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Politik

DeutschlandTrend: Druck auf "Jamaika"

Kay-Alexander Scholz
9. November 2017

Ost und West, Jamaika, AfD und CSU: Den Deutschen sagt man nach, dass sie stabile Verhältnisse mögen. Die Meinungsforscher zeichnen derzeit ein eher unruhiges Bild der politischen Stimmungslage. Woran liegt das?

Symbolbild Jamaika Koalition
Bild: Imago/Christian Ohde

Pünktlich zum 9. November stellt sich in Berlin kaltes und diesiges Nebelwetter ein - so auch in diesem Jahr, in dem sich der Mauerfall zum 28. Mal jährt. Doch anscheinend lassen sich viele vom Wetter nicht die Stimmung verderben: Vier von fünf Deutschen sind mit der Entwicklung der Wiedervereinigung im Großen und Ganzen zufrieden. Das ergab die monatliche Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, der sogenannte DeutschlandTrend. Allerdings sagen auch 19 Prozent, sie seien nicht zufrieden. Die Vergleichswerte aus dem Jahr 2014 sehen ähnlich aus (77 zu 21 Prozent). In den letzten drei Jahren hat sich in diesem Punkt also nicht viel verändert.

Neuerdings rückt in Deutschland der Rückblick auf die Wiedervereinigung wieder in den Fokus politischer Diskussionen. Anlass ist auch die rechtspopulistische AfD, die im Osten - also der ehemaligen DDR - doppelt so hohe Zustimmungswerte hat wie im Westen. Ist der Erfolg der AfD vielleicht ein Ergebnis der Wunden der deutsch-deutschen Vereinigung?

Mauerfall ist schon 28 Jahre her

Ein anderer Messwert des DeutschlandTrends weist in eine ähnliche Richtung. Drei Viertel der Ostdeutschen sehen noch immer große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland; auch im Westen glaubt das jeder Zweite. Der DeutschlandTrend hat allerdings nicht danach gefragt, welche Unterschiede das sind.

Zuletzt wurde darüber diskutiert, ob es zu wenige ostdeutsche Chefs gibt. Manche Kennziffern wie Lohnniveau, Produktivität oder Lebenshaltungskosten zeigen in der Tat Unterschiede auf - wenn auch längst nicht mehr flächendeckend.

Die Arbeitslosigkeit, lange Zeit im Osten mehr als doppelt so hoch als im Westen, hat sich in den letzten Jahren rasant nach unten entwickelt: 7 Prozent im Osten, 5 Prozent im Westen. Die Unterschiede könnte aber auch ganz woanders liegen: Die Infrastruktur im Osten ist nach einer gewaltigen Aufbauleistung in vielen Gegenden moderner als im Westen, wo manche Straßen und Brücken dringend einen "Aufbau West" bräuchten.

Wie auch immer: Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat im Rahmen der Sondierungsgespräche mit den Grünen, den Liberalen (FDP) und der bayerischen Schwesterpartei CSU zugesagt, auch künftig einen besonderen Blick auf den Osten zu werfen.

Keine Geduld mit Jamaika-Gesprächen?

Die AfD bleibt ein Thema. Sie zog nach der Bundestagswahl mit mehr als 90 Abgeordneten in den Bundestag ein. In den vergangenen Wochen war es einigermaßen ruhig um die Partei. Im Vergleich zum Vormonat erhöht sich die Zustimmung um zwei Prozentpunkte auf nun 13 Prozent. Ein Grund könnte das Umfragetief für CDU und CSU sein, die um zwei Prozentpunkte auf 30 Prozent abrutschen und möglicherweise an die AfD potentielle Wähler abgegeben mussten. 

Um zwölf Prozentpunkte auf nun 45 Prozent ist die Zustimmung zu einer Jamaika-Koalition gesunken. Die Meinungsforscher von Infratest-Dimap vermuten, das könnte an den mageren Ergebnissen der ersten Runde der Sondierungsgespräche liegen. Der Zustimmungswert zu einer Großen Koalition aus Union und SPD wächst dagegen leicht auf nun 37 Prozent.

Dennoch bleiben die meisten Deutschen (68 Prozent) optimistisch, dass es zur Jamaika-Koalition kommt. Allerdings sollten die Verhandlungsführer einen besorgten Blick auf die Grünen-Anhänger werfen. Dort gibt es eine deutliche Ernüchterung. 55 Prozent sind pro Jamaika - im Oktober waren es noch 76 Prozent.

Im Zweifel Neuwahlen - aber ohne Seehofer

Und was, wenn es nicht klappt? Von einer Minderheitsregierung, wie zuletzt vom "Konservativen Aufbruch" in der CDU gefordert, halten nur 20 Prozent der Befragten viel. Grund dafür dürfte sein, dass den Deutschen stabile Regierungsverhältnisse wichtig sind. Regierungen mit wechselnden Partnern als eine Art politischer Swingerclub, wie anderorts durchaus praktiziert, sind vielen zuwider - dann lieber doch Neuwahlen (75 Prozent), auch wenn diese auch nicht einfach mal so beschlossen werden können.

Als Störenfried bei den Jamaika-Gesprächen wird in deutschen Medien gern die CSU (die mit der "Obergrenze") dargestellt. Das schlägt sich auch in einer Frage des DeutschlandTrends nieder: 56 Prozent, sieben Prozentpunkte mehr als im Oktober, finden, dass die CSU zu viel Macht im Unionsbündnis mit der CDU hat. Für CSU-Chef Seehofer wird es auch eng.

Er steht in seiner Heimat ohnehin mächtig unter Druck. Sechs von zehn Bürgern meinen: Der jetzige Ministerpräsident und Parteichef Seehofer soll sich zurückziehen, sobald die Verhandlungen in Berlin abgeschlossen sind. Bemerkenswert dabei ist, dass "seine" bayerische Bevölkerung genauso schlecht über Seehofer denkt wie der Rest der Republik, besagen zumindest die Antworten der Befragten im DeutschlandTrend. Auch die B-Note fällt schlechter aus: Seehofers Beliebtheit sinkt um acht Prozentpunkte auf nur noch 28 Prozent. Dass Merkel ähnlich viel an Zustimmung (sechs Prozentpunkte) verloren hat, dürfte nur ein magerer Trost für Seehofer sein.

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