Mehr als zehn Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden in der Landwirtschaft produziert. Deutschlands Bauern wollen den Ausstoß reduzieren. Umweltorganisationen bezweifeln den Erfolg ihrer Strategie.
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Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat seine "Klimastrategie 2.0" vorgelegt, mit der er die Emissionen aus Methan, Lachgas und Kohledioxid bis 2030 gegenüber 1990 um 30 Prozent senken möchte. Das Papier sieht 20 Maßnahmen vor, etwa um mit einer angepassten Fütterung und der besseren Verwertung von Gülle die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.
Bei der Vorstellung des Strategiepapiers in Berlin sagte der DBV-Umweltbeauftragte Eberhard Hartelt, der Verband stehe zu seinem "ehrgeizigen Ziel". Bisher habe die Landwirtschaft bereits 16 Prozent ihrer Emissionen reduziert. Vorrangiges Ziel müsse dabei die Ernährungssicherheit sein.
Allerdings seien die Erträge auch abhängig von Wetter und Klima. Kurzfristige Wettergeschehen bestimmen den Erfolg eines Erntejahres. Durch häufigere starke Wetterereignisse nimmt die Landwirtschaft immer auch Schaden. Sie sei sowohl Betroffener des Klimawandels als auch Emittent von Treibgasen.
Den Bauern geht es aber nicht nur ums Klima: "Über eine bessere Ausnutzung des Stickstoffdüngers und noch zielgenauere Düngung können wir nicht nur das Klima schützen, sondern reduzieren auch mögliche Auswirkungen auf Gewässer". spricht Hartelt die hohen Stickstoffeinträge im Böden an, die Umweltschützer immer wieder kritisieren. Die Tierhaltung wollen die Landwirte umweltschonender gestalten.
Hartelt äußerte auch die Absicht, noch mehr anfallende Gülle zur Gärung Biogasanlagen zuzuführen, um daraus dann Strom zu gewinnen. "So können Methanemissionen aufgefangen werden und außerdem können so fossile Energieträger ersetzt werden", sagte Hartelt.
Emissionen, die man nicht verhindern kann
Anders als im Straßenverkehr, wo Feinstäube, Stickoxide und Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe freigesetzt werden, entstehen die Emissionen in der Landwirtschaft in natürlichen Kreisläufen. Diese können nicht gänzlich unterbunden werden.
Das schädliche Klimagas Methan entsteht in Fermentationsprozessen im Magen von Wiederkäuern und wird außerdem bei der Klärschlammbehandlung in der Landwirtschaft gebildet. Lachgas, rund 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid (CO2), ensteht durch stickstoffhaltige Düngemitteln im Boden oder reaktive Stickstoffverbindungen wie Nitrat und Ammoniak, wenn diese in die umliegenden Naturräume gelangen.
Zur Reduzierung großer Mengen Lachgas könnte die Fütterung an die jeweiligen Wachstumsphasen der Tiere angepasst werden. Dies reduziere die Nährstoffausscheidungen des Viehs, so Hartelt.
Umweltorganisationen: "Die Politik muss eingreifen"
Umwelt- und Entwicklungsorganisation lassen indes kein gutes Haar an dem Strategiepapier. "Der Bauernverband sucht offenbar vor allem Argumente dafür, nichts an der industrialisierten Landwirtschaft und der zunehmend exportorientierten Milch- und Fleischerzeugung zu ändern", kritisiert Tobias Reichert, Teamleiter für Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch. "Dabei wäre die Abkehr von der Massentierhaltung die mit Abstand wirksamste Maßnahme, um beim Klimaschutz in der Landwirtschaft voran zu kommen."
Die Umweltorganisation WWF appelliert an die künftige Bundesregierung, klimaschützende Landwirtschaft zu fördern. Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) prangert Massentierhaltung, Pestizide, den großflächigen Einsatz von Glyphosat und steigende Belastungen des Grundwassers durch überdüngte Böden an.
Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger fordert ebenfalls Maßnahmen von der Politik: "Das Verbot von Ackergiften wie Glyphosat, eine verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln und eine ökologische Neuausrichtung der EU-Agrarfördermittel gehören in den Koalitionsvertrag." Weiger kündigte an, mit einer Groß-Demonstration unter dem Titel "Wir haben es satt" am 20. Januar in Berlin die Forderungen für eine bessere Landwirtschaft und Klimaschutz untermauern zu wollen. Der Protest soll gleichzeitig zur weltgrößten Landwirtschaftsmesse 'Internationale Grüne Woche' in Berlin stattfinden.
Der Naturschutzverband NABU und Deutschlands größter ökologischer Anbauverband Bioland verweisen im Vorfeld der Grünen Woche auf das Insektensterben, nitratbelastetes Grundwasser und das Leiden von Nutztieren. Sie fordern unisono: "Europa braucht eine neue, bessere Agrarpolitik, von der Verbraucher, Landwirte und die Natur gleichermaßen profitieren."
Was kann die Landwirtschaft fürs Klima tun?
"Böden können natürliche Kohlenstoffspeicher sein", erklärt Christoph Heinrich vom WWF: "Derzeit werden viele jedoch CO2 freigeben, anstatt es zu binden." Ursachen sind die intensive Landwirtschaft und das Trockenlegen von Mooren. Die künftige Bundesregierung müsse daher "Landwirte finanziell fördern, die etwa durch vielfältige Fruchtfolgen auf dem Acker sowie den Erhalt von Grünlandflächen" aktiven Klimaschutz betrieben, so Heinrich.
Vielfältige Fruchtfolgen sind dann gegeben, wenn immer wieder andere Pflanzen auf einem Acker angebaut werden. WWF-Vorstand Heinrich wies darauf hin, dass dadurch die Fruchtbarkeit und Widerstandsfähigkeit der Böden verbessert werde. Außerdem benötigten diese Böden weniger synthetische Düngemittel, was der Treibhausbilanz ebenfalls zugute komme.
Umweltverbände fordern Reduktion der Tierbestände
Heinrich forderte, in der EU-Agrarpolitik ab 2021 nur noch Ackerbaubetriebe mit "mehrjähriger, standortangepasster Fruchtfolge" zu unterstützen. Auch für den Moorschutz sollten Landwirte bezahlt werden, forderte der WWF, da Moore große Mengen Kohlenstoff speichern könnten. Auch Böden im ökologischen Landbau speicherten signifikant mehr Kohlenstoff als intensiv bewirtschaftete Böden, so Heinrich.
Für die Umweltschutzorganisation Germanwatch sind die vorgeschlagenen Maßnahmen des DBV "keine Grundlage, um die Treibhausgase in der Landwirtschaft effektiv zu verringern. Stattdessen wäre die Abkehr von der Massentierhaltung, die mit Abstand wirksamste Maßnahme, um beim Klimaschutz voranzukommen", sagt Landnutzungsexperte Tobias Reichert.
Eine Reduktion der Tierbestände ist für den DBV und seine Mitglieder indes keine Lösung, da die Nachfrage nach tierischen Produkten ungebrochen hoch ist. Die Tierhaltung mit der dafür notwendigen Futtererzeugung ist für etwa drei Viertel der Treibhausgasemissionen aus der deutschen Landwirtschaft verantwortlich.
Stille Helfer der Böden
Regenwürmer können allerhand, sie düngen, sie befestigen und lüften die Böden, sie schützen vor Überschwemmungen. Trotzdem nimmt man die wühlenden Wundertiere kaum war. Tatsächlich sind sie bedroht.
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Die halbe Wahrheit
Es gibt folgende Geschichte: Wenn ein Regenwurm zerteilt wird, leben beide Teile weiter. Das stimmt nicht ganz. Nur das Vorderende schafft das Wunder, allerdings auch nicht immer. Hier befinden sich zwar alle lebenswichtigen Organe, fehlt aber zu viel vom Darm, oder infiziert sich die Wunde, schafft es auch der halbe Wurm nicht.
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Kompostwunder
Hat so ein Regenwurm Hunger, stillt er ihn mit abgestorbenen Pflanzenresten. Außerdem vertilgt er Bakterien, Algen, Einzeller und Pilzfäden, die sich rund um seine Wohnröhre befinden. Weil er keine Zähne hat, kompostiert der Wurm organisches Material. Dazu klebt er die Nahrung an die Wand seiner Röhre, schichtet Kot darüber und schafft so eine perfekte Umgebung für vorverdauenden Mikroorganismen.
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Bodenbefestiger
Die typischen Krümel, die Regenwürmer absondern, schützen den Boden vor Erosion. Auf der Oberfläche legen die Tiere im Jahr etwa 0,5 Zentimeter Krümelboden ab. Sind sie richtig fleißig und stimmen die Bedingungen, können es bis zu fünf Zentimeter sein. In den Krümeln, die aus dem Wurm herauskommen, stecken viele Nährstoffe, die wiederum Pilzen Nahrung bieten, die den Boden stabilisieren.
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Kopf, oder nicht?
Wo bei einem Regenwurm das vordere Ende ist, lässt sich am besten erkennen, wenn die Tiere geschlechtsreif sind. Dann nämlich entsteht eine Hautverdickung im vorderen Drittel des Körpers, der sogenannte "Gürtel." Und wo der Gürtel ist, ist der Kopf.
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Tunnelbohrer
Das Tunnelsystem, in dem die Würmer unterwegs sind, hilft dem Boden. Wasser fließt schneller ab, die Durchlüftung verbessert sich und Pflanzen schieben ihre Wurzeln auch in die Röhren. Und davon gibt es viele! Durch das Erdreich eines durchschnittlichen Bauernhofs mit 50 Hektar Boden ziehen sich Tunnel von insgesamt etwa 400.000 Kilometern Länge.
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Ein reger Wurm
Im 16. Jahrhundert hieß der Regenwurm noch "reger Wurm". Schließlich schuftet das Tier ununterbrochen. Mit Regen hat der Wurm tatsächlich wenig zu tun. Zwar kann ihm das Wasser nichts anhaben, gefährlich ist es trotzdem. Wenn der Wurm durch die Vibration der Regentropfen aus der Erde gelockt wird, erwarten ihn zerstörerisches UV-Licht oder ein hungriger Vogel.
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Klempner
Ein Boden ohne Regenwürmer verhält sich im Regen wie ein verstopfter Abfluß. Das Wasser kommt nicht mehr durch. So können selbst kleinste Wasseradern mit der Zeit für Überschwemmungen sorgen. Funktioniert aber die Wasseraufnahme der Böden, landet überschüssiges Wasser in Quellen und Brunnen.
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Auf engstem Raum
Je nach Bewirtschaftung leben mehr oder weniger Regenwürmer im Boden. In Monokulturen, nur einseitig bebaut und auf viele Maschinen und Düngemittel angewiesen, tummeln sich kaum 30 Tiere pro Quadratmeter. Ein durchschnittlicher Boden in einer abwechslungsreichen Landwirtschaft hingegen kann bis zu 120 Tiere enthalten. Optimalste Bedingungen sorgen gar für mehrere hundert Würmer.
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Massentierhaltung - geht es ohne?
"Rezepte für eine bessere Tierhaltung" will der neue Fleischatlas liefern. Herausgegeben wird er von der Umweltorganisation BUND, der parteinahen Böll-Stiftung der Grünen und der Zeitung "Le Monde diplomatique".
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Globale Massentierhaltung
Die Weltbevölkerung wächst schnell, der Fleischkonsum noch schneller. Allein in China dürfte der Fleischverzehr von jetzt im Durchschnitt 63 Kilogramm pro Person bis 2030 um weitere 30 Kilo steigen. Massentierhaltung bringt immer mehr und immer billigeres Fleisch auf dem Markt. Der Preis: Wälder werden abgeholzt, um für Futterpflanzen Platz zu machen - mit Folgen für Klima und Artenvielfalt.
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Weniger Fleisch essen
Deutsche Verbraucher müssten ihren Fleischkonsum halbieren um eine gesunde Ernährung aus einer Tier- und Umweltfreundlichen Landwirtschaft zu beziehen. Kleinere Fleischportionen in Kantinen, Restaurants und Fertiggerichten könnten Signalwirkung haben. Auch ein CO2-Label für Fleisch könnte ein Umdenken fördern, ebenso wie eine "Tierschutzabgabe" zur Förderung artgerechter Tierhaltung.
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Gülle-Einsatz eindämmen
208 Millionen Kubikmeter Gülle und Jauche aus Massentierhaltung im In- und Ausland wurden 2017 auf deutschen Äckern und Weiden als Dünger verteilt. Die Folge: Die Nitrat-Konzentration im Grundwasser überschreitet den EU-Grenzwert zum Teil um das achtfache. Letztendlich zahlen die Verbraucher die höheren Kosten für die Trinkwasseraufbereitung. Nitrat reichert sich auch in Obst und Gemüse an.
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Mehr Weide statt Stall
"Flächenbindung" ist ein altes Konzept. Als Grundregel soll ein Betrieb nur so viele Tiere halten, wie die eigene Anbauflächen ernähren können. Die Ausscheidungen der Tiere können dann ohne Umweltschäden im landwirtschaftlichen Kreislauf als Dünger verwendet werden. Die Böden der Weideflächen dienen zudem als CO2-Speicher.
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Label für gute Tierhaltung
Verbraucher sollten wissen, woher ihr Fleisch kommt. Im aktuellen Fleischatlas fordern die Autoren eine Kennzeichnung über die Art der Tierhaltung mit Angaben über Futtermittel, Platzangebot und Haltung. Die Idee eines Tierschutzlabels könnte allerdings an fehlenden EU-Standards und Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO) scheitern.
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Alles verwerten
Zwischen 40 und 55 Prozent eines geschlachteten Tieres gelten als "minderwertig" und finden in Deutschland keinen Platz in der Fleischtheke. Ein Teil wird exportiert, was wiederum Probleme auf den lokalen Märkten mit sich bringt. In Deutschland entdecken immer mehr Sterneköche Innereien wie Leber, Nieren oder Hirn neu. Das Ziel: Das ganze Tier direkt zu verwerten, ohne Abfall.
Bild: picture-alliance/dpa/Stockfood
Kombihaltung
Photovoltaik-Anlagen als Schafweide, Streuobstwiesen für Gänsemast und in der Obstplantage Hühner, die Schädlinge fressen und nebenbei die Wiese düngen und dazu noch Eier legen. Eine Win-Win-Situation: Für den Landwirt bedeutet die Kombihaltung ein extra Einkommen, für die Tiere ein artgerechteres Leben.
Bild: picture alliance/blickwinkel/R. Linke
Die Alleskönner
Das Fleisch von Turbo-Milchkühen und industriellen Legehennen lässt sich nicht verkaufen, männlicher Nachwuchs ist deshalb unrentabel. Es gibt aber Tierrassen, die sowohl Fleisch als auch Milch bzw. Eier produzieren. Viele Öko-Landwirte haben alte Nutztierrassen neu entdeckt – und bekommen einen guten Preis für Milch, Eier und Fleisch aus tierschutzgerechter Aufzucht.
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Viele Regeln, wenig Kontrolle
Die Haltung von Nutztieren ist durch EU-Vorschriften und das deutsche Tierschutzgesetz geregelt. Tiere müssen verhaltensgerecht und ohne Schmerzen und Leid gehalten werden. Eine Studie enthüllte jedoch, dass mehr als die Hälfte aller Tiere krank sind. Tierschützer fordern höhere Strafen, mehr staatliche Kontrollen und wollen ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände einführen.
Bild: picture-alliance/dpa
Preiskampf im Einzelhandel
Fünf Supermarktketten kontrollieren fast drei Viertel des Lebensmittelangebots in Deutschland. Oft diktiert der Einzelhandel die Preise und lockt mit Billigfleisch als Angebot der Woche. Stattdessen könnten die Marktführer ihre Marktmacht nutzen, um Tierschutz und artgerechte Tierhaltung zu fördern, so der Fleischatlas. Etwa mit unabhängig kontrollierten Kennzeichnungen für die Verbraucher.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Baumgarten
EU-Förderung ändern
In Deutschland gehen jährlich rund fünf Milliarden Euro an EU-Zuschüssen vor allem an Großbetriebe, weil die Förderung pro Hektar bezahlt wird. Die Autoren des Fleischatlases fordern eine Umschichtung der EU-Agrarhilfe auf kleinere und mittelgroße Betreibe und mehr Geld für Betriebe, die ihre Tiere art- und umweltgerecht halten.