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DGB für Rot-Grün

28. Mai 2002

Der scheidende DGB-Vorsitzende Dieter Schulte und ver.di-Chef Frank Bsirske haben die Gewerkschaften zur Unterstützung für Rot-Grün im Bundestagswahlkampf aufgerufen.

Der scheidende DGB-Vorsitzende Dieter Schulte und ver.di-Chef Frank Bsirske haben die Gewerkschaften zur Unterstützung für Rot-Grün im Bundestagswahlkampf aufgerufen. Zwar führe auch eine SPD-geführte Regierung «nicht ins Paradies», sie sichere den Gewerkschaften aber mehr Einfluss auf die Politik, sagte Schulte am Montag in Berlin zum Auftakt des 17. DGB-Bundeskongresses unter dem Motto «Neue Zeiten. Neue Chancen». Ebenso deutlich wie die Arbeitgeber sollten daher auch die Gewerkschaften Position beziehen.

Bsirske warnte vor einem «Zurück in die Zukunft» mit der Neuauflage einer Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP. Der Vorsitzende der weltweit größten Einzelgewerkschaft forderte die unionsgeführten Länder auf, das Tariftreuegesetz an diesem Freitag im Bundesrat passieren zu lassen. Das Abstimmungsverhalten werde als «wichtiger Indikator» der zukünftigen Unionspolitik zu werten sein, warnte er. Zugleich bekräftigte er die Unzufriedenheit der Gewerkschaften mit der von Finanzminister Hans Eichel (SPD) geprägten rot-grünen Finanz- und Steuerpolitik.

Bundespräsident Johannes Rau warnte als Gastredner davor, den Standort Deutschland schlecht zu reden. Im Streit um die Zukunft des Sozialstaates wandte er sich gegen zu tiefe Einschnitte. «Der Markt kann weder Solidarität ersetzen noch Gerechtigkeit herstellen.» Rau

warf indirekt sowohl der Kohl- als auch der Schröder-Regierung vor, die Lohnnebenkosten selbst in die Höhe getrieben zu haben. So hätten sie einen erheblichen Teil der Kosten der deutschen Einheit über die Sozialbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgebern finanziert und nicht über Steuern von allen Bürgern.

Allein 2000 seien dafür 15 Milliarden Euro aus der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung verwendet worden. Ohne diese Zusatzlast könnten die Sozialbeiträge und damit die Lohnnebenkosten deutlich niedriger sein. Rau forderte, diese Kosten aus Steuern zu finanzieren und damit allen - auch Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern - aufzubürden. «Mir schiene das eine richtigere Lösung zu sein.» Als Folge könnten die Sozialbeiträge sinken. Daher seien für ihn die Klagen über zu hohe Lohnnebenkosten nicht überzeugend.

Schulte (62), der nach acht Jahren nicht mehr antritt und an diesem Dienstag sein Amt an seinen designierten Nachfolger Michael Sommer (50) abgibt, warb eindringlich um Unterstützung für Rot-Grün. Er reagierte damit auf die heftige Kritik aus dem Gewerkschaftslager an der Regierung Schröder. Der scheidende DGB-Chef zeigte Verständnis für den Unmut, betonte aber, dass eine SPD-geführte Regierung den Gewerkschaften mehr Mitsprache biete als eine unionsgeführte. «Mir ist es lieber, auch nur einen Zipfel der Macht in der Hand zu halten, als schöne Forderungen auf weißem Büttenpapier zu schreiben und in den toten Briefkasten des Bundeskanzleramtes zu werfen.»

«Auch eine SPD-geführte Bundesregierung führt die Gewerkschaften nicht ins Paradies. Dass der Weg manchmal sogar nahe am Fegefeuer vorbeiführen würde, habe ich nicht vorhergesehen, hat wohl keiner vorhersehen können», sagte Schulte. Rot-Grün habe aber dennoch richtige Wege beschritten. «Mit dieser Regierung haben wir nicht zu befürchten, dass auf dem Arbeitsmarkt amerikanische Verhältnisse eingeführt werden», sagte Schulte. Der frühere Kanzler Helmut Kohl (CDU) habe das Angebot der Gewerkschaften für ein Bündnis für Arbeit dagegen damals «mit einer Kampfansage» beantwortet.

Schulte forderte von den Gewerkschaften eine europäische Tarifpolitik und ein stärkeres Werben um neue Mitglieder. Die Mitgliederzahl aller DGB-Gewerkschaften schrumpfte seit 1991 von 11,8 auf heute noch knapp 7,9 Millionen. Bei dem bis Freitag geplanten DGB-Kongress soll am Mittwoch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprechen, am Donnerstag Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU).