Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist gegen Ungarn und die Niederlande vielversprechend in die Saison gestartet. Bundestrainer Julian Nagelsmann sieht viel Gutes, aber auch Dinge, die verbessert werden können.
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Was hat gut funktioniert?
Hier ist in erster Linie die Offensive zu nennen. Um das Trio Florian Wirtz, Jamal Musiala und Kai Havertz können viele andere Teams die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nur beneiden. Mit viel Tempo, hohen technischen Fertigkeiten und großem läuferischem Einsatz reißen die drei Angreifer die gegnerische Defensive immer wieder auseinander, erspielen sich Chancen und gewinnen viele zweite Bälle.
Hinzu kommen mit Niclas Füllkrug und Deniz Undav zwei echte Stoßstürmer, die immer in der Lage sind, ein Tor zu schießen.
Zudem ist die Mentalität der Mannschaft positiv. Als man gegen die Niederlande früh in Rückstand geriet, ließen sich die Spieler davon nicht beeindrucken oder entmutigen. Das war zuvor unter Hansi Flick und in der letzten Phase unter Joachim Löw oft der Fall.
"Die Mannschaft glaubt an sich, und das ist der Schlüssel", lobte auch Bundestrainer Julian Nagelsmann. "Wir sind auf einem sehr guten Weg. Es waren sehr gute Tage als gesamte Gruppe. Es ist eine angenehme Mannschaft, die sehr viel Leidenschaft versprüht. Es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten."
Wo sind noch Baustellen?
Während die Abwehr gegen harmlose Ungarn nicht vor viele schwierige Aufgaben gestellt wurde, gab es gegen die stärkeren Niederländer einige Situationen, die besser hätten gelöst werden müssen. Bei der Stellung zum Ball, der Kontrolle des direkten Gegenspielers, dem Zweikampfverhalten insgesamt und bei der Entscheidungsfindung (Löse ich die Situation spielerisch oder ist ein Befreiungsschlag angebracht?) gab es Luft nach oben.
Mit Vizekapitän Antonio Rüdiger war eine Stammkraft nicht dabei. Der Innenverteidiger von Real Madrid hatte eine Regenerationspause bekommen.
Die hätten unter Umständen auch Jonathan Tah und Robert Andrich vom deutschen Double-Sieger Bayer 04 Leverkusen nötig gehabt. Beiden war - vor allem beim 2:2 in Amsterdam - anzumerken, dass nach der äußerst erfolgreichen aber auch anstrengenden Vorsaison und der EURO noch ein wenig die körperliche und mentale Frische fehlt.
Wie wurden die Rücktritte von Manuel Neuer und Co. aufgefangen?
Auch wenn es den zurückgetretenen Toni Kroos, Manuel Neuer, Thomas Müller und Ilkay Gündogan nicht unbedingt schmeichelt, so waren im Grunde kein Qualitätsverlust oder eine Leistungsdelle zu spüren.
Marc-André ter Stegen blieb als neue Nummer eins ohne Fehler und strahlte Ruhe aus. Gleiches galt für den neuen Kapitän Joshua Kimmich, der auf der rechten Abwehrseite viel arbeitete, immer wieder Akzente nach vorne setzte und sich in Amsterdam sogar in die Torschützenliste eintrug.
Im defensiven Mittelfeld scheint sich Pascal Groß zur neuen zentralen Figur zu entwickeln, dem dann wahlweise der rustikale Abräumer Andrich oder Aleksandar Pavlovic als etwas offensivere Variante zugeordnet wird. Müller hatte auf dem Platz zuletzt keine tragende Rolle mehr gespielt, sondern war eher für das Binnenklima und die gute Stimmung im Team zuständig. Um die muss man sich aber wohl keine Sorgen machen. Alle Spieler kommen gerne zur Nationalmannschaft.
"Es sind viele positive Sachen, die wir rausnehmen können", zog Jamal Musiala nach den beiden Länderspielen Bilanz. Zwar seien vier Legenden aus der Mannschaft gegangen, aber der angestoßene Prozess laufe in die richtige Richtung. "Die Stimmung in der Mannschaft ist richtig gut", so Musiala. "Wir spielen guten Fußball und es macht Spaß."
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Wie ist der weitere Fahrplan?
Am 11. und 14. Oktober stehen mit den Nations-League-Partien in Zenica gegen Bosnien-Herzegowina und gegen die Niederlande in München die nächsten beiden Pflichtspiele an.
In der Zwischenzeit sind in der Fußball-Bundesliga vier Spieltage zu absolvieren, hinzu kommen die ersten beiden Runden der Champions League, bzw. Europa und Conference League.
Was könnte sich personell dann ändern?
Mit Leroy Sané und Serge Gnabry stehen zwei Nationalspieler des FC Bayern in den Startlöchern. Sané wird bei den Münchenern nach einer Leisten-Operation demnächst auf den Platz zurückkehren. Gnabry machte zu Saisonbeginn mit guten Leistungen auf sich aufmerksam, wurde aber von Nagelsmann vorerst nicht nominiert.
Karim Adeyemi von Borussia Dortmund hat ebenfalls Argumente für ein Comeback in der Nationalmannschaft gesammelt. Der 22-Jährige war in der Länderspielpause für die deutsche U21 in der EM-Qualifikation aktiv und erzielte beim 5:1 im ungarischen Györ gegen Israel und dem 10:1-Kantersieg in Estland insgesamt fünf Tore. "Das sollte mein Standard sein", sagte Adeyemi anschließend. "Genau das wollte ich hier erreichen: Erstmal der Mannschaft helfen, natürlich gewinnen, aber auch für mich selber ein bisschen Selbstbewusstsein tanken, Tore oder Assists machen."
Außerdem wird ein spannender Aspekt der Kader-Nominierung Nagelsmanns für die Spiele in Bosnien-Herzegowina und gegen die Niederlande sein, ob Paul Wanner mit dabei ist. Der 18-Jährige ist derzeit vom FC Bayern an den 1. FC Heidenheim ausgeliehen und sorgt dort für Furore. In den ersten vier Pflichtspielen der Saison schoss er vier Tore und legte zwei weitere Treffer auf. Wanner steht auf dem Zettel des Bundestrainers.
Seine Nominierung hätte gleich zwei positive Effekte: Zum einen würde der Youngster erste Luft im Kreise der Nationalmannschaft schnuppern. Zum anderen könnte man ihn mit einem Kurzeinsatz für das deutsche Team sichern. Wanners Mutter kommt aus Österreich. Er wäre daher auch für den österreichischen Verband (ÖFB) spielberechtigt und wird von dessen Trainer Ralf Rangnick umworben. Laut Medienberichten soll sich Wanner für eine DFB- und gegen eine ÖFB-Karriere entschieden haben, aber definitiv ist das erst, wenn er für die deutsche Elf in einem Pflichtspiel auf dem Platz gestanden hat.
Die Rekordspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft
Fußball-Persönlichkeiten wie Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Toni Kroos haben das DFB-Team jahrelang geprägt. Welche anderen deutschen Ausnahmespieler sind unter den Top-Ten mit den meisten Länderspiel-Auftritten?
Bild: Kenzo Koba/Sven Simon/picture alliance
Jürgen Kohler - 105 Spiele
Der Innenverteidiger nimmt zwischen September 1986 und Juli 1998 an drei Welt- und drei Europameisterschaften teil. Mit dem bitteren WM-Aus gegen Kroatien 1998, einer 0:3-Niederlage im Viertelfinale, endet seine Karriere im Nationaltrikot. Größter Erfolg des "Koksers" ist der Titelgewinn bei der EURO 1996 in England.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Hans-Jürgen Dörner - 105 Spiele
100 A-Länderspiele und fünf Partien bei Olympia bestreitet Hans-Jürgen, genannt "Dixie", Dörner zwischen 1969 und 1985 für die DDR. Die WM 1974 verpasst er wegen einer Erkrankung. Sein einziges großes Turnier erlebt der "Beckenbauer des Ostens" daher bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal. Dort gewinnt er mit der DDR-Auswahl Gold. Dörner stirbt im Januar 2022 im Alter von 70 Jahren.
Bild: Magic/IMAGO
Joachim Streich - 105 Spiele
Fast zeitgleich mit Dörner ist auch der gefährlichste Torjäger der DDR-Auswahl in der Nationalmannschaft aktiv. Streich macht zwischen 1969 und 1984 insgesamt 98 A-Länderspiele und ist siebenmal bei Olympia aktiv. Anders als Dörner ist er bei der WM-Endrunde 1974 dabei und spielt 1972 in München im Olympia-Team. Mit der DDR gewinnt er Bronze. Streich stirbt im April 2022 mit 71 Jahren.
Bild: WEREK/imago images
Jürgen Klinsmann - 108 Spiele
Der schnelle Stürmer debütiert im Dezember 1987 als 23-Jähriger im DFB-Team, wo er bald gemeinsam mit Rudi Völler das deutsche Angriffsduo bildet. Klinsmann, der 1988 auch bei den Olympischen Spielen dabei ist, wird 1990 mit Deutschland Weltmeister, 1996 Europameister. Seine Karriere im Nationalteam beendet er nach der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Philipp Lahm - 113 Spiele
Der Außenverteidiger wird im Februar 2004 Nationalspieler. Schnell etabliert er sich als Stammkraft auf der linken Seite und ist ab der EM 2004 bei allen Turnieren dabei. Höhepunkt seiner Karriere im DFB-Dress ist der Sieg bei der WM 2014, bei der Lahm die Mannschaft als Kapitän anführt. Das Finale von Rio ist Lahms letztes Länderspiel. Nach dem WM-Erfolg tritt er aus dem DFB-Team zurück.
Bild: Thomas Eisenhuth/dpa/picture alliance
Toni Kroos - 114 Spiele
Mit 18 Jahren ist er als jüngster deutscher Akteur bei der WM 2010 in Südafrika dabei. Bis zu seinem Rücktritt nach der EURO 2021 verpasst der Mittelfeldspieler von Real Madrid kein großes Turnier. Größter Erfolg ist der WM-Titel 2014 in Brasilien. Zur EM 2024 wird er von Bundestrainer Julian Nagelsmann reaktiviert und ist dort Chef auf dem Platz. Mit dem Aus gegen Spanien endet seine Karriere.
Bild: Lee Smith/REUTERS
Bastian Schweinsteiger - 121 Spiele
Der Mittelfeldspieler nimmt an drei Welt- und vier Europameisterschaften teil. Als einer der Jüngsten fährt er mit zur EM 2004. 2014 gehört er in Brasilien zum Stammpersonal der Weltmeister-Elf. Im Finale lässt sich Schweinsteiger trotz klaffender Wunde unter dem Auge nicht auswechseln. Sein letztes Turnier wird die EM 2016. Kurz danach wird er beim Freundschaftsspiel gegen Finnland verabschiedet.
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Manuel Neuer - 124 Spiele
Neuer debütiert im Juni 2009 im Nationalteam und ist seit der WM 2010 Stammkeeper, weil sich die Nummer eins, René Adler, kurz vor dem Turnier verletzt. Neuer behält seinen Status bei allen großen Turnieren - trotz einiger Verletzungen. 2014 wird er Weltmeister. Nach langer Ausfallzeit steht er auch bei der EM 2024 wieder im Tor - allerdings beim Viertelfinal-Aus gegen Spanien zum letzten Mal.
Bild: Philipp Guelland/epa/AP/picture alliance
Lukas Podolski - 130 Spiele
Von der EURO 2004 bis zur Europameisterschaft 2016 ist der schnelle Flügelstürmer fester Bestandteil des DFB-Teams. Als gegen Ende die fußballerischen Leistungen nicht mehr erstklassig sind, nominiert ihn Bundestrainer Löw dennoch, wegen seines positiven Charakters und für die gute Stimmung im Team. Seinen größten Erfolg feiert Podolski mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/augenklick/picture alliance
Thomas Müller - 131 Spiele
Der Bayern-Stürmer debütiert kurz vor der WM 2010, wo er anschließend WM-Torschützenkönig wird. 2014 wird er Weltmeister. Nach der WM 2018 endet Müllers DFB-Karriere vorübergehend, weil Bundestrainer Joachim Löw ihn, Mats Hummels und Jerome Boateng ausmustert. Kurz vor der EM 2021 holt Löw ihn aber zurück. Er ist auch bei der WM 2022 und der Heim-EM 2024 dabei. Nach dem Turnier tritt er zurück.
Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance
Miroslav Klose - 137 Spiele
13 Jahre lang trägt der erfolgreichste Torjäger des Nationalteams das DFB-Trikot. Sein Debüt gibt Klose 2001 gegen Albanien und erzielt kurz nach seiner Einwechslung das Siegtor. 2002 wird er mit Deutschland Vizeweltmeister, 2014 Weltmeister. Durch seine zwei Treffer in Brasilien wird er zum WM-Rekordtorschützen (insgesamt 16). Nach dem Turnier gibt Klose seinen Rücktritt aus dem DFB-Team bekannt.
Bild: Fernando Bizerra Jr./dpa/picture alliance
Lothar Matthäus - 150 Spiele
20 Jahre liegen zwischen dem ersten und dem letzten Länderspiel des Rekordspielers. Matthäus debütiert bei der EM 1980 in Italien, das Vorrunden-Aus bei der EURO 2000 ist auch sein Ende im Nationalteam. Dazwischen liegt sein größter Erfolg: die Weltmeisterschaft 1990. Matthäus spielt bei fünf Welt- und drei Europameisterschaften. 1996 beim EM-Sieg ist er allerdings nicht dabei.