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Dicke Luft vor G20-Finanzministertreffen

11. Oktober 2018

Vor dem G20-Finanzministertreffen auf Bali bahnt sich ein neuer Streit zwischen China und den USA an. US-Finanzminister Mnuchin warnte Peking vor einer Abwertung seiner Währung, um sich Handelsvorteile zu verschaffen.

Bildergalerie Tourismus in Indonesien Nusa Dua
Bild: Colourbox

"Während wir auf Handelsthemen schauen, ist es keine Frage, dass wir sicherstellen wollen, dass China keine Abwertungen vornimmt, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen", sagte Mnuchin der "Financial Times". Das US-Finanzministerium beobachte die Situation sehr genau und die chinesische Währung sei über das Jahr signifikant gefallen. 

Chinas Volkswirtschaft ist stark exportorientiert. Ein niedriger Kurs der eigenen Währung im Vergleich etwa zum US-Dollar macht den Kauf chinesischer Güter für ausländische Käufer billiger. Eine künstliche Abwertung ist somit unter Umständen ein Werkzeug, um den Handelsschranken der USA zu begegnen.

Der Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt sorgt schon im Vorfeld für eine aufgeheizte Stimmung, so dass nach den Angaben eines deutschen Regierungsinsiders, den die Nachrichtenagentur Reuters zitiert, zum Abschluss des Treffens in Bali kein G20-Kommunique vorgesehen ist. 

Deutlicher Wertverlust des Yuan zum Dollar

Der chinesische Yuan oder Renminbi hat in den vergangenen Monaten gegenüber dem US-Dollar etwa zehn Prozent seines Wertes verloren. Mnuchin erkannte an, dass es auch innerchinesische Gründe gibt, etwa ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum. 

Die Schwäche des Yuan hängt aber auch damit zusammen, dass sich globale Kapitalströme durch die Geldpolitik und Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed verändert haben. Dadurch werden Anlagen im Dollar-Raum für Investoren attraktiver. Auch andere Währungen von Schwellenländern, etwa die Rupie des Gastgeberlandes Indonesien, haben gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet.

Die Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer treffen sich traditionell am Rande der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank, die in diesem Jahr in in Nusa Dua auf der indonesischen Ferieninsel Bali stattfindet.

In seinem aktuellen Weltwirtschaftsbericht warnt der IWF vor den negativen Folgen der aggressiven Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump für die globale Wirtschaft und korrigierte seine bisherige Wachstumsprognose deutlich nach unten- auch für Deutschland. Schuld seien neben regionalen Sondereinflüssen der von Trump verursachte Handelsstreit und rekordverdächtig hohe Schulden.

Kritik des IWF: Deutschland soll mehr Geld in die Infrastruktur investierenBild: picture-alliance/dpa

IWF senkt Wachstumsprognose für Deutschland

"Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks für unsere Wachstumsvorhersage ist gestiegen", sagte der scheidende IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld. Der IWF nahm die Wachstumsprognose für Deutschland um 0,6 Punkte auf 1,9 Prozent für 2018 zurück, auch 2019 soll es nicht steiler bergauf gehen.

Besonders sorgt sich der Weltwährungsfonds um die von Trump attackierte Autoindustrie. Das weltweite Wachstum gehe mit 3,7 Prozent zwar im laufenden und dem kommenden Jahr auf vergleichsweise hohem Niveau weiter, nehme aber nicht mehr wie eigentlich erwartet an Tempo zu, sagte Obstfeld. "Die Vorhersage war überoptimistisch", sagte er zur Prognose des IWF im April, die ein Wachstum von 3,9 Prozent sah.

Im Weltwirtschaftsbericht wird die deutsche Bundesregierung erneut aufgefordert, größere Anstrengungen bei Investitionen in die Infrastruktur zu unternehmen, um den hohen deutschen Handelsüberschuss auszubalancieren. Als Grund für die nach unten korrigierte Prognose gilt auch eine niedrigere Industrieproduktion und eine größere Unsicherheit wegen der aus den USA drohenden Zölle.

Bundesregierung sorgt sich um hohen Schuldenstand

Angesichts einer sich eintrübenden Weltkonjunktur und neuen Krisengefahren zeigt sich auch die Bundesregierung besorgt über den hohen Schuldenstand in vielen Ländern. Entscheidend sei, dass es genug "Feuerkraft gibt, um reagieren zu können", ließ das Bundesfinanzministerium mit Blick auf den IWF-Bericht verlauten.

Finanzminister Olaf Scholz, der am Mittwoch zum IWF-Treffen der Finanzminister und Notenbankenchefs aus aller Welt in Bali eingetroffen ist, will dementsprechend die Schuldenproblematik auf dem Treffen mit seinen Amtskollegen in den Mittelpunkt stellen.

"Der Schuldenstand ist in vielen Ländern wieder sehr stark gestiegen", hieß es aus dem Finanzministerium, auch in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern sei er nach der Entschuldungsoffensive um die Jahrtausendwende wieder zu hoch. Komme es zu größeren Turbulenzen, könne womöglich nicht mehr so gegengesteuert werden wie zum Beispiel nach der globalen Finanzkrise 2008/2009. 

Insgesamt ist die Schuldenlast der öffentlichen und privaten Hand in aller Welt nach Angaben des IWF extrem angestiegen und liegt heute um 60 Prozent höher als noch vor der Finanzkrise - bei unvorstellbaren 182 Billionen Dollar. 

Für die Schwellenländer, deren Wachstumsprognose stärker nach unten korrigiert werden musste, kommen weitere Probleme der US-Wirtschaftspolitik dazu - vergleichsweise rasch steigende Zinsen, ein starker Dollar und Wachstum, das bei der Bevölkerung nicht ankommt.

Finanzminister Olaf Scholz will auf Bali die hohe weltweite Verschuldung thematisierenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Problemfälle Argentinien, Pakistan und Türkei

Ein Sorgenkind ist derzeit besonders der Gastgeber des G20-Gipfels Ende November, Argentinien. Wer in der US-Währung hoch verschuldet ist, hat es künftig schwerer. Argentinien ging bereits die Luft aus, Buenos Aires musste beim IWF um Milliardenhilfe bitten.

Pakistan hat dasselbe angekündigt, die Türkei will es mit allen Mitteln verhindern. Am schlimmsten sieht es im ölreichen Venezuela aus, dem eine Hyperinflation von von fast 1,4 Millionen Prozent droht - Hunderttausende Menschen sind bereits vor Hunger und Gewalt geflohen.

Deutschland ist im Vergleich mit anderen europäischen  Schwergewichten wie Italien bisher besser auf einen möglichen Einbruch der Weltwirtschaft vorbereitet. Zumindest vom Puffer her, um zum Beispiel wie 2008/2009 mit Kurzarbeitsregelungen über 1,5 Millionen Jobs zu retten und eine Kernschmelze des Finanzsystems abzuwenden.

Minister Scholz plant für 2019 wegen der Umsetzung diverser Koalitionsvorhaben und neuer Sozialausgaben mit Ausgaben von 356,8 Milliarden Euro, rund 13 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. Er sieht zum Beispiel stabile Renten als bestes Mittel gegen einen deutschen Donald Trump.

Wie in jedem Jahr seit 2014 soll es auch 2019 keine neuen Schulden im Bundeshaushalt geben. Die deutsche Politik der "schwarzen Null" - verbunden mit hohen Handelsüberschüssen und geringen Investitionen - wird schon seit Jahren vom IWF kritisiert.

Während Deutschland erstmals seit 2002 wohl bereits in diesem Jahr die Staatsverschuldung unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken wird und damit die vorgesehene Grenze für die Euro-Stabilität wieder schafft, liegt der Wert bei Italien bei über 130 Prozent.

Auch die Rupie, Währung des Gastgeberlandes Indonesien, hat gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren Bild: DW

Die Risiken sind zurück

Zehn Jahre nach dem Lehman-Crash sind viele Risiken zurück. Der Handelsstreit zwischen den weltgrößten Volkswirtschaften USA und China sowie die Androhung von US-Zöllen auf Autos und Autoteile machen vieles noch schwieriger.

Etablierte Lieferketten könnten unterbrochen werden, vor allem dann wenn es zu Vergeltungsmaßnahmen kommt, sagte IWF-Chefökonom Obstfeld. Die derzeit positive Situation in den Vereinigten Staaten sei von verstärkenden Impulsen des Staates mitverursacht und werde nach Aufhebung dieser Effekte zurückgehen.

Obstfeld meinte damit vor allem die Steuerreform von Präsident Donald Trump. Diese bedeutet einen stützenden staatlichen Eingriff in einer Zeit ohnehin galoppierender Konjunktur. Der IWF senkte auch die US-Prognose bereits für 2019  nach unten.

Trumps im Wahlkampf viel verwendete These von einem dauerhaften Wirtschaftswachstum über vier Prozent wird somit von den Experten eher als Wunschdenken abgeurteilt. Weniger optimistisch ist der IWF auch für China, wenngleich das Reich der Mitte mit einem Wachstum über sechs Prozent weiterhin boomt.

Für den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU, eines der größten politischen Wachstumsrisiken in Europa, zeigte sich Obstfeld optimistisch. Der IWF gehe davon aus, dass ein Übereinkommen  zwischen London und Brüssel erzielt werde. "Wir bleiben bei unserer Annahme, dass vernünftige Politik die Oberhand behält und hoffentlich behalten wir recht", betonte der 66-Jährige, der das Amt des IWF-Chefökonomen zum Jahresende an die Volkswirtin Gita Gopinath von der Harvard Universität abgibt.

tko/pcb (dpa, rtr)

 

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