1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Deutschlands Islamisten

Diana Hodali
6. Juli 2017

In Deutschland gibt es diverse Programme, die verhindern sollen, dass Menschen zu Extremisten werden. Doch das scheint (noch) nicht zu greifen: Denn besonders der Salafismus erfährt weiterhin großen Zulauf.

Symbolbild Islamisten in Deutschland
Anhänger des salafistischen Predigers Pierre VogelBild: picture-alliance/dpa

Wenn Sympathisanten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) heute noch über die Grenze nach Syrien ausreisen wollen, dann ist das nicht mehr so einfach, wie es mal war. Denn der IS kontrolliert dort inzwischen weniger Territorium. In seiner Propaganda rufen die Terroristen daher mittlerweile dazu auf, Anschläge in den jeweiligen Heimatländern zu verüben, wenn ihnen die Ausreise nicht gelinge. Je erfolgreicher die Terrororganisation "Islamischer Staat" militärisch aus ihrem "Territorium" in Syrien oder im Irak vertrieben werde, warnte kürzlich der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, umso größer ist die Anschlagsgefahr. 

Zahl der Islamisten steigt

Von rund 930 bekannten Extremisten, die in Kriegsgebiete etwa in Syrien oder den Irak ausgereist sind, um für den IS zu kämpfen oder sich in Terrorlagern ausbilden zu lassen, ist ein Drittel mittlerweile nach Deutschland oder in andere europäische Länder zurückgekehrt. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2016 sagte Innenminister Thomas de Maizière, mit 680 gebe es so viele islamistische Gefährder wie nie zuvor. Ihnen werde jederzeit ein Anschlag zugetraut.

In Deutschland gibt es diverse Programme, die verhindern sollen, dass Menschen zu Extremisten werden. Doch die islamistische Szene in Deutschland erfährt derzeit immer noch Zulauf. Allein die Zahl der salafistischen Islamisten steigt stetig: 10.000 Salafisten zählt der Verfassungsschutz mittlerweile in Deutschland. Im vergangenen Jahr waren es noch 8600.

Hans-Georg Maaßen beim Verfassungsschutz-Symposium zu islamistischem TerrorBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Über 90 Moscheegemeinden beobachtet der Verfassungsschutz, dazu kommen kleine und sogenannte Kleinstgruppen oder auch potenzielle Einzeltäter. Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass es 90 Terrorzellen gibt, von denen eine Anschlagsgefahr ausgeht. "Die islamistische Szene ist in sich heterogen", sagt Markus Schäfert, Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bayern im Gespräch mit der DW. Daher unterteilt der Verfassungsschutz die islamistische Szene:

Legalistische Islamisten

Das sind Gruppierungen, die nicht zur Gewalt greifen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen, die sich aber auch in Deutschland einen Staat wünschen, der mit der freiheitlich, demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. "Das ist der eine Teil der Szene, der deutlich größer ist", sagt Schäfert. "Sie betreiben Lobbyarbeit, sie nutzen das Versammlungsrecht, sie machen über das Internet Propaganda und verbreiten ihre Ideologie."

Auch diese Gruppen werden beobachtet, weil für den Verfassungsschutz nicht der Gewaltbezug das ausschlaggebende Kriterium ist, sondern die Frage, ob diese Organisation Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unternimmt.

Dschihadistische Islamisten

Für sie bedeutet Dschihad gewalttätiger Kampf. Sie setzen Gewalt gezielt ein, um ihre Ziele zu erreichen. "Das sind tatsächlich diejenigen, die sagen, wir wollen hier einen Gottesstaat, und nicht nur hier, sondern letzten Endes in der ganzen Welt", sagt Markus Schäfert. Sie erklären die Teilnahme am bewaffneten Kampf zur individuellen Pflicht eines jeden Muslims und rufen daher zum weltweiten Kampf gegen die vermeintlichen Feinde des Islam auf.

Salafistische Szene

Sie sei ein Sonderfall, sagt Markus Schäfert, weil sie in beiden Teilbereichen des Islamismus angesiedelt sei. "Es gibt den politischen Salafismus, den wir auch dem legalistischen Teil zurechnen, weil es dort auch Personen gibt, die eben noch nicht gewaltbereit sind. Aber es gibt auch einen politischen Salafismus, der als Nährboden, als Ideologie für den Dschihadismus dient." Rund 20 Prozent der salafistischen Szene werden als gewaltbereit eingestuft.

"Allerdings gibt es innerhalb der Gewaltbereitschaft noch einmal Abstufungen", sagt Sprecher Markus Schäfert. "Es gibt jene, die vielleicht situativ gewalttätig werden könnten, also handgreiflich. Es gibt aber auch die anderen, die planvoll Terroranschläge organisieren könnten."

Ein breites Spektrum innerhalb der salafistischen Szene. Doch eines galt bis heute immer: "Jeder Terrorist war vorher Salafist", sagt der Experte vom Landesverfassungsschutz Bayern. Im Umkehrschluss bedeute dies aber nicht, dass jeder Salafist automatisch zum Terroristen werden muss.

"Lies" - Die Koran-Verteilaktion wurde Ende 2016 verbotenBild: picture-alliance/Breuel-Bild/J. Reetz

Maaßen will mehr Befugnisse

Der Verfassungsschutz hat bereits zahlreiche islamistische Organisationen verboten -  so wie die radikal-salafistische Vereinigung "Die wahre Religion" mit ihrer Koran-Verteilaktion "Lies" aus Nordrhein-Westfalen. Ebenso galt die Moschee des Vereins Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim schon lange als Treffpunkt radikaler Salafisten. Auch der Attentäter vom Berliner Breitscheid-Platz, Anis Amri, war dort Berichten zufolge zu Besuch.

Die Herausforderungen für Nachrichtendienste sind wesentlich komplexer geworden. Heute führt die Terrormiliz IS einen Cyberkrieg im Internet, wirbt Kämpfer über die sozialen Netzwerke an und gibt Anleitungen zum Bombenbau. Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen wünscht sich daher mehr Kompetenzen für seine Behörde. Das ruft besonders Datenschützer auf den Plan. Außerdem schlägt er vor, den Verfassungsschutz stärker zu zentralisieren, ohne dabei die Landesämter abzuschaffen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen