DFB-Kapitän Joshua Kimmich - Niederlage zum Jubiläum
5. Juni 2025
Die Enttäuschung stand Joshua Kimmich und seinen Teamkollegen ins Gesicht geschrieben. Durch die 1:2 (0:0)-Niederlage gegen Portugal ist der Traum vom ersten Titel mit der Fußball-Nationalmannschaft geplatzt. "Es war eine absolut verdiente Niederlage", sagte Kimmich nach dem Spiel. "Man hat nicht gemerkt, dass wir eine Siegermentalität haben, dass wir eine gewisse Gier haben, dass wir ins Finale wollen."
Dabei hatte der Abend für Kimmich sehr positiv angefangen. Es war sein 100. Länderspiel. Daher hatte sich der DFB eine besondere Überraschung einfallen lassen: Als sich die Spieler vor dem Anpfiff im Spielertunnel der Münchener Arena versammelten und sich neben die Einlaufkinder stellten, entdeckte Kimmich zu seiner großen Freude seinen kleinen Sohn Lenny ganz vorne in der Reihe. "Es war sehr emotional. Ich wusste nicht, dass er mit mir einläuft", sagte Kimmich nach dem Spiel.
Ein lautes und überraschtes "Waaas?" rief er seinem Sohn entgegen. Ein breites Grinsen und eine herzliche Umarmung folgten, dann ging es Hand in Hand raus aufs Feld. "Als die Hymne dann kam und mir bewusst wurde '100 Spiele für Deutschland', das ist für mich etwas sehr Besonderes", so Kimmich.
Mit diesem besonderen Moment startete Kimmich in sein Jubiläumsspiel. Er ist erst der 14. deutsche Nationalspieler, der in den erlauchten "Klub der Hunderter" eintrat.
Kimmich: "Es ist eine große Ehre"
Auf dem Rasen wurden Kimmich zur Feier des Tages von DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Sportdirektor Rudi Völler unter tosendem Applaus der Fans eine Medaille und eine 100er-Cap überreicht. "Es ist eine große Ehre, so viele Spiele für Deutschland gemacht zu haben", sagte der Nationalspieler.
Nach dem Anpfiff zeigte der Jubilar dann, warum er zurecht seit rund neun Jahren eine feste Größe in der Nationalelf ist. Immer anspielbereit gab er den Takt vor und bereitete in der zweiten Halbzeit mit einem wunderbaren Heber in den gegnerischen Strafraum die 1:0-Führung durch Florian Wirtz vor.
Doch das scheinbar perfekte Jubiläum nahm kurz danach eine abrupte Wendung, als zunächst Francisco Conceicao und wenige Minuten später Cristiano Ronaldo das Spiel zugunsten Portugals drehten.
Füllkrug: "100 Länderspiele sind eine Wahnsinnszahl"
Kimmich hat sich im Laufe seiner Karriere - trotz vieler Höhen und Tiefen - immer weiterentwickelt und ist zu einem echten Führungsspieler geworden. Bundestrainer Julian Nagelsmann machte den 30-Jährigen im Herbst 2024 zum Kapitän der Nationalelf , seitdem wurde er immer mehr zum unbestrittenen Anführer auf und neben dem Platz.
"Seit ich Kapitän bin, spüre ich, dass dieses Amt etwas Besonderes ist", sagte Kimmich im "Kicker" und fügte an: "Die Verantwortung geht über den Platz hinaus. Es macht mich sehr stolz, und ich empfinde es als große Ehre, Kapitän der Nationalmannschaft zu sein."
Lob von allen Seiten
Für den Bundestrainer ist "Joshua ist ein gutes Beispiel, welche Rolle die Emotionalität neben der Qualität spielt." Nagelsmann betonte: "Er hat eine sehr große Bedeutung für das Team, weil er einfach sehr intelligent und ein guter Fußballer ist."
Trainer und Fans sind sich bei den Qualitäten, die der Nationalspieler hat, einig. Auch die Mitspieler sind voll des Lobes. "100 Länderspiele sind eine Wahnsinnszahl. Das ist ein Traum für jeden Fußballer", sagte Angreifer Niclas Füllkrug. "Dafür muss man viele Jahre auf allerhöchstem Niveau spielen."
Und auch Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen lobte Kimmich: "Jo ist phänomenal, ein toller Kapitän. Er war schon in der Vergangenheit immer eine Führungsfigur. Er ist ein absoluter Leader."
Das lange Warten auf einem Titel mit dem DFB-Team
Kimmich zählt ohne Frage zu den besten Spielern auf seiner Position. Egal ob im Mittelfeld oder als rechter Außenverteidiger - er weiß fast immer zu überzeugen.
Doch bisher haben sich sein Einsatz und seine konstanten Leistungen nur im Verein bezahlt gemacht: Champions-League-Sieger, Klub-Weltmeister, neun deutsche Meisterschaften sowie unzählige nationale Titel hat Kimmich bisher mit dem FC Bayern gewinnen können.
Unter Nagelsmann geht es wieder bergauf
In der Nationalmannschaft wartet er dagegen seit Jahren auf einen großen Titel. Sein Debüt feierte er 2016 beim Länderspiel in Augsburg gegen die Slowakei. Es folgten ein unglückliches Halbfinal-Aus bei der EM in Frankreich sowie der Gewinn des Confed-Cups ein Jahr später in Russland.
Diesem guten Start in der DFB-Elf folgte der sportliche Absturz. Kimmich wurde unfreiwillig zum Gesicht einer "Verlierer-Generation": das Ausscheiden in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft in Russland 2018, bei der EM 2021 war im Achtelfinale Schluss sowie das erneute Vorrunden-Aus bei der WM 2022 in Katar.
"Ich habe viele Tiefen und Höhen erlebt mit dem DFB-Team. Gerade die Weltmeisterschaften waren nicht erfolgreich", gab Kimmich zu.
Doch seit dem Amtsantritt von Nagelsmann 2023 geht es wieder bergauf. Bei der Heim-EM begeisterte Deutschland mit attraktivem Fußball und entfachte trotz des unglücklichen Aus im Viertelfinale gegen Spanien eine lange vermisste Euphorie im Land. "Wir haben dafür gesorgt, dass es wieder eine Verbindung zwischen Mannschaft und Land gibt und dass die Nationalmannschaft wieder positive Gefühle hervorruft", freute sich Kimmich.
Kimmich auf dem Spuren von Lothar Matthäus
Doch jetzt das Aus in der Nations League. Die Nationalmannschaft muss nun beweisen, dass sie eine gefestigte Einheit ist. Für Kimmich bedeutet die Niederlage gegen Portugal, dass er noch mindestens ein weiteres Jahr auf einen möglichen Titel warten muss. Die nächste WM findet im kommenden Jahr in den USA, Mexiko und Kanada statt - und auch bei der nächsten EM im Jahr 2028 wäre der vierfache Vater noch in einem guten Fußball-Alter.
DFB-Legende Lothar Matthäus traut ihm sogar zu, irgendwann den von ihm aufgestellten deutschen Länderspiel-Rekord (150 Spiele) zu knacken. "Ich habe schon vor Jahren gesagt: Wenn mich jemand einholen kann, dann ist es Joshua. Er ist noch jung, selten verletzt und sehr ehrgeizig. Er kann - wenn er so weitermacht - auf 170 Länderspiele kommen", sagte Matthäus der Zeitung "Bild". Im "Klub der 100" ist Kimmich angekommen, nun fehlt noch die Krönung auf dem Platz.