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Die 50er-Jahre boomen in Belgien

Mirjam Stöckel30. Mai 2008

Wirtschaftswunder, positive Zukunftsaussichten und die Weltausstellung: Die 1950er-Jahre symbolisieren ein besonderes Jahrzehnt in Belgien. Gerade jetzt erleben sie ein Revival in Belgien.

1958 Atomium in Brüssel - Wahrzeichen der Weltausstellung 1958 (1958/Foto Archiv: Andre Waterkeyn, Andre und Jean Polak)
Symbol für die erfolgreichen 1950er-Jahre in Belgien: Das Atomium in Brüssel 1958Bild: picture-alliance / akg-images

Vor allem die spektakuläre Weltausstellung rund um das Brüsseler Atomium, die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, war ein Symbol für die Hoffnung auf Wohlstand und technischen Fortschritt. Vor genau 50 Jahren fand sie statt und hat die 1950er-Jahre geprägt. Die Belgier feiern in diesen Tagen diesen runden Geburtstag und lassen die Mode, das Lebensgefühl und die Musik dieser Zeit wieder erwachen.

Am Beispiel der Vergangenheit

Es ist kurz nach neun Uhr abends in Opwijk, einem Dörfchen mitten in der flämischen Provinz. Die Tanzlehrerin im blauen Kleid und mit der Blume im Haar gibt den Rhythmus vor und mehr oder weniger elegant versuchen etwa 40 Paare den Rock’n’Roll-Grundschritt zu tanzen. Die Tanzfläche des kleinen Veranstaltungssaals ist voll, mehr Paare könnten nicht mehr teilnehmen an der 50er-Jahre-Partyreihe. Denn in Opwijk macht RadioModern heute Station. Der 33-jährige Ben Mulling trägt ein braunes Hemd und zurück gegelte Haare. Er hatte die Idee zu den Partys – und holt Lebensgefühl und Leichtigkeit der 50er-Jahre dreimal pro Monat in die belgische Gegenwart.

"Ein Wochenende war damals ein echtes Wochenende", sagt Mulling. "Da ging man richtig groß aus und nicht nur ein Bierchen trinken. Man stellte sich vor den Spiegel, damit die Haare gut aussahen. Da war Glamour dabei." Und auch heute brauchen die Leute das, um das normale Leben, die Arbeit hinter sich zu lassen und in eine andere Welt abzutauchen.

50er-Jahre Fieber in ganz Belgien

Pünktchenkleid und fein zurecht gemacht: 50er Jahre StilBild: picture-alliance/dpa

Seit gut einem Jahr gibt es die 50er-Jahre-Parties – und die Besucherzahlen steigen. RadioModern füllt mittlerweile Säle mit knapp 1000 Besuchern - und nicht nur in der Provinz, sondern auch in der Hauptstadt Brüssel. Denn dort feiert man seit April auch 50 Jahre Weltausstellung – und damit auch fünf Jahrzehnte Atomium. Am Fuß der riesigen Eisenmolekül-Nachbildung hat vor ein paar Tagen ein 50er-Jahre-Trödelmarkt stattgefunden. Viele Leute suchen dort Nierentischchen und Nippes. Organisator Henri Simons ist nicht überrascht darüber. "Die Belgier wollen ganz klar ein bisschen Nostalgie haben", erzählt er.

Nostalgie heißt: Gegenstände im Stil der 1950er-Jahre kommen wieder in Mode, selbst junge Leute suchen heute zum Beispiel Lampen oder Geschirr aus den 50ern. Für die Älteren hängt die Nostalgie mit der Macht und der Stellung zusammen, die Belgien damals hatte: zehntgrößte Weltmacht, eine starke Wirtschaft, Kohle und Kolonien – eine bedeutende Zeit in einem vereinten Land.

Das Geschäft mit der Vergangenheit

Hier die Partys und der Flohmarkt, dort ein Konzert, da eine Mode-Ausstellung, Sonderseiten in den Zeitungen, Sendungen im Radio – das Thema 50er-Jahre verspricht Erfolg. Wynand Plaizier beschäftigt sich schon seit zwei Jahren mit keinem anderen Thema mehr. Als Verleger hat er alte Bilder aus der Epoche zusammengesammelt – und jetzt neu herausgegeben.

Unzählige Plakate, Postkarten, Fotos und Bücher über die Ära des Fortschrittsglaubens hat er in seinem kleinen Geschäft mitten in Brüssel. Sogar einen Extra-Kalender hat er aufgelegt, der bereits ausverkauft ist. "Das ist echt eine Überraschung: Da kommen Leute mit 15, 16 oder 22 Jahren und interessieren sich wirklich sehr", stellt Plaizier fest. Sie seien total neugierig und wollen verstehen, wie das alles war 1958.

Der etwas andere Kick beim Feiern

So kommen auch viele junge Leute zu den 50er-Jahre-Parties. Sie tanzen, sitzen an kleinen Tischchen zusammen und sind in Gespräche vertieft. Die Atmosphäre bei der 50er-Jahre-Party sei ganz anders als in einer normalen Diskothek, sagt Jill Matthieu, 22 Jahre. Sie komme früh hier her und verbringe dann wirklich den ganzen Abend hier. "Man unterhält sich ständig und ist wirklich zusammen – nicht jeder einzeln für sich in seiner Ecke. Und das tut total gut – mit Leuten zusammen zu sein, mit denen man reden, Spaß haben und tanzen kann. Und das ist wirklich ein großer Unterschied", erklärt Jill Matthieu.

Das perfekte Outfit für die Partys gehört dazu: Roter Lippenstift, Kleider mit Blumenaufdruck, Haarreifen, Ohrringe - die Frauen im Saal sind sehr feminin-schick und die Männer adrett in weit geschnittenen Bundfaltenhosen, mit Hemd, polierten Lederschuhen und zurück gegelten Haaren. "Das gefällt mir gut und fehlt mir, wenn ich sonst ausgehe. Denn da zieht einfach jeder eine Jeans und ein T-Shirt an – und der Rest ist egal. Früher war das nicht so wie heute", erklärt Jill. Jill mag die Nostalgie und kommt zu jeder 50er-Jahre Party, um bis tief in die Nacht zu feiern wie in den 50ern.

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