren der Studie vor allem das gestiegene Interesse von Investoren aus Übersee. Zwar stammten die meisten Auslandsinvestoren in Deutschland nach wie vor aus Europa, mittlerweile engagieren sich jedoch verstärkt Käufer aus China und anderen Schwellenländern. So hat sich der Anteil der Investoren aus den BRIC-Staaten innerhalb von zwei Jahren von vier auf acht Prozent verdoppelt. "Viele ausländische Wettbewerber sind an Marktanteilen und Know-how interessiert. Das können sie sich nur durch eine Beteiligung oder Übernahme sichern", sagt Christian Knechtel, einer der Autoren der PwC-Studie.
Einen umfassenderen Ansatz als PwC verfolgt "Germany Trade & Invest", die bundeseigene Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing (GTAI). Sie untersucht jedes Jahr, wer sich in Deutschland neu angesiedelt hat, und woher die Investoren kommen. Die USA waren im vergangenen Jahr mit 133 Ansiedlungsprojekten wieder auf Platz eins, China liegt mit 98 Projekten hinter den 116 Projekten der Schweiz auf Platz drei, und Asien werde insgesamt immer wichtiger - so fassen die Statistiker der GTAI ihre Ergebnisse zusammen.
Neue Arbeitsplätze
Werner Bunse, Geschäftsführer der GTAI, sieht gleich mehrere Gründe für das Interesse ausländischer Investoren an Deutschland. Zum einen sei es die "stärkste Volkswirtschaft in Europa mit einem sehr nachfragekräftigen Markt", zudem sei die deutsche Industrie sehr innovativ und auf den Weltmärkten sehr gut aufgestellt. Hinzu käme die ausgezeichnete Ausbildung der Arbeitnehmer in Deutschland. "Und zwar nicht nur auf der akademischen Ebene, sondern auch aufgrund unseres dualen Ausbildungssystems auch auf der Facharbeiterebene", so Bunse zur DW.
Mehr als drei Viertel der ausländischen Direktinvestitionen führten laut GTAI zu sogenannten Greenfield-Ansiedlungen, also dem Aufbau neuer Standorte, der auch mit neuen Arbeitsplätzen verbunden sei. Einen Schwerpunkt bei einzelnen Branchen gebe es nicht, was letztendlich auch die Stärke der deutschen Wirtschaft widerspiegele, nämlich die Diversifizierung vor allem im Mittelstand. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 854 Neuansiedlungen ausländischer Unternehmen registriert - drei Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Auch Aktien sind begehrt
Ausländische Anleger halten zudem immer mehr Anteile an den großen deutschen Aktiengesellschaften. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young liegen im Schnitt 55 Prozent der Aktien der im Leitindex Dax notierten Unternehmen in Depots ausländischer Investoren. Aktionäre aus Deutschland hielten im Geschäftsjahr 2012 durchschnittlich nur ein gutes Drittel (37 Prozent) der Aktien, die restlichen acht Prozent konnten keiner Region zugeordnet werden. Damit habe sich die Aktionärsstruktur in den vergangenen Jahren gedreht: Bei den Unternehmen, deren Daten den Vergleich mit dem Jahr 2005 zulassen, sei der Anteil ausländischer Anleger von 44 Prozent auf 58 Prozent im Jahr 2012 gestiegen.
Das wirtschaftlich robuste Deutschland ist also inmitten der Euro-Krise für viele Investoren der Top-Standort in Europa. Er gehört laut World Economic Forum zu den sechs wettbewerbsfähigsten Standorten überhaupt. Nach einer Umfrage der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young unter 400 großen und mittelständischen Unternehmen in China ist Deutschland in Europa das mit großem Abstand begehrteste Ziel für Investitionen und Zukäufe.