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Deutschlands Sicherheit - für Trump keine Priorität

Nina Werkhäuser
26. November 2024

Donald Trump kehrt ins Weiße Haus zurück. Von Europa verlangt er größere Investitionen ins Militär. Besonders für Deutschland könnten sicherheitspolitisch schwierige Zeiten anbrechen.

US Präsident Trump während einer Pressekonferenz beim NATO-Gipfel 2018
Könnte den US-Beitrag zur NATO drastisch kürzen: Donald Trump, hier bei einem NATO-Gipfel 2018Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Arriens

Es ist Donald Trumps Unberechenbarkeit, die deutschen Politikern die größten Sorgen bereitet. Wird er wieder scharfe Kritik an Deutschland äußern, so wie in seiner ersten Amtszeit? Wird er gegen die NATO wettern, insbesondere gegen seine europäischen Partner, oder gar mit einem Austritt aus dem Bündnis drohen?

Das alles ist schwer einzuschätzen - und löst in Berlin eine gewisse Unruhe aus. Als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Trump nach seinem Wahlsieg "Partnerschaft und Freundschaft" anbot, lag darin auch der Wunsch nach Verlässlichkeit in schwierigen Zeiten.

Für Deutschland ist die NATO unverzichtbar

Dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einem soliden Fundament ruhen, daran zweifelt kaum jemand, weder dies- noch jenseits des Atlantiks. Der demokratische Präsident Joe Biden betonte stets, dass die USA im Fall eines Angriffs "jeden Zentimeter des NATO-Gebiets" verteidigen würden.

Für die europäischen NATO-Mitglieder war das eine beruhigende Zusicherung. Im Konfliktfall wäre Deutschland mit seiner nur noch gut 180.000 Soldatinnen und Soldaten starken und unzureichend ausgerüsteten Bundeswehr auf den Schutz des Militärbündnisses elementar angewiesen.

Zeichen der Wertschätzung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrt US-Präsident Joe Biden mit dem Bundesverdienstkreuz Bild: Matthias Schrader/AP/picture alliance

Jedoch: Unter dem Republikaner Donald Trump wird ein anderer Wind wehen als unter dem überzeugten Transatlantiker Biden. Nicht nur, dass Europa in Trumps geopolitischem Verständnis nur eine untergeordnete Rolle spielt, weit hinter China und der Indopazifik-Region. Trump sieht auch Europas Verteidigung primär als europäische Aufgabe an - und nicht als amerikanische.

Europa muss mehr in seine Sicherheit investieren

Im Moment zahlen die USA in der NATO den Löwenanteil, sie stellen das Gros der Truppen und Schlüsselfähigkeiten in der Aufklärung und Logistik. Trump, der die NATO-Mitgliedschaft häufig als zu kostspielig für die USA bezeichnet hat, könnte dieses Engagement stark herunterfahren. 

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) reagierte prompt: "Wir Europäer müssen mehr für unsere eigene Sicherheit tun. Wir müssen zu einem fairen "burden sharing" (Lastenteilung) kommen", erklärte er nach Trumps Wahlsieg - und rief seine Amtskollegen aus Frankreich, Polen, Großbritannien und Italien zusammen, um über die Verteidigungsfähigkeit Europas zu beraten. 

Diese zu verbessern erscheint nach der Wiederwahl Trumps dringender denn je - und Deutschland könnte dabei eine Führungsrolle spielen. Doch gerade jetzt steckt Deutschland in einer Regierungskrise, die voraussichtlich zu vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar führen wird. Sicherheitsexperten fordern schon lange, dass Europa auch ohne die USA in der Lage sein muss, Militäroperationen durchzuführen.

Bei Trump geht es viel um Geld, um "Deals", alles kann Verhandlungsmasse sein - dieser Politikstil prägte schon seine erste Amtszeit (2017-2021). Schon damals hatte er sich regelmäßig über die seiner Ansicht nach zu niedrigen deutschen Verteidigungsausgaben mokiert. Deutschland schulde der NATO "riesige Summen", behauptete Trump. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte irritiert.

In seiner ersten Amtszeit sparte Donald Trump nicht mit Kritik an der Regierung von Angela Merkel (CDU)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Schutz nur noch gegen Geld?

Dass Trump das Thema Verteidigungsausgaben erneut auf den Tisch bringen wird, ist zu erwarten. Schon im Wahlkampf spielte er wieder darauf an. Wer das "Zwei-Prozent-Ziel" der NATO nicht erfülle, also nicht mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiere, werde von den USA nicht beschützt werden, polterte der Republikaner unter dem Beifall seiner Anhänger.

Solche Aussagen hält Sicherheitsexpertin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations für gefährlich: "Das alleine unterminiert die NATO schon wahnsinnig, weil das Vertrauen in die NATO darauf basiert, dass man glaubt, dass die anderen Alliierten zu Hilfe kommen", sagte sie der DW.

Auch die ehemalige NATO-Chefstrategin Stefanie Babst blickt mit Sorge auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump: "Trump betrachtet die NATO nicht als Wertebündnis, sondern als Dienstleistungsverein." Wer zahle, bekomme den Schutz - diese Haltung sei "für die NATO wirklich Gift". Von Zwietracht in der NATO profitiere am Ende der russische Präsident Wladimir Putin.

Klafft bald ein Loch im deutschen Verteidigungsetat? 

Könnte Deutschland als vermeintlich "säumiger Zahler" also auch aus der Schutzzusage der neuen US-Administration fallen - trotz der hier stationierten US-Atomwaffen, die der nuklearen Abschreckung dienen?

In diesem Jahr hat die Bundesregierung erstmals seit Jahrzehnten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgegeben - und damit die Selbstverpflichtung der NATO-Mitglieder erfüllt. Das gelang allerdings nur dank des einmaligen sogenannten Sondervermögens (eigentlich neue Schulden) von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, das die Regierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine bereitgestellt hatte.

Kampfpanzer der Bundeswehr bei einer NATO-Übung in LitauenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Allerdings: 2026 oder 2027 wird es aufgebraucht sein. Es wird die Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, den Verteidigungsetat dauerhaft zu erhöhen. Andernfalls könnte Deutschland wieder unter die zwei Prozent fallen und sich der Kritik der Verbündeten aussetzen. Während seiner letzten Amtszeit hatte Trump sogar damit gedroht, einen Teil der in Deutschland stationieren US-Truppen abzuziehen - als "Sanktion" für die seiner Meinung nach zu geringen Verteidigungsausgaben.  

Es droht das Ende der US-Unterstützung für die Ukraine

Ein anderes Thema, das den Europäern Kopfzerbrechen bereitet, ist die Militärhilfe für die Ukraine. Auch hier sind die USA bisher der größte Geber, gefolgt von Deutschland. Trumps Aussagen zu dem Thema lassen befürchten, dass er keine weiteren US-Hilfen freigeben wird.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, hier bei seiner Rede vor dem US-Kongress im Dezember 2022, muss um die Fortsetzung der US-Militärhilfe für sein Land bangenBild: Cliff Owen/ZUMA Wire/IMAGO

Dass die Europäer diesen Ausfall werden kompensieren können, bezweifelt Sicherheitsexpertin Ulrike Franke. Dabei sei weniger Geld das Problem als der Nachschub an Waffen. "Die wirklich große Problematik ist meines Erachtens das militärische Gerät. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren unsere Arsenale geleert. Was wir nicht genug gemacht haben, ist, unsere Industrieproduktion aufzubauen." Deutschland hat seine Rüstungsproduktion zwar seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich hochgefahren, war aber von einem niedrigen Niveau gestartet, etwa bei der Herstellung von Munition.  

Welchen "Deal" wird Trump Putin vorschlagen?

Auch Trumps vollmundige Ankündigung, den Krieg in der Ukraine "in 24 Stunden" zu beenden, löst in Deutschland Irritationen aus. Es könne sein, dass Trump "einen wie auch immer gearteten Deal mit Putin schließt - und die Europäer weder geeint genug noch wirklich in der Lage sind, diesen Deal abzulehnen", sagte Franke der DW. Das sei für sie "ein Horrorszenario".

Wenn Trump versuche, ein Abkommen mit Putin zu schließen, werde die Ukraine höchstwahrscheinlich nicht am Verhandlungstisch sitzen - und Europa auch nicht, mutmaßt Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Niemand werde akzeptieren wollen, ausgeschlossen zu sein. Deshalb, so sein Vorschlag, sollten die großen europäischen Länder eine Kontaktgruppe mit der Ukraine bilden, um die Bedingungen für einen Waffenstillstand auszuloten - und zwar, noch bevor Trump sein Amt am 20. Januar antritt.