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Deutschlandtrend: Antisemitismus breitet sich aus

2. November 2023

Israels Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas hat weltweit eine Debatte über Israels Verteidigungsrecht ausgelöst. Was denken die Deutschen darüber? Antworten gibt der ARD-Deutschlandtrend.

Deutschland, Berlin | verbotene Pro Palästina Demo am Potsdamer Platz
Bild: Christian Mang/Reuters

Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler in Deutschland, hat mit einem Video in den sozialen Netzwerken für Aufsehen gesorgt. In einer knapp zehnminütigen Rede warnt er vor wachsendem Antisemitismus im Land: bei Islamisten, bei Rechtsextremen, aber auch "in Teilen der politischen Linken", wie Habeck sich ausdrückt. 

Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren: Vizekanzler Habeck

09:43

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Kritik an der Politik Israels sei erlaubt, auch ein Eintreten für die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser sei in Deutschland nicht verboten. Gewalt gegen Jüdinnen und Juden dürfe es aber in keiner Form geben, so Habeck. "Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren - in keiner." 

Jeder zweite Deutsche in Sorge 

Wachsenden Antisemitismus stellt nicht nur der Vizekanzler fest. Im ARD-Deutschlandtrend teilen 52 Prozent der Bundesbürger diese Wahrnehmung, wenn auch nicht in allen Wählergruppen. 

Knapp vier von zehn Befragten verneinen eine Zunahme. Vor vier Jahren, unmittelbar nach dem rechtsextremen Anschlag auf die Synagoge von Halle mit insgesamt zwei Toten, hatten 59 Prozent der Deutschen einen wachsenden Antisemitismus wahrgenommen und 35 Prozent die Frage danach verneint. 

Die Wählergruppe der FDP wurde im aktuellen ARD-Deutschlandtrend nicht separat ausgewiesen, weil die Partei in der Sonntagsfrage (Ergebnisse weiter unten) unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen ist und damit den Einzug in den Bundestag verpassen würde.

Ist Israels Reaktion angemessen? 

Den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober und seine Folgen sehen die Bundesbürger mit großer Besorgnis. Drei Viertel (74 Prozent) geben an, die aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten würden sie sehr stark oder stark bewegen.  

Israel will mit Luftschlägen und Bodentruppen die Hamas im Gazastreifen komplett zerschlagen. Die militant-islamistische Hamas erkennt den Staat Israel nicht an und will das Land nach eigenen Angaben vernichten. Deutschland, die Europäische Union, die USA und einige arabische Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein. 

Infratest dimap hat die Deutschen gefragt, ob sie die militärische Reaktion auf die Terror-Anschläge angemessen finden. 35 Prozent der Befragten finden es angemessen, wie Israel reagiert, acht Prozent gehen die Militäraktionen nicht weit genug. 41 Prozent aber sagen, dass Israel militärisch zu weit gehe. Wichtig ist aus Sicht vieler Deutscher eine größtmögliche Schonung der Zivilisten.  

Dass israelische Militärschläge gegen die Hamas selbst dann gerechtfertigt sind, wenn davon auch die palästinensische Zivilbevölkerung betroffen ist, finden nur 25 Prozent der Befragten richtig. 61 Prozent sind gegenteiliger Meinung. 

Wer ist für die Lage in Gaza verantwortlich? 

Acht von zehn Befragten (81 Prozent) machen sich laut Deutschlandtrend Sorgen um die von der Hamas entführten Geiseln. Zwei Drittel (65 Prozent) sind besorgt über die Lage der israelischen Zivilbevölkerung, sieben von zehn (72 Prozent) über die Situation der Palästinenser. Gleichzeitig fürchten acht von zehn (78 Prozent) eine Ausweitung des Konfliktes in der Region.

Hilfsorganisationen berichten von katastrophalen Zuständen für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Von einer Verantwortung für die Lage der Menschen sprechen die Deutschen mehrheitlich keine der Konfliktparteien frei.

Drei Viertel der Wahlberechtigten (77 Prozent) sehen die Terrororganisation Hamas eher beziehungsweise voll und ganz in der Verantwortung für die Zustände vor Ort. Aber auch Israel wollen fast sechs von zehn Befragten (57 Prozent) für die Situation der Bevölkerung in Gaza in die Pflicht nehmen.

Unzufriedenheit mit der Bundesregierung ist weiterhin groß 

Wie in jedem ARD-Deutschlandtrend hat Infratest dimap auch diesmal gefragt, wie die Deutschen die Arbeit der Regierung beurteilen. Im Vergleich zum Vormonat bekommen Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Ministerriege zwar leicht verbesserte Noten, aber insgesamt fällt das Urteil schlecht aus. Nur ein knappes Viertel der Wahlberechtigten (23 Prozent; +4) äußert sich wohlwollend zur Arbeit der Bundesregierung, drei Viertel (76 Prozent; -3) üben Kritik. 

Wenn der Bundestag jetzt neu gewählt würde, hätten SPD, Grüne und FDP, die zusammen die Regierung bilden, keine Mehrheit. 

Union und AfD bleiben in der bundespolitischen Stimmung im Vorteil. In der Sonntagsfrage ("Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?") liegt die CDU/CSU mit 30 Prozent (+2 zu Ende September) weiterhin an erster, die AfD mit 22 Prozent (+/-0) an zweiter Stelle. Die Sozialdemokraten (SPD) hätten unverändert 16 Prozent in Aussicht, die Grünen weiterhin 14 Prozent. Die FDP würde mit vier Prozent (-2) nicht mehr in den Bundestag einziehen. Die Linke könnte dagegen aktuell mit fünf Prozent (+1) rechnen.

Welche Chancen hätte Sahra Wagenknecht?

Jahrzehntelang war sie eine der prominentesten Politikerinnen der Linkspartei. Jetzt hat Sahra Wagenknecht die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Im ARD-Deutschlandtrend finden das 36 Prozent der Befragten gut für Deutschland. Die Hälfte (51 Prozent) ist gegenteiliger Ansicht. Zugleich käme für knapp drei von zehn (29 Prozent) die Wahl der Partei grundsätzlich in Frage. 

Von denjenigen, die sich eine Wahl der Wagenknecht-Partei grundsätzlich vorstellen könnten, wird an erster Stelle allgemeine Enttäuschung gegenüber den anderen Parteien benannt (40 Prozent). Thematisch hat die Migrationspolitik einen großen Stellenwert (25 Prozent), gefolgt von der Wirtschafts- und Sozialpolitik (18 Prozent) sowie Fragen der deutschen Außen- und Ukraine-Politik (11 Prozent). Für fast drei von zehn Befragten (28 Prozent) liefert die Person Wagenknecht selbst das zentrale Argument. Jeder Neunte (11 Prozent) begründet seine Sympathien für das Parteiprojekt mit neuen Impulsen für die Politik.  

Das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap hat für den aktuellen Deutschlandtrend im Auftrag der ARD-Tagesthemen zwischen dem 30. Oktober und 1. November 1314 wahlberechtigte Bürger repräsentativ befragt.  

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