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Tah: "Beeindruckend, wie fußballverrückt Afrika ist"

Thomas Klein Herzogenaurach
4. Juni 2025

Am Rande der Nations League spricht Jonathan Tah mit der DW über seine Karriere, die Entwicklung zum Top-Verteidiger, den Einfluss von Xabi Alonso und seine Verbindung zu Côte d’Ivoire.

Nationalspieler Jonathan Tah im Trikot der DFB-Elf bei einem Länderspiel Mitte 2024
Jonathan Tahs Vater stammt aus dem westafrikanischen Land Côte d’IvoireBild: Revierfoto/IMAGO

"Stand jetzt habe ich alles dafür getan, um die beste Version zu sein, die ich sein kann", sagt Jonathan Tah im DW-Interview. "Aber natürlich kann und will ich immer noch mehr rausholen." Der 29-Jährige zählt mittlerweile zu den besten Verteidigern in Europa und konnte 2024 mit Bayer Leverkusen erstmals die Deutsche Meisterschaft sowie den DFB-Pokal gewinnen.

Auch in der gerade abgelaufenen Bundesliga-Saison spielte Tah auf gleichbleibendem Niveau und überzeugte mit einer Zweikampfquote von 65 Prozent und einer Passquote von fast 94 Prozent. Nur logisch, dass auch der FC Bayern München auf den Defensivspezialisten aufmerksam wurde und ihn zur neuen Saison verpflichtet hat.

Harte Arbeit zahlt sich aus

Auch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft konnte sich der in Hamburg geborene Defensivspieler nach Anlaufproblemen mittlerweile einen Stammplatz erarbeiten. Im Final-Four der Nations League ist er aufgrund des Ausfalls von Antonio Rüdiger der Abwehrchef. Sein Debüt feierte der Verteidiger bereits Anfang 2016 unter dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw. Allerdings wurde er im Anschluss bei keinem der großen Turniere in den Kader berufen.

Jonathan Tah (l.) spielt seit 2016 für die DFB-Elf und hat sich mittlerweile einen Stammplatz erarbeitetBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Erst seitdem Bundestrainer Julian Nagelsmann im Amt ist, bildet Tah gemeinsam mit Antonio Rüdiger die Innenverteidigung und damit einen sicheren Rückhalt für das DFB-Team. "Es ist wie im Leben", sagt Tah. "Es geht immer ein bisschen auf und ab." Doch er habe - trotz Anlaufschwierigkeiten - immer an sich geglaubt und hart an sich gearbeitet. "Das soll nicht arrogant klingen, aber es war logisch, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem es sich auszahlt."

Vor allem Xabi Alonso, sein Trainer bei der Werkself in Leverkusen, habe ihm geholfen, an den entscheidenden Details zu arbeiten, um sich weiter zu verbessern. "Er hat mir geholfen diesen entscheidenden Schritt zu machen", so Tah.

"Er hat gesagt, dass ich diesen Fokus und die Konzentration in jedem Spiel abrufen muss, um konstant diese Leistung auf diesem hohen Level bringen zu können." Es seien zwar nur kleine Stellschrauben gewesen, an denen Alonso gedreht habe, die aber am Ende einen großen Unterscheid ausgemacht hätten.

Tah: "Auch mal aus der Rolle des Fußballprofis rauskommen"

Ausgebildet wurde Tah beim Hamburger SV und unterschrieb mit 17 Jahren seinen ersten Profivertrag. Doch der HSV zweifelte an seinem Talent, verlieh den jungen Innenverteidiger zunächst für eine Saison an den damaligen Zweitligisten  Fortuna Düsseldorf und verkaufte ihn schließlich 2015 an Leverkusen.

"Ich glaube, Talent hat mich wahrscheinlich nach Leverkusen gebracht. Doch alles, was danach kam, war harte Arbeit. Am Ende kannst du dein Potential nur ausschöpfen, wenn du hart arbeitest und eben nicht, wenn du dich nur auf dein Talent verlässt." 

Ein Selfie mit Jonathan Tah steht bei den DFB-Fans hoch im KursBild: IMAGO/Harry Koerber

Für Tah ist Fußballspielen ein Privileg, und gerade in den vergangenen sehr erfolgreichen Jahren genoss der 29-Jährige jede Minute auf dem grünen Rasen. Doch auch die Zeit neben dem Sport sei für ihn wichtig, um den Kopf auch mal frei zu bekommen, sagt Tah. "Ich versuche, viel Zeit mit meiner Frau, meinen Freunden und meinem Hund zu verbringen", verrät er im DW-Interview. "Mir tut es ganz gut, aus der Rolle 'Jonathan Tah, der Fußballprofi' rauszukommen und in der Rolle des Ehemanns und Freundes auch mal gar nicht über Fußball zu reden."

Tah: "Ich habe viel Liebe gespürt"

Auch das Reisen zähle zu den Dingen, die ihm neben dem Fußball wichtig seien, sagt Tah. Im Mai dieses Jahres flog er an die Côte d'Ivoire nach Westafrika, besuchte Freunde und die Familie seines Vaters, der dort geboren ist. "Das letzte Mal, als ich da war, war ich 14 Jahre alt. Ich wollte meine Oma mal wieder besuchen und sehen, was sich in dem Land verändert hat."

Wenn der 29-Jährige über die Heimat seines Vaters spricht, leuchten seine Augen. "Es war sehr schön. Auch weil ich das Gefühl hatte, dass ich dazu gehöre. Die Menschen haben sich gefreut, dass ich da bin", erzählt Tah und ergänzt ein wenig gerührt: "Viele haben gesagt, dass sie stolz auf mich sind und auf das, was ich mit Leverkusen erreicht habe. Ich habe einfach sehr viel Liebe von den Menschen gespürt. Das war eine sehr schöne Erfahrung."

Die Menschen haben sich "gesehen gefühlt"

Besonders die Liebe der Menschen zum Fußball begeistert den Abwehrspieler. "Es ist beeindruckend, wie fußballverrückt Afrika ist. Sie lieben einfach diesen Sport, und du spürst diese Leidenschaft", berichtet er und zeigt sich ein wenig erstaunt darüber, dass viele auch seine Karriere in Deutschland ganz genau mitverfolgen.

"Es ist ein anderes Land, eine andere Kultur, und trotzdem supporten die Leute dich. Das erfüllt einen mit Stolz", sagt Tah und ergänzt: "Ich glaube, dass ich Leute inspirieren und motivieren kann."

Der Fußball-Profi war rund eine Woche lang in der Millionenstadt Abidjan und besuchte auch Orte, wo "nicht jeder Touri hingehen würde". Gerade dort habe er viele glückliche Gesichter gesehen. "Ich habe einfach gespürt, dass es den Leuten Hoffnung gegeben hat und dass sie sich gesehen gefühlt haben. Und ich freue mich, wenn ich dort ein bisschen Einfluss haben kann."

Tah: "Sind das wirklich Probleme, die ich habe?"

Auch wenn es nur eine kurze Reise war - mehr lässt der enge Terminkalender aktuell nicht zu -, so haben die Begegnungen in dem westafrikanischen Land auch bei Tah Spuren hinterlassen. "Mich und meine Frau hat es extrem geerdet", sagt er.

"Ich glaube, dass man wieder öfter darüber nachdenkt: 'Was habe ich hier eigentlich für Probleme? Sind das wirklich Probleme, sind das wirklich Beschwerden, die ich habe? Oder ist es eigentlich Quatsch, sich Sorgen um Kleinigkeiten zu machen?'"

Für Tah, der in Zukunft öfter die Heimat seines Vaters besuchen möchte, gilt es nun, den Fokus wieder auf den Fußball zu lenken. Mit der DFB-Elf spielt er um den Titel in der UEFA Nations League und auch mit dem FC Bayern möchte er seine Titelsammlung in den kommenden Jahren weiter ausbauen - und damit dann auch den Menschen der Côte d'Ivoire ein kleines Lächeln ins Gesicht zu zaubern. 

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