Bei der EURO 2025 gewinnen die DFB-Frauen zwar ihr Auftaktmatch gegen Polen, verlieren aber ihre Kapitänin. Zum dritten Mal in ihrer Karriere scheint bei Giulia Gwinn das Kreuzband gerissen zu sein.
Verzweiflung bei DFB-Kapitänin Giulia Gwinn - sie muss die dritte schwere Knieverletzung ihrer Karriere fürchtenBild: Wunderl/BEAUTIFUL SPORTS/picture alliance
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Gerade einmal 35 Minuten waren im ersten Vorrundenspiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen Polen bei der EURO 2025 absolviert, da lag DFB-Kapitänin Giulia Gwinn am Boden und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Minuten zuvor hatte sie mit vollem Einsatz im eigenen Strafraum einen Schussversuch von Polens Superstar Ewa Pajor abgeblockt und war dabei mit dem Knie im Rasen hängengeblieben.
Zwar kehrte die 26-Jährige nach kurzer Behandlungspause noch einmal auf den Platz zurück, doch schon nach wenigen Augenblicken musste sie sich eingestehen: Es geht nicht mehr. Sie legte sich im Mittelkreis auf den Rücken, hielt sich die Hände vors Gesicht und weinte.
Sichtlich geschockt eilten ihre Mitspielerinnen zu ihr, um zu trösten, wo es nichts zu trösten gab. Mal wieder war es eines ihrer Knie, dass die Ausnahme-Rechtsverteidigerin des FC Bayern München stoppt. Diesmal ausgerechnet zu Anfang einer EM, bei der die DFB-Frauen große Ziele haben.
Dritter Kreuzbandriss der Karriere?
Im September 2020 erlitt Gwinn im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland einen Kreuzbandriss im rechten Knie. Ein erster, heftiger Rückschlag für die damals 21-Jährige, deren Karriere gerade Fahrt aufnahm. Die Verletzung heilte, Gwinn kämpfte sich zurück, fiel aber fast ein Jahr lang aus. So konnte sie zum Gewinn ihrer ersten deutschen Meisterschaft im Sommer 2021 nicht mehr aktiv auf dem Platz beitragen.
Im September 2020 riss bei Giulia Gwinn zum ersten Mal in ihrer Karriere das Kreuzband Bild: Anke Waelischmiller/SVEN SIMON/picture alliance
Gwinn kam wieder in Bestform, spielte im Sommer 2022 eine gute Europameisterschaft, dann folgte im Oktober 2022 der nächste Kreuzbandriss - dieses Mal war das linke Knie betroffen.
"Es ist die schlimmste Diagnose, die man bekommen kann", sagte Gwinn vor der EM gegenüber der DW. "Man weiß, dass damit eine sehr lange und harte Leidenszeit verbunden ist."
Gwinn biss die Zähne zusammen und meisterte die schwere Aufgabe, sich zurückzukämpfen, ein zweites Mal. Im August 2023 war sie wieder fit. Erneut war ihr Team, der FC Bayern, ohne sie deutscher Meister geworden. Zudem hatte Gwinn ihre erste WM-Teilnahme verpasst und konnte die WM-Endrunde in Australien und Neuseeland nur als TV-Expertin begleiten.
Beste Karrierephase und Aufstieg zur DFB-Kapitänin
Dem zweiten Comeback folgte die bisher erfolgreichste Zeit in Gwinns Karriere: 2024 und 2025 holte sie mit den Münchenerinnen erneut die Meisterschaft, 2025 sogar das Double. Zudem feierte sie mit der DFB-Elf bei den Olympischen Spielen in Paris den Gewinn der Bronzemedaille.
Giulia Gwinn mit Klara Bühl und Sydney Lohmann (v.r.n.l.) nach dem Gewinn der Meisterschaft 2025 mit dem FC BayernBild: Ulrich Wagner/Wagner/picture alliance
Seit Februar 2025 trägt Gwinn die Kapitänsbinde der deutschen Nationalmannschaft und verschaffte sich in ihrer neuen Rolle schnell Anerkennung bei den Teamkolleginnen.
"Sie hat zu jeder Person im Team eine gute Verbindung und ist sehr nahbar", sagte Klara Bühl, die auch beim FC Bayern mit Gwinn zusammenspielt, der DW vor dem EM-Turnier.
"Man kann immer mit ihr reden, sie ist sehr authentisch und natürlich. Sie hat schon sehr viel erlebt und kann deswegen auch den jüngeren Spielerinnen viel mitgeben."
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Deutschland unterstreicht gegen Polen Titelambitionen
Die EM in der Schweiz hätte ihr Turnier werden sollen. Motiviert und zuversichtlich ging Gwinn die Europameisterschaft an. "Dass wir vom Titel sprechen, das sagen wir nicht nur so, das ist unsere tiefste Überzeugung. Das ist nicht nur bei mir so, sondern auch bei anderen", sagte sie vor wenigen Tagen und betonte: "Ich glaube, wir haben ein unfassbares Potenzial in unserer Mannschaft. Wir glauben fest daran, dass wir etwas Großes erreichen können."
Jule Brand und Lea Schüller sorgen beim EM-Auftaktspiel gegen Polen für die ToreBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
In der Auftaktpartie gegen die Polinnen zeigten ihre Teamkolleginnen, dass da etwas dran ist. Zwar dauerte es eine Weile - auch wegen des Schocks aufgrund von Gwinns Verletzung - bis die Tore fielen, doch am Ende gewann Deutschland verdient mit 2:0 (0:0).
Jule Brand (52. Minute) und Lea Schüller (66.) erzielten die Tore und lösten in der mit 15.972 Zuschauern prall gefüllten Arena in St. Gallen Jubel aus.
Christian Wück: "Bitter erkaufter Sieg"
Guilia Gwinn erlebte diese Glücksmomente schon nicht mehr live im Stadion mit. Sie war in der Kabine geblieben und fürchtete sich womöglich vor dem Ergebnis, dass die weitere Untersuchung ihres verletzten Knies ergeben würde.
"Das war ein bitter erkaufter Sieg", sagte Bundestrainer Christian Wück im Interview mit dem deutschen Fernsehen und schien immer noch geschockt von der Verletzung seiner Schlüsselspielerin. "Wir sind nach dem Spiel direkt in die Kabine und haben sie alle nochmal in den Arm genommen und ihr viel Glück gewünscht." Am Samstag solle eine MRT-Untersuchung des Knies stattfinden, so Wück.
"Sie hat mit der Aktion aber auch das Gegentor verhindert", sagte er. "Das müssen wir ihr hoch anrechnen und wir drücken jetzt alle Daumen, dass es nicht so schlimm ist."
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Deutschland - Polen 2:0 (0:0)
Tore: 1:0 Brand (52.), 2:0 Schüller (66.)
Zuschauer in St. Gallen: 15.972
Die erfolgreichsten Torjägerinnen des DFB
Wer entscheidende Tore oder besonders viele Treffer erzielt, genießt bei den Fans besonderes Ansehen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat einige große Torjägerinnen gehabt - diese zehn waren am erfolgreichsten.
Bild: Marcus Hirnschal/osnapix//IMAGO
Kerstin Garefrekes - 43 Tore
Die Stürmerin ist ebenfalls bei beiden deutschen WM-Titeln - 2003 und 2007 - dabei. Außerdem gewinnt sie 2005 und 2009 mit den DFB-Frauen die EM. Zehn Jahre lang (2001-2011) trägt Garefrekes das DFB-Trikot und bestreitet 130 Spiele. Neben ihrer Sportkarriere arbeitet sie zeitweise in der Verwaltung der Stadt Frankfurt am Main. Heute ist sie im Trainerstab von Eintracht Frankfurt tätig.
Silvia Neid ist eine der Pionierinnen des Fußballs in Deutschland. Schon beim ersten offiziellen Länderspiel im November 1982 gegen die Schweiz ist sie dabei. Dreimal gewinnt Neid als Spielerin die EM (1989, 1991, 1995). Noch erfolgreicher ist sie nach ihrer aktiven Karriere als Bundestrainerin (2005 - 2016). Ihre Titelsammlung: WM 2007, EM 2009 und 2013, außerdem Olympia-Gold 2016.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Anja Mittag - 50 Tore
Zwei Tore mehr als Neid erzielt Anja Mittag im DFB-Trikot. Mit 158 Länderspielen ist die Angreiferin Nummer vier der DFB-Rekordliste. Mittag feiert ihre größten Erfolge mit dem Olympiasieg 2016 und dem WM-Titel 2007. Dreimal wird sie außerdem Europameisterin (2005, 2009, 2013). 2017 beendet sie ihre DFB-Karriere und arbeitet heute als Co-Trainerin bei RB Leipzig.
Bild: Anke Fleig/SVEN SIMON/picture alliance
Bettina Wiegmann - 51 Tore
Zwischen 1989 und 2003 läuft die technisch versierte Mittelfeldspielerin 154 Mal für Deutschland auf. Wiegmann wird viermal Europameisterin (1991, 1995, 1997, 2001) und gewinnt 2003 die Weltmeisterschaft. Das WM-Finale ist ihr letztes Spiel. 2004 wird Wiegmann erste Ehrenspielführerin des DFB. Nach ihrem Karriereende beginnt sie eine Laufbahn als Trainerin.
Bild: Franz-Peter Tschauner/dpa/picture alliance
Lea Schüller - 53 Tore*
Die Stürmerin wird 2013 bei der SGS Essen bereits mit 16 Jahren Bundesligaprofi und schafft es vier Jahre später in die Nationalmannschaft. Nach nur neun Spielminuten gelingt ihr beim Debüt ihr erstes Länderspieltor. Schüller ist mit den DFB-Frauen seit der WM 2019 bei allen großen Turnieren dabei, ein großer Titel mit der Nationalelf fehlt ihr bislang aber noch. (*Stand: 4. Juli 2025)
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Celia Sasic - 63 Tore
Celia Sasic geht bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 2013 als Celia Okoyino da Mbabi für Deutschland auf Torejagd. Die in Bonn geborene Tochter eines Kameruners und einer Französin gewinnt 2009 und 2013 die EM und wird 2015 WM-Torschützenkönigin. Im selben Jahr - nach dem Karriereende - wird sie Europas "Fußballerin des Jahres". Seit März 2022 ist Sasic DFB-Vizepräsidentin für Diversität und Vielfalt.
Bild: Lars Schroer/CITYPRESS 24/picture alliance
Inka Grings - 64 Tore
16 Jahre lang trägt die Stürmerin das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Zwischen 1996 und 2012 erzielt sie 64 Treffer. Zweimal gewinnt Grings mit den DFB-Frauen die EM-Turniere 2005 und 2009 und wird jeweils Torschützenkönigin. Im April 2019 übernimmt sie als Trainerin des Regionalligisten SV Straelen als erste Frau eine Männer-Mannschaft der obersten vier deutschen Fußballligen.
Bei der Euro 2022 unterstreicht Alexandra Popp eindrucksvoll ihren Stellenwert im deutschen Team. Bis zum Halbfinale trifft die Stürmerin des VfL Wolfsburg in jedem Spiel mindestens einmal. "Poppi" spielt seit 2010 für die DFB-Frauen und ist seit 2019 Kapitänin. 2016 gewinnt sie in Rio die olympische Goldmedaille, 2024 in Paris Bronze. Im Oktober 2024 beendet sie ihre DFB-Karriere.
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Heidi Mohr - 83 Tore
Nicht die meisten Treffer, aber die beeindruckendste Quote hat Heidi Mohr: Für ihre 83 Tore im DFB-Trikot benötigt sie "nur" 104 Spiele, die sie zwischen 1986 und 1996 bestreitet. Dreimal wird Mohr Europameisterin (1989, 1991, 1995). Bei der WM 1991 gelingt ihr in jedem Spiel ein Treffer. Im Februar 2019 stirbt die Torjägerin mit nur 51 Jahren an Krebs.
Bild: SVEN SIMON/picture alliance
Birgit Prinz - 128 Tore
Die DFB-Rekordspielerin (214 Länderspiele) und -Torjägerin wird 2003 und 2007 Welt- und fünfmal Europameisterin (1995, 1997, 2001, 2005, 2009). Bei der WM 2003 und den Olympischen Spielen 2004 ist Prinz beste Torschützenin und wird 2003, 2004 und 2005 zur Weltfußballerin gekürt. Mittlerweile arbeitet sie als Sportpsychologin bei der TSG Hoffenheim und auch bei den DFB-Frauen.