Über 40 Prozent des Stroms in Deutschland wird aus erneuerbaren Energien gewonnen. Damit haben die Erneuerbaren inzwischen Kohle übertrumpft. Doch der neue Rekord reicht nicht, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen.
Anzeige
Auf den ersten Blick klingen die Zahlen positiv. 2018 lag der Anteil von Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft im deutschen Stromnetz erstmals über 40 Prozent. Im Jahr zuvor lag der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix nach Angaben des Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) noch bei rund 38 Prozent; zehn Jahre zuvor waren es lediglich knapp 16 Prozent.
Möglich wurde der neue Rekord durch ein starkes Sonnenjahr, ein leichtes Plus bei der Winderzeugung und eine geringere Stromnachfrage. Die Stromerzeugung mit fossilen Energien ging deshalb im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent zurück. Damit sanken auch die CO2-Emissionen.
Am stärksten sank die Stromerzeugung aus Erdgas (-18,5 Prozent), gefolgt von der Steinkohle (-7 Prozent). Der besonders klimaschädliche Strom aus Braunkohle nahm im Vergleich zum Vorjahr jedoch nur um zwei Prozent ab.
Klimaziele werden in Deutschland ohne Korrektur verfehlt
Etwas mehr Ökostrom, ein milder Winter und ein leicht gesunkenes Produktionsniveau der energieintensiven Industrie führten zu niedrigeren CO2-Emissionen - über 50 Millionen Tonnen weniger im Vergleich zum Vorjahr. 2018 lagen die CO2-Emissionen in Deutschland bei 32 Prozent unter dem Niveau von 1990. Das versprochene Ziel der Bundesregierung war es jedoch, bis 2020 die Emissionen um 40 Prozent zu senken.
"Der Emissionsrückgang rückt auf den ersten Blick zwar das Klimaschutzziel 2020 in greifbare Nähe, doch schon der nächste durchschnittlich kalte Winter und kleinere konjunkturelle Veränderungen werden die positive Entwicklung wieder zunichtemachen", so Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende.
"Nötig sind daher nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Braunkohle sowie im Verkehrs- und Gebäudebereich. Ansonsten sind die Klimaschutzziele für 2020 und 2030 nicht zu erreichen," sagte Graichen.
Welches Tempo braucht Deutschland für 1,5 Grad-Ziel?
Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad sei noch möglich, sagen der Weltklimarat und die Vereinten Nationen. "Die Regierungen müssen schneller und mit größerer Dringlichkeit vorgehen", mahnt Joyce Msuya, stellvertretende Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.
In Deutschland müssten nach einer Studie von Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin (HTW), zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels die Emissionen aus der fossilen Verbrennung bis 2040 auf null sinken. Da der Straßenverkehr bis dahin fast vollständig elektrifiziert werden müsse und auch die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen erfolge, würde sich der Stromverbrauch im Vergleich zu heute verdoppeln.
Um diesen Stromverbrauch zu decken, müsse der Zubau von neuen Windkraftanlagen bei neun Gigawatt (GW) und von Photovoltaik bei mindestens 15 GW pro Jahr liegen. In Deutschland lag der jährliche Ausbau in den vergangen Jahren weit darunter, bei rund fünf GW für Windenergie und zwei GW bei der Photovoltaik.
Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Parlamentariern, geht einen Schritt weiter. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen-Fraktion fordert einen noch höheren jährlichen Ausbau von Wind- und Solarkraft. "Bis 2030 müssen wir in Deutschland und auch weltweit die Emissionen auf Null senken, damit katastrophale Wetterextreme nicht die Lebensgrundlage immer größerer Teile der Menschheit vernichten."
Was kann man für den Klimaschutz tun?
Drei Viertel aller globalen Treibhausgase entstehen bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, ein Viertel durch Landwirtschaft und Abholzung. Wie kann man Klimagase vermeiden? Was kann jeder tun? Wir geben 10 Tipps.
Bild: picture-alliance/dpa
1. Raus aus Kohle, Öl und Gas
Die meisten Klimagase kommen aus Kraftwerken, Industrie und dem Verkehr. Das Heizen von Gebäuden verursacht ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen. Wer Energie effizient nutzt und Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energien ersetzt, schützt das Klima.
Bild: picture-alliance/dpa
2. Sauberen Strom selbst erzeugen
Strom muss inzwischen nicht mehr aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken kommen. Es gibt Alternativen - und die sind inzwischen sogar meist deutlich preiswerter. Strom lässt sich leicht selber produzieren und auch mehr als man selbst braucht. Auf den Dächern gibt es für Solarmodule viel Platz, die Technik ist etabliert.
Bild: Mobisol
3. Gute Ideen unterstützen
Immer mehr Kommunen, Firmen und Genossenschaften investieren in erneuerbare Energien und verkaufen sauberen Strom. Dieser Solarpark gehört Saerbeck. Die deutsche Gemeinde mit 7200 Einwohnern produziert mehr Strom als sie braucht und ist ein Vorbild für die zukunftsweisende dezentrale Energieversorgung. Hier ist gerade eine Delegation aus den USA zu Besuch und erfährt wie das geht.
Bild: Gemeinde Saerbeck/Ulrich Gunka
4. Kein Geld für klimaschädliche Unternehmen
Immer mehr Bürger, Pensionsfonds, Versicherungen, Universitäten und Städte ziehen ihr Geld aus fossilen Brennstoffunternehmen ab. Münster ist in Deutschland die erste Stadt, die sich der sogenannten Divestment-Bewegung angeschlossen hat. Weltweit haben sich mittlerweile über 180 Städte und Universitäten dazu verpflichtet. Die globale Bewegung hat viel Dynamik, auch weil jeder mitmachen kann.
Bild: 350.org/Linda Choritz
5. Umsteigen auf Rad, Bus und Bahn
Fahrräder, Bus und Bahn sparen viel CO2. Im Vergleich zum Auto ist ein Bus fünf Mal klimafreundlicher und ein elektrisch betriebener Zug mit Ökostrom sogar über 20 Mal. In Amsterdam fahren die meisten Bürger Rad. Die Stadt fördert mit breiten Radwegen und Fahrradstraßen diesen Verkehr und ist Vorbild für andere Städte.
Bild: DW/G. Rueter
6. Nicht fliegen
Fliegen ist äußerst klimaschädlich. Die Fakten zeigen das Dilemma: Zur Einhaltung des Klimaziele sollte jeder Erdbewohner im Durchschnitt nur noch rund eine Tonnen CO2 pro Jahr verursachen. Ein Hin- und Rückflug zwischen Berlin und New York verursacht pro Person jedoch schon eine Klimawirkung von 6,5 Tonnen CO2. In den Urlaub sollte man deshalb nicht mehr fliegen.
Bild: Getty Images/AFP/P. Huguen
7. Weniger Fleisch essen
Für das Klima ist auch die Landwirtschaft ein Problem. Beim Reisanbau und in den Mägen von Rindern, Schafen und Ziegen entsteht das sehr klimaschädliche Gas Methan. Kritisch sind Viehhaltung und weltweit wachsender Fleischkonsum auch wegen des zunehmenden Bedarfs an Soja für die Fütterung. Für den Soja-Anbau werden Regenwälder abgeholzt oder in Brand gesetzt.
Bild: Getty Images/J. Sullivan
8. Biolebensmittel kaufen
Besonders klimaschädlich ist Lachgas. Sein Anteil am globalen Treibhauseffekt liegt bei sechs Prozent. Es entsteht in Kraftwerken und Motoren, vor allem aber durch die Verwendung von Kunstdünger in der Landwirtschaft. Beim ökologischen Anbau ist das verboten und deshalb wird weniger Lachgas freigesetzt. Das hilft dem Klimaschutz.
Bild: imago/R. Lueger
9. Nachhaltig bauen und konsumieren
Bei der Herstellung von Stahl und Zement entsteht viel CO2, beim Wachstum von Holz und Bambus wird CO2 dagegen gebunden. Die bewusste Wahl von Baumaterialien hilft dem Klima. Das gleiche gilt für den Konsum. Für eine Massage und Frisur braucht man keine fossile Energie, für einen Plastikbecher etwas und für ein neues Auto viel.
Bild: Oliver Ristau
10. Verantwortung übernehmen
Wie kann man Treibhausgase vermeiden, damit Kinder und Enkel keine katastrophalen Folgen der Erderhitzung erleben? Diese Schüler sind fasziniert von sauberer Energie und sehen sie als Chance für ihre Zukunft. Jeder kann helfen, dass dies gelingt.