1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Deutschlands zu erwartende Außenpolitik

Kay-Alexander Scholz
8. Februar 2018

Innenpolitisch hatten sich SPD und CDU/CSU verhakt. Außenpolitisch aber war der Kurs relativ schnell abgesteckt. Der DW erklärten Mitverhandler, warum Kontinuität wichtig und gefragt ist. Neue Akzente gibt es trotzdem.

Globus Karte Nahost
Bild: Fotolia/Sonja Schul

Vierzehn Kapitel hat der neue Koalitionsvertrag. Das 12. Kapitel ist überschrieben mit "Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der Welt". Auf 20 Seiten und in acht Unterkapiteln steht hier, was in den nächsten vier Jahren deutsche Außenpolitik ausmachen soll. Doch so weit hinten, wie es auf den ersten Blick scheint, steht die Außen- und Europapolitik dann in der Wertigkeit doch nicht. Denn schon in der Präambel und im ersten Kapitel "Ein neuer Aufbruch für Europa" geht es um Deutschlands Rolle in einer unsicherer gewordenen Welt. Worauf Berlin nicht mit einem Rückzug, sondern mit mehr Zusammenarbeit antworten möchte. So heißt es: "Wir brauchen mehr und nicht weniger Kooperation." Oder: "Nur mit einem neuen Aufbruch für Europa wird Deutschland langfristig Frieden, Sicherheit und Wohlstand garantieren können." Nach den bislang bekannten Plänen soll Martin Schulz das Außenministerium leiten.

Die Verhandlungen in seiner Arbeitsgruppe für Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik seien bereits am Donnerstagabend fertig gewesen, berichtete der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt im DW-Interview. Bis auf den Punkt: Wie umgehen mit Rüstungsexporten ins Krisengebiet Jemen? Generell sei man sich einig gewesen, Exporte an Staaten zu verbieten, "solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind". Doch es gab einen konkreten Fall, den es zu berücksichtigen galt. Letztendlich hätten dann die Parteichefs dieses Thema entschieden, so Hardt.

Jürgen Hardt: Außenpolitiker der Fraktion von CDU/CSU im BundestagBild: Katja-Julia Fischer

Worum ging es? Derzeit werden in einer Werft an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern Patrouillenboote gebaut, die nach Saudi-Arabien verkauft werden sollen. Saudi-Arabien ist aber am Jemen-Krieg beteiligt. Exporte dahin dürften also eigentlich nicht genehmigt werden. Doch damit wären die Mitarbeiter der Ostsee-Werft in diesem strukturschwachen Gebiet arbeitslos gewesen. Nun einigte man sich darauf, dieses Geschäft auch weiterhin zu erlauben. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, dass "bereits genehmigte Lieferungen Vertrauensschutz erhalten". Das Beispiel illustriert gut, wie komplex Rüstungsgeschäfte sind. Wohl auch deshalb nahm das schwierige Thema in den Koalitionsverhandlungen einen großen Raum ein.

Strenger bei Rüstungsexporten

Er sei froh darüber, sagte Hardt, dass die bestehenden Rüstungsexport-Richtlinien nun zwar verschärft werden sollen - es aber kein Rüstungskontrollgesetz geben wird, wie Teile der SPD es gewollt hätten. Die bisherige Prozedur bleibt bestehen, wonach im Bundessicherheitsrat geheim und unter Abwägung jedes Einzelfalls über Wünsche von Unternehmen nach Rüstungsexporten anhand von Rüstungsexport-Richtlinien entschieden wird und der Bundestag in Kenntnis gesetzt wird. Ein Gesetz hätte gerichtsfeste Entscheidungen erzwungen, sagte Hardt. "Damit aber wäre deutscher Handlungsspielraum in der Außenpolitik, zu der auch die Frage von Rüstungsexporten gehört, eingeschränkt." Zu häufig spielten Aspekte in die Entscheidung hinein, die nicht nur aus Gründen des Vertragsrechts, sondern auch wegen politischer Abwägungen nicht öffentlich diskutiert werden könnten. 

Rolf Mützenich: Außenpolitiker der SPD-FraktionBild: picture-alliance/dpa/M.Kappeler

Ein Gesetz hätte die Richtlinien geschärft, sagte dagegen der SPD-Außenpolitik-Experte Rolf Mützenich im DW-Interview. Er war als Außenpolitiker für die SPD bei den Koalitionsgesprächen dabei. Die jetzigen Verabredungen gingen in die richtige Richtung. So dürfen nun Kleinwaffen generell nicht mehr in Drittländer exportiert werden. Auch der Fokus auf das Krisengebiet Jemen spreche eine "deutliche Sprache", mit der ein wenig beachteter Konflikt in die Öffentlichkeit getragen werde.

Gewollte Kontrapunkte zur US-Politik

Das Ausland könne auch weiterhin mit einem stabilen Partner Deutschland rechnen, meint Hardt. Anders als die US-Administration unter Donald Trump und seiner"America-First-Politik" sei Deutschland sogar in der Lage und bereit, international mehr Verantwortung zu übernehmen. So wolle sich Deutschland erneut um einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat bewerben und könne sich bei einer Neustrukturierung auch einen festen Sitz vorstellen.

Am meisten freue er sich aber über die Zusage, dass nun die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention und humanitäre Hilfe "im Gleichschritt" mit höheren Verteidigungsausgaben steigen werden. "Das ist eine schöne und klare Botschaft", sagte Hardt. 

Deutschland werde "klare Kontrapunkte" zur US-Politik setzen, sagte Mützenich deutlich. Denn das sei eine Politik, "die wir weder nachvollziehen, noch unterstützen können". Deutschland wolle die internationalen Organisationen stärken, setze sich für die Einhaltung der Souveränität von Staaten und für Abrüstung ein. Und in der Europa-Politik laute der Grundsatz klar, "dass wir europäischer werden wollen und den europäischen Einigungsprozess voranbringen werden". Über den neuen Mechanismus der Bindung von Verteidigungsausgaben an Mittel zu Entwicklungszusammenarbeit, sei er "stolz", so Mützenich. Damit bleibe Deutschland dem 1972, international vereinbarten Ziel treu, insgesamt 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Dieses Ziel hatte Deutschland im vergangenen Jahre erstmals erreicht.  

Neuer Kurs gegenüber der Türkei?

Martin Schulz hatte sich im TV-Duell vor der Bundestagswahl im Sommer für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei ausgesprochen. Aus Istanbul kam am Mittwoch die Nachricht, die türkische Regierung wolle, dass sich das Verhältnis zu Deutschland weiter normalisiere. Schulz hatte in der Vergangenheit die Entwicklung in der Türkei scharf kritisiert und sich als EU-Parlamentspräsident wiederholt heftige Wortgefechte mit Präsident Erdogan geliefert.

Angela Merkel und Martin Schulz: Vor der Bundestagswahl lagen die Meinungen zur Türkei noch weit auseinanderBild: Reuters/RTL

"Im Koalitionsvertrag steht nun eine Formulierung, die bei der Linie der bisherigen Bundesregierung bleibt", betont Hardt. Die Formulierung, auf die sich Hardt beruft, lautet: "Keine Kapitel schließen und keine neuen öffnen." "Würden wir die Hand zurückziehen, würden wir die Legende von Präsident Erdogan unterstützen, Europa wolle die Türkei in Wirklichkeit gar nicht."

Das Verhältnis zur Türkei werde nicht von einer Person allein abhängig sein, sagte Mützenich dazu. Es gelte auch weiterhin einerseits das wichtige Verhältnis zur Türkei als Nato-Partner und Konfliktlöser in der Region zu pflegen. Andererseits aber auch auf menschenrechtliche und rechtsstaatliche Fortschritte im Inneren der Türkei zu bestehen. "Wir verlangen klare Signale", forderte Mützenich - zum Beispiel, "dass politische Inhaftierte freigelassen werden".

"Realistische Flüchtlingspolitik"

Als Erfolg der Verhandlungen der Unionsseite bewertet Hardt die vereinbarte Richtung der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Hier sei es bei den Verabredungen aus den Sondierungsgesprächen geblieben. Aus linken Teilen der SPD hatte es Druck gegeben, die Pläne zu entschärfen. Man habe sich trotzdem für eine "verantwortungsvolle Politik" entschieden. Wohl auch, weil mehrheitlich selbst die Anhänger und Wähler der SPD eine Politik der Steuerung und Begrenzung begrüßten, meint Hardt. 

Mützenich spricht von einer "realistischen Flüchtlingspolitik": Dass auch zukünftig Menschen nach Deutschland kommen könnten, gleichzeitig aber auch auf die Kommunen geachtet werde, die Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen auch gewährleisten können müssen.

Hotspots der Außenpolitik

Kurz nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrags kam Kritik von der deutsch-israelischen Gesellschaft zu einer Passage zur Nahost-Politik. Die aktuelle Siedlungspolitik Israel widerspreche dem Völkerrecht, heißt es darin, weil sie eine Zwei-Staaten-Lösung erschwere. Es sei richtig, auf den Siedlungsbau hinzuweisen und auf eine andere Meinung hinzuweisen, sagt Mützenich zu diesem Vorwurf. Auch andere Staaten teilten die Kritik aus Berlin.

Auch im Verhältnis zu Russland werde Deutschland bei seiner kritischen Haltung zur Krim-Annexion und zum Konflikt in der Ukraine bleiben, so Mützenich. Der Völkerrechtsbruch auf der Krim könne nicht akzeptiert werden. Das Verhältnis zur Ukraine und Russland bleibe aber generell ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik. "Wir dürfen uns nicht innenpolitischen Akteuren in beiden Staaten ausliefern", warnte Mützenich. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen