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PolitikNahost

Deutschlands Nahostpolitik: der ehrliche Makler am Limit?

11. Januar 2024

Erneut war die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in der Region, um zu vermitteln. Seit ihrer letzten Reise hat sich die Lage deutlich zugespitzt.

Annalena Baerbock und Izchak Herzog geben sich die Hand und schauen zum Betrachter, hinter ihnen eine israelische und eine deutsche Flagge
Israels Präsident Izchak Herzog bekommt von Bundesaußenministerin Baerbock Unterstützung, aber auch Kritik zu hörenBild: Dominik Butzmann/AA/photothek.de/picture alliance

Nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober mit rund 1200 Toten war Annalena Baerbock dreimal kurz hintereinander in den Nahen Osten gereist. Das Ziel: Israel bei seinem Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen zwar zu unterstützen, es aber gleichzeitig zur Mäßigung zu mahnen, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen. In Gesprächen mit arabischen Nachbarstaaten ging es gleichzeitig darum, einen regionalen Flächenbrand zu verhindern.

Jetzt war die Bundesaußenministerin erneut in der Region - ebenso wie ihr US-Amtskollege Antony Blinken. Die Spannungen haben sich allerdings deutlich verschärft: Zum einen wächst die internationale Kritik an Israel, es sei über das Ziel einer Ausschaltung der Hamas hinausgeschossen.

Zerstörungen in Gaza nach israelischen Luftangriffen: Die internationale Kritik an Israel wächstBild: AFP

Gleichzeitig hat sich der Konflikt ausgeweitet. Vor allem seit Israel einen Kommandeur der Hisbollah im Libanon getötet hat, verstärkt die iranisch gesteuerte Miliz ihre Angriffe auf Nordisrael.

Huthi-Angriffe auf die internationale Schifffahrt

Außerdem greifen die ebenfalls vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen ausländische Schiffe im Roten Meer auf dem Weg von und zum Suezkanal an. Mehrere Reedereien meiden inzwischen diese kürzeste Route von Asien nach Europa und nehmen den Weg rund um Afrika in Kauf.

Hans-Jakob Schindler, Nahostexperte von der internationalen Organisation Counter Extremism Project, sieht "ein ernsthaftes Weltwirtschaftsproblem" voraus, wenn diese Situation anhält: "Wir können nicht ein Jahr lang auf den Suezkanal verzichten", sagt Schindler der DW. Die Bundesregierung hat den Ernst der Lage erkannt. Deutschland wird sich voraussichtlich bald an der von den USA geführten Marinemission im Roten Meer gegen die Huthi-Angriffe beteiligen.

Angriff eines Huthi-Hubschraubers auf den Frachter Galaxy Leader - das Bild wurde von den Huthi-Rebellen verbreitetBild: Houthi Military Media Center/picture alliance/dpa

Baerbock hat auch angedeutet, dass die Bundesregierung einer Lieferung von britischen Eurofighter-Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien nicht mehr im Wege stehen wird. Da der Eurofighter eine Gemeinschaftsproduktion ist, muss Deutschland zustimmen. Deutschland will außerdem Lenkflugträger vom Typ Iris-T an das arabische Königreich liefern.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten die Berliner Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP eigentlich vereinbart, keine Rüstungsgüter an Länder wie Saudi-Arabien zu exportieren, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Außerdem gibt es Kritik an der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Doch da das Land auch Raketen der Huthis Richtung Israel abfängt, stellt die Bundesregierung ihre Bedenken zurück.

Deutsche Kritik an Israel

Beim Kernkonflikt zwischen Israel und der Hamas bleibt die deutsche Außenministerin bei ihrer bisherigen Linie: Einerseits Israel zu versichern, dass es "auf unsere Solidarität im Kampf gegen den blinden Terror, der Israel von der Landkarte ausradieren möchte, fest bauen" kann.

Aber über Israels militärische Aktion im Gazastreifen mit vielen toten palästinensischen Zivilisten sagte sie gleichzeitig: "Das Leid vieler unschuldiger Beteiligter kann so nicht weitergehen, wir brauchen eine weniger intensive Operationsführung." Baerbock kritisierte auch erneut die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland und nannte bei einem Besuch dort den israelischen Siedlungsbau "illegal".

Wer soll in Zukunft den Gazastreifen verwalten?

Was die Zukunft des Gazastreifens betrifft, so stellte sich Baerbock klar gegen die Gedankenspiele einzelner ultrarechter israelischer Minister, welche die palästinensische Bevölkerung am liebsten aus dem Landstrich vertreiben wollen. "Gaza gehört den Palästinensern", sagte sie in Israel - und stimmt darin mit ihrem US-Amtskollegen Blinken überein.

"Traurigerweise gibt es aus der israelischen Regierung keine einheitliche Haltung, mit der man umgehen kann", sagt Hans-Jakob Schindler. Auf israelischer Seite scheine sich aber der Grundkonsens in Bezug auf den Gazastreifen herauszukristallisieren, "dass irgendeine Sicherheitsstruktur der Israelis mittel- bis langfristig fortbestehen soll".

Von den arabischen Staaten "hat sich noch niemand freiwillig gemeldet, um Gaza zu verwalten" - Hans-Jakob SchindlerBild: Dr. Hans-Jakob Schindler

Das werfe die Frage auf: "Wer soll eigentlich dann Gaza regieren? Es gibt null Freiwillige. Die UN, die verwalten könnten, haben einen Vertrauensverlust mit Israel erlitten, gerade in den letzten Monaten. Die arabischen Staaten haben alle einen massiven Schritt zurück gemacht. Wer soll's sonst machen? Die Europäer sicherlich auch nicht. Es gibt keine gute Idee."

Israel habe sich mit seiner Militäraktion im Gazastreifen lediglich "Zeit erkämpft, um Gaza neu zu organisieren", warnt Schindler, vielleicht für ein Jahrzehnt. Finde Israel keine bessere Lösung, werde es danach vor einem ähnlich Sicherheitsproblem stehen wie zuvor, ob dann der Gegner Hamas heißen werde oder anders.

Begrenzter Spielraum der USA durch den Wahlkampf

Doch welchen Spielraum haben die deutsche oder europäische oder US-amerikanische Nahostpolitik überhaupt? Einerseits spielten die USA hier eindeutig die Hauptrolle und nicht etwa Deutschland oder die EU, meint Schindler.

Machtfaktor USA: Washington hat den Flugzeugträger USS Eisenhower ins östliche Mittelmeer entsandtBild: U.S. Navy/abaca/picture alliance

Andererseits habe Deutschland Kontakte zu sehr unterschiedlichen Akteuren in der Region, gerade auch zu arabischen Staaten. Außerdem, so Schindler, sei auch der Spielraum der Biden-Regierung durch den beginnenden US-Wahlkampf eingeschränkt. "Von Washington sind klare Positionierungen mit politischen Kosten verbunden. Man will weder die arabischen noch die jüdischen Wähler in den USA verärgern."

Reaktionen in der arabischen Welt

In den arabischen Medien stand der Baerbock-Besuch im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Blinken-Reise in die Region. Doch der saudisch finanzierte Nachrichtensender Al-Arabiya erwähnte Baerbocks Rede im Westjordanland, in der sie erklärte, Israel habe die Pflicht, die Palästinenser in dem Gebiet zu schützen.

Annalena Baerbock hat im Westjordanland israelische Gewalt gegen Palästinenser verurteiltBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die von palästinensischen Investoren finanzierte, in London erscheinende Zeitung "Al quds al araby" sieht die deutsche Nahostpolitik - und damit auch Baerbocks Reise - kritisch. Die deutsche Außenministerin habe bei ihrer Pressekonferenz in Kairo "Botschaften der Unterstützung für die israelische Besatzung bei ihrer Aggression gegen den Gazastreifen" übermittelt, schreibt das Blatt.

Generell steht die deutsche Haltung im Krieg Israels gegen die Hamas in der Kritik. Die deutsche politische Elite rechtfertige ihre Unterstützung Israels mit einem "angeblichen Schuldgefühl" für den Holocaust und der Notwendigkeit, durch die Unterstützung Israels Wiedergutmachung zu leisten, heißt es etwa in einem Kommentar auf der englischsprachigen Webseite der katarischen Senders Al-Jazeera.

Der Sender wirft der deutschen Regierung vor, antiarabischen und antimuslimischen Rassismus zu normalisieren und eine noch drakonischere Anti-Einwanderungspolitik zu rechtfertigen. Generell wird die deutsche Position in dem Krieg als einseitig beschrieben, Deutschland als einer der entschiedensten Unterstützer Israels tendenziell negativ gesehen.

Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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