Bundestrainer Julian Nagelsmann muss bei der Fußball-Nationalmannschaft zum Jahresende improvisieren. Gegen Bosnien-Herzegowina und Ungarn fehlen einige Stammkräfte verletzt, viele andere sind angeschlagen.
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Stammtorwart Marc-André ter Stegen, die beiden Mittelstürmer Deniz Undav und Niclas Füllkrug, Mittelfeldspieler Aleksandar Pavlovic, Offensivkraft Jamie Leweling und Außenverteidiger David Raum - sie alle stehen Julian Nagelsmann wegen Verletzungen nicht zur Verfügung.
In der Nations League möchte der Bundestrainer in den beiden letzten Partien zu Hause gegen Bosnien-Herzegowina (Samstag 16.11. um 20:45 Uhr MEZ in Freiburg) und drei Tage später in Ungarn (Dienstag, 19.11. um 20:45 Uhr MEZ in Budapest) den Gruppensieg klarmachen. Dazu fehlen noch drei Punkte. Bei der Auslosung der K.o.-Runde würde der deutschen Fußball-Nationalmannschaft als Gruppensieger womöglich ein leichterer Gegner zugelost.
Achse aus Stammspielern an Bord
Doch auch von den 23 Profis, die am Montag zum Treffpunkt des DFB-Teams in Frankfurt am Main anreisten, sind viele angeschlagen und nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. So konnten Florian Wirtz vom Doublesieger Bayer Leverkusen und Angelo Stiller vom VfB Stuttgart am Dienstag nicht mittrainieren. Am Mittwoch reiste Stiller aus dem Trainingslager ab.
Nagelsmann möchte dennoch keine Ausreden gelten lassen. "Wir haben einen starken Kader beisammen, auch wenn wir verletzungsbedingt auf einigen Positionen umbauen müssen", sagte der Bundestrainer und gab als Ziel aus: "Wir wollen nach dem vorzeitigen Einzug ins Viertelfinale den Gruppensieg in der Nations League perfekt machen - möglichst bereits vor unseren Fans im Heimspiel in Freiburg."
Dabei hilft es, dass Nagelsmann seine Achse aus Stammspielern, die in den vergangenen Monaten nach der Europameisterschaft das Gerüst der Mannschaft bildeten, mit dabei ist. In der Innenverteidigung bilden Antonio Rüdiger und Jonathan Tah ein verlässliches Paar. Rechts hinten ist Kapitän Joshua Kimmich gesetzt. Im defensiven Mittelfeld haben Pascal Groß und Robert Andrich schon mehrmals zusammengespielt. Davor setzt normalerweise das Trio aus Wirtz, Jamal Musiala und Kai Havertz die offensiven Akzente.
Viele Spieler angeschlagen
Im Grunde sind also nur die Positionen des Torwarts, des linken Außenverteidigers und des Mittelstürmers vakant. Hinzu kommt allerdings die Tatsache, dass Nagelsmann in Absprache mit den Klubs einige Spieler möglicherweise nicht voll belasten und zweimal 90 Minuten lang spielen lassen wird. Insgesamt, so der Bundestrainer, seien neun Spieler mit kleineren Blessuren zur Nationalmannschaft angereist. "Ich habe mir viel vorgenommen, aber wenn neun Spieler angeschlagen sind, ist es schwierig umzusetzen", sagte Nagelsmann.
Es könnte also durchaus noch zu Verschiebungen kommen, auch weil der eine oder andere Nachrücker eine Chance bekommt, sich zu präsentieren. Und sollte der Gruppensieg bereits am Samstag gegen Bosnien-Herzegowina klargemacht werden, böte das Ungarn-Spiel für Nagelsmann eine gute Gelegenheit, Ersatzspieler zu testen und Stammkräfte zu schonen.
Nagelsmann ist bereit, sich zum Wohle der Nationalspieler in seinen Freiheiten als Bundestrainer einzuschränken. "Ich bin gerne bereit, Kompromisse einzugehen. Dafür bin ich im guten und gesunden Austausch", sagte er. Allerdings sei das in dieser Länderspielpause zum letzten Mal der Fall. "Danach geht es um den Nations-League-Titel, die WM-Qualifikation und die WM", so Nagelsmann. "Da werde ich nicht mit den Trainern diskutieren, ob einer 60, 70 oder 90 Minuten spielt."
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Weiter Werben um Paul Wanner
Nach wie vor ein Thema bleibt auch Top-Talent Paul Wanner. Der 18-Jährige, der derzeit als Leihgabe des FC Bayern für den 1. FC Heidenheim in der Bundesliga spielt, hatte die Anfrage Nagelsmanns für einen Start in der A-Nationalmannschaft abgelehnt. Er wollte lieber für die deutsche U21 spielen. Wanner muss sich demnächst entscheiden, ob er für Deutschland oder Österreich auflaufen möchte. Gerüchten zufolge soll ihn die Konkurrenz auf seiner Lieblingsposition hinter den Spitzen durch Florian Wirtz und Jamal Musiala noch abschrecken.
Allerdings hatte einer der vermeintlichen Konkurrenten einen Rat für Wanner: "Ich glaube für Paul ist es wichtig, sich seine Zeit zu nehmen und nicht zu viel zu schauen, was die Medien sagen", meinte Musiala bei der DFB-Pressekonferenz am Dienstag. "Wir würden ihn gerne hier haben." Der Bayern-Spieler hatte vor einigen Jahren selbst vor der Entscheidung gestanden, ob er für Deutschlands oder Englands Nationalteam spielen sollte.
"Wir haben schon die Phantasie, dass er für uns für den WM-Kader eine Rolle spielen kann", stellte Julian Nagelsmann Wanner eine WM-Teilnahme in Aussicht. Allerdings schränkte der Bundestrainer gleichzeitig ein, dass der 18-Jährige noch eine Entwicklung vor sich habe. Insgesamt sah er den Verzicht Wanners gelassen. "Ich fand die Absage jetzt nicht so dramatisch. Das wird auch heiß gekocht."
Der Artikel wurde am 13.11. nach der Abreise Angelo Stillers aus dem Trainingslager aktualisiert.
Die Rekordspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft
Fußball-Persönlichkeiten wie Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Toni Kroos haben das DFB-Team jahrelang geprägt. Welche anderen deutschen Ausnahmespieler sind unter den Top-Ten mit den meisten Länderspiel-Auftritten?
Bild: Kenzo Koba/Sven Simon/picture alliance
Jürgen Kohler - 105 Spiele
Der Innenverteidiger nimmt zwischen September 1986 und Juli 1998 an drei Welt- und drei Europameisterschaften teil. Mit dem bitteren WM-Aus gegen Kroatien 1998, einer 0:3-Niederlage im Viertelfinale, endet seine Karriere im Nationaltrikot. Größter Erfolg des "Koksers" ist der Titelgewinn bei der EURO 1996 in England.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Hans-Jürgen Dörner - 105 Spiele
100 A-Länderspiele und fünf Partien bei Olympia bestreitet Hans-Jürgen, genannt "Dixie", Dörner zwischen 1969 und 1985 für die DDR. Die WM 1974 verpasst er wegen einer Erkrankung. Sein einziges großes Turnier erlebt der "Beckenbauer des Ostens" daher bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal. Dort gewinnt er mit der DDR-Auswahl Gold. Dörner stirbt im Januar 2022 im Alter von 70 Jahren.
Bild: Magic/IMAGO
Joachim Streich - 105 Spiele
Fast zeitgleich mit Dörner ist auch der gefährlichste Torjäger der DDR-Auswahl in der Nationalmannschaft aktiv. Streich macht zwischen 1969 und 1984 insgesamt 98 A-Länderspiele und ist siebenmal bei Olympia aktiv. Anders als Dörner ist er bei der WM-Endrunde 1974 dabei und spielt 1972 in München im Olympia-Team. Mit der DDR gewinnt er Bronze. Streich stirbt im April 2022 mit 71 Jahren.
Bild: WEREK/imago images
Jürgen Klinsmann - 108 Spiele
Der schnelle Stürmer debütiert im Dezember 1987 als 23-Jähriger im DFB-Team, wo er bald gemeinsam mit Rudi Völler das deutsche Angriffsduo bildet. Klinsmann, der 1988 auch bei den Olympischen Spielen dabei ist, wird 1990 mit Deutschland Weltmeister, 1996 Europameister. Seine Karriere im Nationalteam beendet er nach der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Philipp Lahm - 113 Spiele
Der Außenverteidiger wird im Februar 2004 Nationalspieler. Schnell etabliert er sich als Stammkraft auf der linken Seite und ist ab der EM 2004 bei allen Turnieren dabei. Höhepunkt seiner Karriere im DFB-Dress ist der Sieg bei der WM 2014, bei der Lahm die Mannschaft als Kapitän anführt. Das Finale von Rio ist Lahms letztes Länderspiel. Nach dem WM-Erfolg tritt er aus dem DFB-Team zurück.
Bild: Thomas Eisenhuth/dpa/picture alliance
Toni Kroos - 114 Spiele
Mit 18 Jahren ist er als jüngster deutscher Akteur bei der WM 2010 in Südafrika dabei. Bis zu seinem Rücktritt nach der EURO 2021 verpasst der Mittelfeldspieler von Real Madrid kein großes Turnier. Größter Erfolg ist der WM-Titel 2014 in Brasilien. Zur EM 2024 wird er von Bundestrainer Julian Nagelsmann reaktiviert und ist dort Chef auf dem Platz. Mit dem Aus gegen Spanien endet seine Karriere.
Bild: Lee Smith/REUTERS
Bastian Schweinsteiger - 121 Spiele
Der Mittelfeldspieler nimmt an drei Welt- und vier Europameisterschaften teil. Als einer der Jüngsten fährt er mit zur EM 2004. 2014 gehört er in Brasilien zum Stammpersonal der Weltmeister-Elf. Im Finale lässt sich Schweinsteiger trotz klaffender Wunde unter dem Auge nicht auswechseln. Sein letztes Turnier wird die EM 2016. Kurz danach wird er beim Freundschaftsspiel gegen Finnland verabschiedet.
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Manuel Neuer - 124 Spiele
Neuer debütiert im Juni 2009 im Nationalteam und ist seit der WM 2010 Stammkeeper, weil sich die Nummer eins, René Adler, kurz vor dem Turnier verletzt. Neuer behält seinen Status bei allen großen Turnieren - trotz einiger Verletzungen. 2014 wird er Weltmeister. Nach langer Ausfallzeit steht er auch bei der EM 2024 wieder im Tor - allerdings beim Viertelfinal-Aus gegen Spanien zum letzten Mal.
Bild: Philipp Guelland/epa/AP/picture alliance
Lukas Podolski - 130 Spiele
Von der EURO 2004 bis zur Europameisterschaft 2016 ist der schnelle Flügelstürmer fester Bestandteil des DFB-Teams. Als gegen Ende die fußballerischen Leistungen nicht mehr erstklassig sind, nominiert ihn Bundestrainer Löw dennoch, wegen seines positiven Charakters und für die gute Stimmung im Team. Seinen größten Erfolg feiert Podolski mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/augenklick/picture alliance
Thomas Müller - 131 Spiele
Der Bayern-Stürmer debütiert kurz vor der WM 2010, wo er anschließend WM-Torschützenkönig wird. 2014 wird er Weltmeister. Nach der WM 2018 endet Müllers DFB-Karriere vorübergehend, weil Bundestrainer Joachim Löw ihn, Mats Hummels und Jerome Boateng ausmustert. Kurz vor der EM 2021 holt Löw ihn aber zurück. Er ist auch bei der WM 2022 und der Heim-EM 2024 dabei. Nach dem Turnier tritt er zurück.
Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance
Miroslav Klose - 137 Spiele
13 Jahre lang trägt der erfolgreichste Torjäger des Nationalteams das DFB-Trikot. Sein Debüt gibt Klose 2001 gegen Albanien und erzielt kurz nach seiner Einwechslung das Siegtor. 2002 wird er mit Deutschland Vizeweltmeister, 2014 Weltmeister. Durch seine zwei Treffer in Brasilien wird er zum WM-Rekordtorschützen (insgesamt 16). Nach dem Turnier gibt Klose seinen Rücktritt aus dem DFB-Team bekannt.
Bild: Fernando Bizerra Jr./dpa/picture alliance
Lothar Matthäus - 150 Spiele
20 Jahre liegen zwischen dem ersten und dem letzten Länderspiel des Rekordspielers. Matthäus debütiert bei der EM 1980 in Italien, das Vorrunden-Aus bei der EURO 2000 ist auch sein Ende im Nationalteam. Dazwischen liegt sein größter Erfolg: die Weltmeisterschaft 1990. Matthäus spielt bei fünf Welt- und drei Europameisterschaften. 1996 beim EM-Sieg ist er allerdings nicht dabei.