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Politik

"Harte Maßnahmen nur auf EU-Ebene möglich"

Mikhail Bushuev
18. Juni 2020

Beim Tiergarten-Mord geht die Staatsanwaltschaft von einer Auftragstat der russischen Regierung aus. Osteuropaexperte András Rácz spricht im DW-Interview über die Folgen für das deutsch-russische Verhältnis.

Mann in Berlin-Moabit erschossen - Motiv unklar
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

DW: Herr Rácz, die Bundesanwaltschaft hat nun Anklage gegen einen Russen erhoben. Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei dem Mord an einem Georgier, Zelimkhan Khangoshvili, im August 2019 im Berliner Tiergarten um einen staatlichen Tötungsauftrag der russischen Regierung handelt. Wie wird sich dies auf die deutsch-russischen Beziehungen auswirken?

András Rácz: Nachdem Deutschland den Mord eindeutig Russland zugeschrieben hat, stellt sich die Frage, ob die Regierung in Berlin entscheidet, die Geschichte auf einer bilateralen Ebene zu belassen oder auf eine multilaterale Ebene zu heben. Wir haben Beispiele für beides gesehen. Für eine multilaterale Antwort ist der Fall Sergej Skripal das beste Beispiel, als das Vereinigte Königreich eine europaweite Solidarität forderte. Dieser Geschichte folgte die Ausweisung von mehr als 150 russischen Diplomaten aus ganz Europa. Das war eine multilaterale Antwort.

András RáczBild: privat

Gleichzeitig haben wir ein aktuelles Beispiel für eine bilaterale Reaktion, als jetzt in der Tschechischen Republik ein russischer Diplomat beschuldigt wurde, versucht zu haben, einige tschechische Politiker zu ermorden. Diese Geschichte endete mit der Ausweisung einiger russischer Diplomaten aus der Tschechischen Republik und als Reaktion darauf einiger tschechischer Diplomaten aus Russland. Das Muster ist ziemlich klar: Russland erwidert fast immer. Wenn also einige russische Diplomaten von einem Land ausgewiesen werden, dann gibt es von Russland fast immer eine ähnliche Antwort. Die Frage liegt wirklich bei der Regierung in Berlin, ob sie die Spannungen auf einer bilateralen Ebene belassen oder auf eine multilaterale Ebene heben will.

Die Tatsache, dass diese Geschichte wenige Wochen vor Beginn der deutschen EU-Präsidentschaft mit dieser klaren Zuschreibung hochkam, ist sicherlich kein angenehmer Start für die Präsidentschaft, wenn es um die Beziehungen zu Russland geht. Während der Präsidentschaft erwarte ich keine positive Entwicklung, wenn es darum geht, die Beziehungen zu Russland möglicherweise zu verbessern. Ich sehe nicht, dass dies nach einer so klaren Zuschreibung politisch möglich wäre, insbesondere weil diese Zuschreibung nicht die einzige war, wenn man daran denkt, dass vor Kurzem die Hackerangriffe auf den Deutschen Bundestag auch Russland zugeschrieben wurden. Das war eine ähnlich wichtige Geschichte und beide haben innerhalb weniger Monate stattgefunden.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat mit neuen Maßnahmen gedroht. Was liegt im Werkzeugkasten der deutschen Außenpolitik gegenüber Russland?

Eine klassische Maßnahme, die auch im Tiergarten-Fall bereits ergriffen wurde, ist die bereits erwähnte, nämlich die Ausweisung von Diplomaten. Nach dem Tiergarten-Mord wurden bereits zwei russische Diplomaten, angeblich Angehörige des Militärgeheimdienstes GRU, aus Deutschland ausgewiesen. Das ist eine klassische Art zu antworten. Eine andere klassische Antwort ist, die Intensität der diplomatischen Beziehungen zu drosseln, Besuche abzusagen und andere symbolische Gesten im Bereich der Diplomatie vorzunehmen. Sagen wir, ein Kulturjahr oder so etwas abzusagen.

Natürlich sollte man auch die Bedeutung der "deklarativen Diplomatie" nicht unterschätzen, nämlich das Täterland wiederholt zu benennen und zu beschämen. Man kann den Botschafter einbestellen. Dies ist eine relativ häufige Maßnahme. Diese Dinge sind alle im Werkzeugkasten. Wenn es um härtere Sanktionen oder Gegenmaßnahmen geht, können diese auf nationaler Ebene kaum umgesetzt werden. Härtere Maßnahmen werden normalerweise auf EU-Ebene umgesetzt. Zum Beispiel weitere Wirtschaftssanktionen oder weitere Einreiseverbote gegen mutmaßlich in den Fall verwickelte russische Beamte.

Es gibt also eine Vielzahl von Werkzeugen und Mitteln. Man muss nur bedenken, dass Russland auf solche Maßnahmen fast immer antwortet. Und die Kosten dieser symmetrischen Antwort, die Schäden, die sowohl durch die Gegenmaßnahmen als auch durch die russische Antwort verursacht werden, müssen bei der Planung der Sanktionen berücksichtigt werden.

András Rácz ist seit September 2019 Senior Fellow beim Robert-Bosch-Zentrum der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien. Zuvor war er außerordentlicher Professor an der Katholischen Péter-Pázmány-Universität in Budapest, Ungarn, und Non-Resident Research Fellow des Estnischen Instituts für Außenpolitik in Tallinn.

Das Gespräch führte Mikhail Bushuev.

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