Die Frauen-Nationalmannschaft findet unter Interimscoach Horst Hrubesch so langsam wieder ihr Leistungsvermögen. Der 72-Jährige findet die richtigen Worte - ob er kritisiert oder ein Lob ausspricht.
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Giulia Gwinn sagte es, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Das war auch wieder der Horst, der uns vor dem Spiel gesagt hat, dass wir uns die Olympia-Teilnahme nicht nehmen lassen", berichtete die deutsche Fußball-Nationalspielerin aus dem Innenleben des Teams nach dem souverän herausgespielten 5:1 gegen Wales in der Nations League. "Er hat uns die Gelassenheit vorgelebt und diese auch ausgestrahlt und uns damit Sicherheit und Leichtigkeit gegeben", schwärmte auch Verteidigerin Sarai Linder. Die Rede war von Horst Hrubesch, dem Interimstrainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.
Innerhalb kürzester Zeit ist es dem mittlerweile 72 Jahre alten ehemaligen Weltklasse-Stürmer gelungen, aus einer völlig verunsicherten Mannschaft wieder ein selbstbewusstes Team zu formen. Hrubesch hatte die Mannschaft vor gut zwei Wochen von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg übernommen, die sich bis auf Weiteres krank abgemeldet hatte. Hrubesch packte an - und das ohne große Worte, sondern vielmehr mit der ihm eigenen Gelassenheit und Erfahrung. "Wir haben viel gesprochen. Für mich war es wichtig, reinzuhören", sagte der Interimscoach über seine Herangehensweise. Zuhören und zupacken sind die wichtigsten Attribute seiner Arbeit.
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Kritik und schnelles Lob
Dabei ist es nicht so, dass Hrubesch seine Spielerinnen von Kritik verschont. Nach der Partie gegen Wales fand er deutliche Worte zu den Dingen auf dem Spielfeld, die ihm (noch) nicht gefallen haben. "Man muss ehrlicherweise sagen: Uns fehlt die Sicherheit. Wir lassen eine Torchance zu und kriegen den Ausgleich. Das kann es eigentlich nicht sein", analysierte Hrubesch.
Aber: Der Fußballlehrer stärkt seinen Spielerinnen fast im gleichen Atemzug auch wieder den Rücken. "Ich glaube an die Mannschaft und an die Qualität", so Hrubesch. Der Coach schafft es, seine Kritik so vorzutragen, dass sie ihm von den Spielerinnen offenbar nicht übel genommen wird. Im Gegenteil. Der substantielle Tadel scheint für die Akteurinnen Ansporn zu sein, es besser zu machen. Auch weil sie wissen, dass Hrubesch solche Krisen auch schon einmal selbst in seiner Zeit als Profi erlebt hat - und nun damit umzugehen weiß. "Mit seiner Art und Weise hat er die richtigen Worte gefunden. Er hat zwischenmenschlich ein gutes Gefühl für die Mannschaft und tut dem Team mit seiner Persönlichkeit extrem gut", sagte Gwinn.
Konzentration beibehalten
Das Fundament für eine erfolgreichere Zukunft ist damit gegossen. Nun muss es den Spielerinnen gelingen, den Fokus auf das Ziel im kommenden Sommer zu behalten. Nur der Tabellenerste zieht in das Nations-League-Finalturnier ein, bei dem Anfang 2024 zwei Tickets für die Olympischen Spiele in Paris vergeben werden.
Hrubesch weiß, dass bis zum Duell mit Dänemark (1. Dezember) nur Siege zählen. Es geht noch gegen Island und gegen die Schweiz, bis es wohl zum Endspiel gegen Dänemark kommt. "Wenn wir ein Spiel in den Sand setzen, dürfte der Kuchen gegessen sein", sagte Hrubesch zur Ausgangslage und warnt bereits vor dem nächsten Gegner: "Wir werden auf Island beißen müssen. Es muss jetzt halt einfach zusammenwachsen. Ganz einfach, darum geht es."
Die erfolgreichsten Torjägerinnen des DFB
Wer entscheidende Tore oder besonders viele Treffer erzielt, genießt bei den Fans besonderes Ansehen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat einige große Torjägerinnen gehabt - diese zehn waren am erfolgreichsten.
Bild: William West/AFP/Getty Images
Kerstin Garefrekes - 43 Tore
Die Stürmerin ist ebenfalls bei beiden deutschen WM-Titeln - 2003 und 2007 - dabei. Außerdem gewinnt sie 2005 und 2009 mit den DFB-Frauen die EM. Zehn Jahre lang (2001-2011) trägt Garefrekes das DFB-Trikot und bestreitet 130 Spiele. Neben ihrer Sportkarriere arbeitet sie zeitweise in der Verwaltung der Stadt Frankfurt am Main. Heute ist sie im Trainerstab von Eintracht Frankfurt tätig.
Die Stürmerin wird 2013 bei der SGS Essen bereits mit 16 Jahren Bundesligaprofi und schafft es vier Jahre später in die Nationalmannschaft. Nach nur neun Spielminuten gelingt ihr beim Debüt ihr erstes Länderspieltor. Schüller ist mit den DFB-Frauen seit der WM 2019 bei allen großen Turnieren dabei, ein großer Titel mit der Nationalelf fehlt ihr bislang aber noch. (*Stand: 29. Oktober 2024)
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Silvia Neid - 48 Tore
Silvia Neid ist eine der Pionierinnen des Fußballs in Deutschland. Schon beim ersten offiziellen Länderspiel im November 1982 gegen die Schweiz ist sie dabei. Dreimal gewinnt Neid als Spielerin die EM (1989, 1991, 1995). Noch erfolgreicher ist sie nach ihrer aktiven Karriere als Bundestrainerin (2005 - 2016). Ihre Titelsammlung: WM 2007, EM 2009 und 2013, außerdem Olympia-Gold 2016.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Anja Mittag - 50 Tore
Zwei Tore mehr als Neid erzielt Anja Mittag im DFB-Trikot. Mit 158 Länderspielen ist die Angreiferin Nummer vier der DFB-Rekordliste. Mittag feiert ihre größten Erfolge mit dem Olympiasieg 2016 und dem WM-Titel 2007. Dreimal wird sie außerdem Europameisterin (2005, 2009, 2013). 2017 beendet sie ihre DFB-Karriere und arbeitet heute als Co-Trainerin bei RB Leipzig.
Bild: Anke Fleig/SVEN SIMON/picture alliance
Bettina Wiegmann - 51 Tore
Zwischen 1989 und 2003 läuft die technisch versierte Mittelfeldspielerin 154 Mal für Deutschland auf. Wiegmann wird viermal Europameisterin (1991, 1995, 1997, 2001) und gewinnt 2003 die Weltmeisterschaft. Das WM-Finale ist ihr letztes Spiel. 2004 wird Wiegmann erste Ehrenspielführerin des DFB. Nach ihrem Karriereende beginnt sie eine Laufbahn als Trainerin.
Bild: Franz-Peter Tschauner/dpa/picture alliance
Celia Sasic - 63 Tore
Celia Sasic geht bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 2013 als Celia Okoyino da Mbabi für Deutschland auf Torejagd. Die in Bonn geborene Tochter eines Kameruners und einer Französin gewinnt 2009 und 2013 die EM und wird 2015 WM-Torschützenkönigin. Im selben Jahr - nach dem Karriereende - wird sie Europas "Fußballerin des Jahres". Seit März 2022 ist Sasic DFB-Vizepräsidentin für Diversität und Vielfalt.
Bild: Lars Schroer/CITYPRESS 24/picture alliance
Inka Grings - 64 Tore
16 Jahre lang trägt die Stürmerin das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Zwischen 1996 und 2012 erzielt sie 64 Treffer. Zweimal gewinnt Grings mit den DFB-Frauen die EM-Turniere 2005 und 2009 und wird jeweils Torschützenkönigin. Im April 2019 übernimmt sie als Trainerin des Regionalligisten SV Straelen als erste Frau eine Männer-Mannschaft der obersten vier deutschen Fußballligen.
Bei der Euro 2022 unterstreicht Alexandra Popp eindrucksvoll ihren Stellenwert im deutschen Team. Bis zum Halbfinale trifft die Stürmerin des VfL Wolfsburg in jedem Spiel mindestens einmal. "Poppi" spielt seit 2010 für die DFB-Frauen und ist seit 2019 Kapitänin. 2016 gewinnt sie in Rio die olympische Goldmedaille, 2024 in Paris Bronze. Im Oktober 2024 beendet sie ihre DFB-Karriere.
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Heidi Mohr - 83 Tore
Nicht die meisten Treffer, aber die beeindruckendste Quote hat Heidi Mohr: Für ihre 83 Tore im DFB-Trikot benötigt sie "nur" 104 Spiele, die sie zwischen 1986 und 1996 bestreitet. Dreimal wird Mohr Europameisterin (1989, 1991, 1995). Bei der WM 1991 gelingt ihr in jedem Spiel ein Treffer. Im Februar 2019 stirbt die Torjägerin mit nur 51 Jahren an Krebs.
Bild: SVEN SIMON/picture alliance
Birgit Prinz - 128 Tore
Die DFB-Rekordspielerin (214 Länderspiele) und -Torjägerin wird 2003 und 2007 Welt- und fünfmal Europameisterin (1995, 1997, 2001, 2005, 2009). Bei der WM 2003 und den Olympischen Spielen 2004 ist Prinz beste Torschützenin und wird 2003, 2004 und 2005 zur Weltfußballerin gekürt. Mittlerweile arbeitet sie als Sportpsychologin bei der TSG Hoffenheim und auch bei den DFB-Frauen.