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Muss Deutschland die Digitalisierung fürchten?

Arthur Sullivan nm
19. Februar 2018

Seit Jahren werden mangelnde Investitionen in die digitale Infrastruktur beklagt. Unternehmer warnen vor den Risiken. Aber ist Europas führende Wirtschaftsmacht tatsächlich so unvorbereitet auf die digitale Revolution?

Roboter ARMAR
Bild: picture-alliance/dpa

Da war er: ein neuer Koalitionsvertrag. Nach Monaten voller Verhandlungen, Rückschläge und Warteschleifen seit der Bundestagswahl, war die Freude über den Koalitionsvertrag erstmal groß. Doch vor allem innerhalb der Wirtschaft blieb die Heiterkeit eher aus. Die Angst ist da und sie wird auch offen ausgesprochen: Der aktuelle Koalitionsvertrag vernachlässige Schlüssel-Sektoren der deutschen Wirtschaft mit Blick auf die digitalen Herausforderungen, heißt es von Branchenvertretern.

Die Kritik ist nicht neu. Gerade in Bezug auf die Internetgeschwindigkeit spielt Deutschland schon länger nicht in der ersten Liga. Laut der jüngsten Akamai-Studie "State oft the Internet" liegt Deutschland in Europa auf Platz 25  - im Hinblick auf die durchschnittliche Datengeschwindigkeit. Für das wirtschaftliche Schwergewicht des Kontinents eine ernüchternde Bilanz. Könnte die mangelnde Zukunftsfähigkeit Deutschlands zum Stolperstein werden?

Analoges Armageddon

Nur wenige Beobachter streiten die Bedeutung eines schnellen Internets ab. Deutschland ist da bisher bei den Investitionen zurückhaltend und hat seine alte Infrastruktur bisher nicht ausreichend angepasst: Wo Glasfaser liegen sollte, befinden sich vielerorts noch alte Kupferdrähte. Das muss sich ändern, will Deutschland beim nächsten großen Sprung dabei sein: Es geht um die fünfte Generation des mobilen Internets, das sogenannte 5G - zentral für viele neue Anwendungen und beim viel gepriesenen Thema Internet der Dinge.

Nur wenige Sektoren werden von den rasanten Veränderungen verschont bleiben. Auch die deutsche Wirtschaft kann es sich nicht leisten, nur ihrem eigenen Takt zu folgen. Vor allem die deutsche Automobilindustrie und der Maschinenbau gelten international als Vorzeigebranchen. Wenn Experten die Ausfuhren der beiden Sektoren im Jahr 2016 aufzählen, dann stehen sie unter dem Strich für fast die Hälfte der gesamten Exporte. Der langfristige Erfolg beider Sektoren ist ein wichtiger Garant für die wirtschaftlichen Perspektiven - quasi ein Prisma, für die technologischen Chancen - auch über die Internetinfrastruktur hinaus.

Hinterm Rad

Mit Blick auf die Automobilindustrie stehen zwei zentrale Innovationen im Zentrum: Elektromobilität und autonomes Fahren. Laut dem Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) macht die Branche gute Fortschritte beim Ausbau der E-Mobilität. Insgesamt seien rund 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe bis ins Jahr 2020 zur Verfügung gestellt worden. Auch habe der Sektor bis 2021 Investitionen von rund 18 Milliarden Euro in die Digitalisierung zugesagt. "Die deutsche Automobilindustrie ist weltweit führend, wenn es um Patente von miteinander verbundenen und autonomen Autos geht", so VDA-Chef Matthias Wissmann zur DW. Damit bezieht er sich auf die Tatsache dass deutsche Unternehmen seit 2010 rund 52 Prozent der für den Sektor ausgestellten Patente erhalten haben.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Beim VDA ist man sich sicher, dass die Branche bereit für die anstehende digitale Revolution ist. Die Regierung müsse sich aber anstrengen, mehr in die 5G-Technik und in eine "sehr fortgeschrittene digitale Infrastruktur" investieren - das sei vor allem für das autonome Fahren von Bedeutung.

Dennoch müssen sich die deutschen Autobauer anhören, im Vergleich zu den USA, langsam und träge zu sein. Als Folge lägen sie heute in Sachen Innovationen weit zurück, so mancher Kritiker. Schaut man jedoch auf das Investitionsniveau der Branche, erscheint ein so schroffes Urteil etwas unfair. Ein Beispiel: Ein Konsortium, angeführt von BMW, will bis 2021 komplett fahrerlose Autos auf den Markt bringen und so zum Marktführer avancieren.

Andreas Tschiesner, Automobilexperte des Beratungsunternehmens McKinsey, sieht die Branche in Deutschland auf gutem Weg. Die größte Konkurrenz sieht er bei der wachsenden E-Mobilität in China und der stark lösungsorientierten US-Automobilbranche.

Im Zeichen von Industrie 4.0

Betonpumpen, Dübel oder Staubsauger - der Ruf des Siegels "Made in Germany" ist vor allem wegen des Maschinenbaus so gut. Hier steht derzeit alles im Zeichen der sogenannten Vierten Industriellen Revolution. Dabei geht es um Automatisierungsprozesse, den die Kommunikation von Maschinen, Arbeiten in der Cloud und weitere damit verknüpfte Innovationen.

Deutschland Digital - Roboter (1)

09:10

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Folgt man Harmut Rauen, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), ist die deutsche Branche beim Thema Industrie 4.0 am Puls der Zeit. Die Unternehmer in der hätten die Digitalisierung schon sehr früh als "Mega-Thema" behandelt. Deshalb sei "Deutschland weltweit führend bei der der intelligenten Produktion." Auch im Bereich Forschung und Entwicklung sei man "hervorragend" aufgestellt im Vergleich mit anderen Weltmarktgrößen aus den USA, China oder Japan.

Bei der Politik sieht er aber einiges an Verbesserungsmöglichkeiten: "Es kann nicht sein, dass wir Spitzentechnologie im Bereich Industrie 4.0 entwickeln, jedoch unsere Dateninfrastruktur nur in kleinen Schritten besser wird", so Rauen im Gespräch mit der DW.

Knackpunkt:  Breitband-Ausbau

Auch für Andreas Tschiesner von McKinsey steht in Bezug auf die digitale Infrastruktur fest: "Deutschland ist in diesem Feld nicht in einer führenden Rolle, tatsächlich geht es sogar bergab", sagt Tschiesner im Gespräch mit der DW. "Es ist sehr offensichtlich, dass eine gemeinsame Anstrengung zur Verbesserung der Infrastruktur nötig ist."

Doch der Groschen scheint nun auch bei der Politik gefallen zu sein: So sieht der aktuelle Koalitionsvertrag eine Ausweitung des Breitbandnetzes und der 5G-Fähigkeiten vor. 12 Milliarden Euro sollen durch die Vergabe von 5G-Lizenzen eingespielt werden. Der Plan baut auf vorherigen Versprechen auf, wonach sich die Regierung ausspricht, in die Internetverbindung zu investieren. Dazu gehört beispielsweise der ein 100-Milliarden-Fonds, den die Regierung im vergangenen Jahr mit einem privaten Konsortium mit dem Namen "Netzallianz Digitales Deutschland" bekannt gegeben hat. Das Ziel ist die Bereitstellung von mobilen Gigibit-Geschwindigkeiten und sicherem Breitbandanschluss ab 2025.

Verlegung von Glasfaserkabel in Sachsen-AnhaltBild: Getty Images/S. Gallup

Europas größter Netzanbieter, die Deutsche Telekom, hat viel in die Bereitstellung von ultra-schnellem Internet gesteckt. Auch die Anstellung von Alex Choi, dem ehemaligen 5G-Spezialisten des südkoreanischen Konzerns SK Telecom, passt da ins Bild.

Die Bereitschaft ist da - doch in Deutschland wird mächtig auf einen ausgeglichenen Haushalt geachtet - gerade deshalb sind die nötigen Investitionen wohl das größte Risiko. Hier muss sich eine Menge bewegen, ansonsten könnte das Land mit seiner Vorliebe für schnelle Autos wohl schon bald auf dem Seitenstreifen zurückbleiben.

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