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Politik

Deutschlands kranke Altenpflege

Kate Brady
17. Juli 2018

Die Deutschen werden älter, aber wer wird die Alten pflegen? Es fehlt an Personal, der Beruf des Pflegers gilt als unattraktiv. Angela Merkel hat ein Pflegeheim in Paderborn besucht und will helfen.

Paderborn Merkel besucht Altenheim
Bild: Getty Images

Der Apfelstrudel steht bereit, die Damen sind frisch frisiert und die Krawatten der männlichen Senioren sind akkurat gebunden. Die 110 Bewohner des Paderborner St. Johannis-Altersheims  warten auf die Bundeskanzlerin.

Diejenigen, die nicht in den Speisesaal kommen konnten, schauen aus dem Fenster oder sitzen draußen im Schatten. Alle hofften darauf, einen Blick von Angela Merkel zu ergattern. Eine von ihnen ist die 93-jährige Frau Schulter, die nach einem schweren Sturz seit Frühling hier im Heim untergebracht ist.

'Es wäre mir lieber noch zuhause zu sein. Das Essen hier ist furchtbar. Aber die Pfleger - darüber kann ich kein schlechtes Wort sagen. Auch, wenn man sieht, dass sie überfordert sind, lächeln sie immer noch."

Akuter Personalmangel

Rund 3 Millionen Deutsche sind aktuell in der Pflege, bis 2060 wird diese Zahl wohl um eine weitere Million steigen. Weil die Bevölkerung älter wird, braucht Deutschland dringend Pflegekräfte, aber das Personal ist schlicht nicht vorhanden. Etwa 36.000 Pflegestellen, allein 15.000 für ältere Menschen, sind momentan unbesetzt.

Ferdi Cebi ist selbst Pfleger und will, dass die Politiker in Berlin etwas gegen den Pflegenotstand unternehmen. "Für mich ist es traurig, dass Gesetze festgelegt werden, obwohl die Politik noch nie wirklich in den Beruf reingeblickt hat. Da würde ich Sie gerne einfach mal einladen, dass Sie zu uns in die Einrichtung kommen."

Zehn Monate später nun also hat die Bundeskanzlerin diese Einladung wahrgenommen. Cebi darf seine tägliche Arbeit unter Beobachtung der mächtigsten Politikerin des Landes verrichten.

"Wir müssen das Image dieses Jobs ändern. Nur die negativen Aspekte werden berichtet. Keine redet darüber, wie viel man von den alten Menschen lernen kann." sagt Cebi. "Es geht um das Geben und Nehmen. Diese Leute haben so viel für uns getan. Sie haben gute Pflege verdient."

Junge Menschen rekrutieren

Es ist schwer, Berufsanfänger davon zu überzeugen, Pfleger zu werden. Laut einer Studie des "Deutschen Pflegethermometers 2018" macht sich nur ein Drittel der Pflegeheime überhaupt die Mühe, offene Pflegestellen zu annoncieren - so schlecht stehen die Chancen, einen passenden Kandidaten zu finden. Im Durchschnitt dauert es 171 Tage in Deutschland, eine Stelle zu besetzen. Der einzige Beruf, in dem genauso dringend Nachwuchs gesucht wird, ist der des Lokführers bei der Bahn.

Dennoch gibt es regionale Unterschiede. Deutschlandweit gibt es für 100 offene Pflegestellen 21 Kandidaten. In Sachsen und Rheinland-Pfalz sind es sogar nur 13.

Ferdi Cebi will zeigen, wie bereichernd die Arbeit in der Pflege sein kann. Bild: DW/K. Brady

Im St. Johannis-Altersheim bemühen sich 99 Pfleger um die 110 Bewohner. Das ist keineswegs das schlechteste Verhältnis Personal-Pflegebedürftiger in Deutschland. Aber überarbeitet sind Pfleger auch hier.

Dazu kommen niedrigen Löhne. Laut Destatis verdient ein festangestellter Vollzeit-Pfleger mit drei Jahren Ausbildung gerade mal 18 Euro Brutto die Stunde. Der Durchschnittslohn in Deutschland beträgt 22 Euro die Stunde. Auch hier unterscheidet sich die Situation sehr stark je nach Region.

"Wenn jemand jeden Tag mit Menschen arbeitet, warum sollte derjenige oder diejenige dann nicht genauso gut verdienen oder etwas mehr wie jemand, der in einer Bank arbeitet oder an einer Maschine arbeitet", fragt Angela Merkel in Paderborn.

Geplante Reformen

Als Antwort auf die wachsenden Sorgen der Deutschen starten Gesundheits-, Familien- und Arbeitsministerium zusammen eine neue Initiative. 13.000 Pflegestellen sollen neu besetzt werden - das ist jedenfalls die Hoffnung. Die "Konzentrierte Aktion Pflege" umfasst fünf Punkte:

- Ausbildung für Pfleger verbessern: Familienminister Franziska Giffey will Auszubildende besser bezahlen, so dass sie nicht mehr zu Hause bei ihren Eltern wohnen müssen.

- Arbeitsbedingungen: Das Arbeitsvolumen soll reduziert werden, um den Beruf attraktiver zu machen und eventuell ehemalige Pfleger zurück zu gewinnen.

- Digitalisierung: Die Pflege soll besser und moderner werden.

- Rekrutierung ausländischer Pfleger: Gesundheitsminister Jens Spahn will gezielt Menschen aus dem Kosovo und aus Albanien ansprechen.

- Löhne: Der Tariflohn für Pfleger soll drastisch erhöht werden, auf bis zu 3000 Euro monatlich.

Keine Zeit - Altenpflege in Deutschland

12:04

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Wie die Reformen finanziert werden sollen, steht aber noch in den Sternen. Kritiker befürchten zusätzliche Kosten für ältere Menschen.

"Merkel und Spahn müssen erklären, dass das benötigte Geld für angemessene Löhne von der Pflegeversicherung und aus Steuermitteln kommt", sagt der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch.

Nichtsdestotrotz sieht Cebi den Merkel-Besuch als positiven ersten Schritt.

"Die Bundeskanzlerin hat Ihr erstes Versprechen eingehalten. Ich glaube sie wird auch dieses Versprechen einhalten", sagte Cebi. "Es geht nicht darum, wer die alten Menschen gerade pflegt. Wir werden alle älter. Wer wird uns pflegen?"

 

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