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Politik

Deutschlands Militär verstärkt im Indo-Pazifik

5. September 2022

Globale Ambitionen, trotz Krieg in der Ukraine? Die Bundeswehr stärkt ihre Position im Indo-Pazifik, setzt auf Zusammenarbeit mit "Wertepartnern" - wie derzeit Australien.

Deutsche Eurofighter bei Manövern in Australien
Langer Weg, Sprit aus der Luft: Eurofighter der Luftwaffe auf dem Weg nach AustralienBild: Christina zur Nedden

In Europa tobt der Krieg. Die Bundeswehr steht nach Aussagen ihrer eigenen führenden Offiziere "mehr oder weniger blank da". Und doch beteiligt sich die deutsche Luftwaffe derzeit mit sechs Kampfjets vom Typ Eurofighter an einer Übung am anderen Ende der Welt, in Australien. Es ist ein ehrgeiziges Unterfangen: Rund 250 Soldaten sind daran beteiligt; neben den Kampfjets flogen vier Transportflugzeuge und drei neu angeschaffte Tankflugzeuge für die Luftbetankung nach Darwin im Norden Australiens, rund 100 Tonnen an Material.

Die Operation firmiert unter dem Namen "Rapid Pazific 2022". Unter anderem soll sie den Beweis erbringen: Deutschlands Luftwaffe ist auch im Indo-Pazifik einsatzfähig - und zwar schnell. Die Verlegung der Kampfjets und Versorgungsflieger zum Zwischenstopp in Singapur gelang innerhalb von 24 Stunden. "Strategische Verlegefähigkeit" nennt man das im Militärjargon.

Piloten aus 17 Ländern fliegen gemeinsam in Australien - erstmals auch BundeswehrpilotenBild: Christina zur Nedden

Im kommenden Jahr will Deutschland sich erneut an einer Übungsserie in Australien beteiligen, diesmal mit dem Heer. Das sagte Deutschlands oberster Militär Ende August in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Generalinspekteur Eberhard Zorn kündigte zudem die Rückkehr der Marine in den Indo-Pazifik an, mit einem ganzen Flottenverband. "Wir wollen mit unserer Präsenz niemanden provozieren, aber auch ein klares Signal der Verbundenheit an unsere Wertepartner senden", erklärte Zorn.

Signal an Wertepartner: Generalinspekteur Zorn über deutsches Militär in AsienBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

Landesverteidigung weit weg

Mit dem Einsatz in Australien ist Deutschlands Militär nicht nur geographisch einen weiten Weg gegangen. 1955 gegründet, war die Bundeswehr nach den Verbrechen des 2. Weltkriegs Jahrzehnte lang rein auf die Landesverteidigung ausgerichtet. Und hatte da auch genug zu tun: Schließlich verlief bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 der "eiserne Vorhang" zwischen Ost und West mitten durch Deutschland - mit hochgerüsteten Armeen auf beiden Seiten.

Als die Bundeswehr sich 1999 am Kosovo-Krieg beteiligte, wurde monatelang heftig gestritten, Verfassung und Völkerrecht ins Feld geführt. 2004 schließlich erklärte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck den Deutschen angesichts des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Jetzt operiert die Bundeswehr auch im Indo-Pazifik.

Indo-Pazifik - der Begriff prägt seit einigen Jahren die sicherheitspolitischen Debatten. Alles, was zwischen der Ostküste Afrikas und der Westküste des amerikanischen Kontinents liegt, wird als strategisch zusammenhängendes Gebiet betrachtet. Im Zentrum dieser gigantischen Region liegt: China. Im DW-Interview bestätigt Boas Lieberherr vom Züricher Center for Security Studies: "Beim Konzept des Indo-Pazifiks geht es sehr stark um ein aufstrebendes China, das stärker wird, das auch frühere Gewissheiten in der Region umgeworfen hat - und andererseits um die mit Unsicherheit behaftete Führungsrolle der USA."

Papiere, Leitlinien, Strategien

Die wachsende Bedeutung des Indo-Pazifik spiegelt sich in einer ebenso zunehmenden Zahl politischer Dokumente wider. Im September 2020 etwa verabschiedete die frühere Bundesregierung ihre "Indo-Pazifik Leitlinien". Darin wird Bezug genommen auf den Aufstieg Asiens - und den damit einhergehenden Gewinn an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Ohne China beim Namen zu nennen, konstatiert die Bundesregierung eine zunehmende "strategische Konkurrenz um Einfluss in der Region". Und hält fest: "Der Indo-Pazifik wird zum Schlüssel für die Ausgestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert."

China rüstet auf, auch mit Flugzeugträgern. Chinas dritter lief im Juni vom Stapel Bild: Li Gang/Xinhua/AP/picture alliance

Im Frühjahr 2021 zog die EU nach. Die 27 Mitgliedstaaten verabschiedeten Ende April ihre Indo-Pazifik-Strategie. Darin ist die Rede vom großen Interesse der EU an der indo-pazifischen Region und daran, "dass die regionale Architektur offen und regelbasiert bleibt". Ohne China zu erwähnen wird beklagt, die "derzeitige Dynamik im indo-pazifischen Raum" habe "zu einem intensiven geopolitischen Wettbewerb geführt, der den Druck auf Handel und Lieferketten sowie die Spannungen in technologischen, politischen und sicherheitspolitischen Bereichen erhöht. Auch die Universalität der Menschenrechte wird in Frage gestellt."

Und als Ende Juni das - schon im Namen - nordatlantische Militärbündnis auf dem Gipfel von Madrid das neue Strategische Konzept der NATO beschloss, tauchten darin sowohl der Indo-Pazifik als auch China prominent auf. "Der indopazifische Raum ist für die NATO wichtig, da Entwicklungen in dieser Region unmittelbare Auswirkungen auf die euro-atlantische Sicherheit haben können", hält das Papier fest. China wird dezidiert als Herausforderung "für unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte" bezeichnet. An anderer Stelle betont das Gipfeldokument die Zusammenarbeit der NATO-Partner, "um die von der Volksrepublik China ausgehenden systemischen Herausforderungen für die euro-atlantische Sicherheit anzugehen."

Fregatte "Bayern" auf großer Fahrt

Der erste Schritt hin zu mehr militärischem Engagement auch der Bundeswehr im Indo-Pazifik war die Entsendung der Fregatte "Bayern". Als sie im August 2021 in See stach, war sie das erste Kriegsschiff mit Kurs Asien seit knapp 20 Jahren. Die lange Pause, erläutert General a.D. Egon Ramms gegenüber der DW, habe auch daran gelegen, "dass wir so viele Fregatten nicht mehr gehabt haben. Wir haben viele verschrottet."

So wie jetzt die Präsenz der Luftwaffe in Australien, galt auch die Fahrt der Bayern als Zeichen an die Weltgemeinschaft zur Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung. Dass die Fregatte dabei auch den von den USA genutzten Flottenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean angelaufen hat, sorgte allerdings für kritische Kommentare.

Der Kurs der "Bayern": Stopp auch auf der völkerrechtlich umstrittenen Insel Diego Garcia

Der Status der Insel, die zu den letzten verbliebenen Gebieten des Britischen Territoriums im Indischen Ozean zählt, ist umstritten. 2019 hatte der Internationale Gerichtshof den Anspruch Londons auf Diego Garcia als völkerrechtswidrig verurteilt; die UN-Generalversammlung folgte diesem Urteil mit großer Mehrheit und stärkte die Ansprüche von Mauritius auf die Insel. Nichtsdestotrotz ist die Insel von Großbritannien an die USA verpachtet.

Hinzu kommt: die USA unterhielten auf Diego Garcia ein bis zur Aufdeckung durch die Washington Post 2003 geheimes Gefangenenlager.

Der Politikwissenschaftler Felix Heiduk von der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) konstatiert wegen des Kurses der Fregatte "mit Blick auf die Verteidigung der regelbasierten Ordnung und des internationalen Rechts eine gewisse Doppelmoral".

Sicherheitspartner über Kontinente hinweg

Wenn in näherer Zukunft ein deutscher Flottenverband Richtung Asien aufbricht, wird vielleicht eine weniger umstrittene Route geplant. Dass es solche Fahrten häufiger geben wird, ergibt sich für Ex-General Ramms schon aus dem neuen Strategischen Konzept der NATO: weil dort auch die Zusammenarbeit mit Partnern im Indo-Pazifik betont wird.

Zurück zur aktuellen Operation Rapid Pazific 2022: Während deutsche Kampfpiloten im Tiefflug über Nordaustralien donnerten, bereiste der australische Verteidigungsminister Deutschland. In einem Meinungsbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigte sich Richard Marles beeindruckt von der raschen Verlegung der Bundeswehr-Jets. Und sah darin ein Zeichen für die "zunehmende Entschlossenheit der deutsch-australischen Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen in der Region." Sicherheitspartner, an zwei sehr weit entfernten Punkten des Planeten.

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