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DFB-Team: Aus den Bergen kommt die Kraft

Thomas Klein (aus Seefeld)
2. Juni 2021

Die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich in Österreich auf die Europameisterschaft vor. Beim letzten Turnier von Bundestrainer Joachim Löw steht das DFB-Team unter Druck. Eine Überraschung ist dennoch möglich.

Fußball DFB-Trainingslager | Jogi Löw | Seefeld Österreich
Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Die Sonne strahlt, ein leichter Wind weht. Auf den Gipfeln des Wettersteingebirges liegt der letzte Schnee des vergangenen Winters. Seefeld, ein kleiner Ort, nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, liegt auf rund 1200 Metern Höhe und hat sich in der Vergangenheit einen Namen als Austragungsort für Olympia-Wettbewerbe gemacht. 1964 und 1976 war das etwa 25 Kilometer entfernte Innsbruck, wo am Mittwochabend auch das Testspiel der DFB-Elf gegen Dänemark stattfand, Gastgeber der Olympischen Winterspiele. Jedoch wurden die Konkurrenzen im Langlauf und Skispringen nach Seefeld "ausgelagert". In diesem Sommer soll zwischen Loipen und Skisprung-Schanzen aber der Grundstein für eine erfolgreiche Europameisterschaft der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gelegt werden.

Seefeld kennt sich aus mit der Gastgeberrolle für internationale Fußballgrößen. Unter anderem haben sich auf den perfekt gepflegten Rasenplätzen schon RB Leipzig, Galatasary Istanbul oder der englische Meister Manchester City vorbereitet. Und auch die österreichische Nationalmannschaft wird hier ihr Basislager aufschlagen, wenn die DFB-Auswahl wieder abgereist ist. Sogar das gleiche Hotel haben die Österreicher gebucht. Lediglich die Fotos der DFB-Stars, die derzeit noch die Flure des Hotel Nidum schmücken, werden dann noch ausgetauscht.

In Seefeld macht sich die DFB-Elf fit für die EMBild: Thomas Klein/DW

"Das Trainingslager ist ein wichtiger Schlüssel für ein erfolgreiches Turnier", sagt Joachim Löw. "Die Bedingungen, um konzentriert und zielgerichtet zu trainieren, sind sehr gut" Der Ausblick vom Hotel ist malerisch, der Weg zu den Naturrasenplätzen kurz. Die Spieler brauchen nur wenige Minuten mit den E-Bikes zu den Trainingseinheiten. Oft trainiert die Nationalmannschaft zweimal am Tag, doch nach der anstrengenden und langen Saison liegt der Fokus eben auch auf den Regenerationszeiten.

Hummels und Müller - zwei Erfolgsgaranten?

Seit dem 1. Juni sind in Österreich auch touristische Reisen wieder erlaubt, was auch einige Fans der Nationalmannschaft nach Seefeld geführt hat. Von einem kleinen Hügel aus beobachten sie die Trainigseinheiten, zumindest in den ersten Tagen. Denn Löw möchte lieber unbeobachtet sein letztes Trainingslager als Bundestrainer absolvieren. Kurzerhand wurde also ein extra vom DFB abgestellter Sicherheitsmann zum "Fan-Beauftragten" ernannt und der sorgt nun dafür, dass in knapp 100 Metern Entfernung niemand mehr dem Treiben auf dem Trainingsplatz folgen kann. 

Löw hat für seine letzte Mission als Bundestrainer 26 Spieler nominiert. Darunter einige wie Jamal Musiala, Christian Günter oder auch Jonas Hofmann, die noch nicht oft für die Nationalmannschaft aufgelaufen sind. Doch auch zwei alte Bekannte sind nach vielen Monaten wieder mit dabei. Mats Hummels und auch Thomas Müller wurden von Löw ins Team zurück geholt.

Thomas Müller ist zurück im DFB-Team Bild: Peter Hartenfelser/imago images

"Das war für alle ein Wiedersehen, das Freude gemacht hat", sagte Löw zu Beginn des Trainingslagers und ergänzte: "Die beiden können mit ihrer Erfahrung und ihrem Können der Mannschaft helfen. Aber sie müssen auch Leistung bringen." Hummels und Müller wurden nach dem WM-Desaster in Russland 2018 aus dem Kader verbannt, nun sollen sie Löw bei seiner letzten Aufgabe für Stabilität im Kader sorgen und den erhofften Erfolg bringen.

Müller, der leise Anführer

"Meine DFB-Aufenthalts-Quarantäne war länger als 14 Tage," witzelte Müller bei seiner ersten Pressekonferenz in Seefeld. "Der Bundestrainer hat mir nicht die Aufgabe gegeben, Lautsprecher und Anführer zu sein. Ich werde mich nicht verändern und bin, wie ich bin", sagte der 31-Jährige, der in der vergangenen Saison beim FC Bayern zu den Leistungsträgern zählte.

Bei den Trainingseinheiten fällt Müller durch hohes Engagement - aber auch andere Eigenschaften auf. Er kümmert sich um die jungen Spieler wie Musiala oder auch Leroy Sané, die vor ihrem ersten großen Turnier stehen. Hier ein paar motivierende Worte, dort eine Umarmung - Müller verrichtet seine Aufgabe momentan noch eher leise. "Jedem muss bewusst sein, einen Auftrag zu haben und alles rauszuhauen, was geht, natürlich auch als Team. Der Geist muss stimmen", sagte Müller im Interview mit RTL.

Motivation durch Champions-League-Sieg

Aktuell scheint Löw zumindest mit seinen 26 Auserwählten die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Auf dem Trainingsplatz herrscht eine hohe Intensität, alle sind überaus motiviert - das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Und: Es wird viel gelacht. Die Stimmung scheint, von außen betrachtet, sehr gut zu sein. Dazu wird die Truppe von Löw am Donnerstag noch um weitere vier Spieler erweitert und komplettiert.

Kai Havertz erzielt das entscheidende Tor im Finale der Champions League für den FC ChelseaBild: Manu Fernandez/AP/picture alliance

Die Champions-League-Sieger vom FC Chelsea, Antonio Rüdiger, Kai Havertz, Timo Werner sowie Manchester Citys Ilkay Gündogan werden das Niveau noch einmal etwas anheben. "Dieser großartige Erfolg wird unsere Nationalspieler noch einmal stärken auf unserem gemeinsamen Weg durch die unmittelbar bevorstehende Europameisterschaft. Denn wir haben uns viel vorgenommen", sagte Löw auf der Homepage des DFB.

Löw bastelt an perfekter Mischung

An der Qualität der Einzelspieler sollte der Erfolg bei der in wenigen Tagen beginnenden EM nicht scheitern. Der deutsche Kader ist gespickt mit Einzelkönnern und Ausnahmetalenten sowie ausreichend Erfahrung, um bei der EM eine gewichtige Rollen spielen zu können.

Für die letzten Tagen in Seefeld gilt es nun die perfekte Mischung zu finden und ein Team zu formen, was für Löw noch einmal alles geben will und wird. Der Druck ist groß, denn ein Scheitern wie bei der WM in Russland ist bei den starken Gruppengegnern - Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal - nicht ausgeschlossen. Doch die Zuversicht beim DFB steigt von Tag zu Tag. Und wenn der Bundestrainer und sein Team es schaffen, ausreichend Energie aus dem beschaulichen Seefeld mitzunehmen, dann könnte das letzte Turnier von Joachim Löw erfolgreicher werden als manch ein bislang noch skeptischer Fan glauben könnte.