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Moldau am wirtschaftlichen Tropf Russlands

Vitalie Calugareanu / Robert Schwartz25. Juli 2014

Russland reagiert auf den Europa-Kurs der früheren Sowjetrepublik Moldau mit Strafmaßnahmen: Agrarexporte werden erschwert, die Visaverlängerung für moldauische Gastarbeiter wird in Frage gestellt.

Weintrauben auf einem moldauischen Markt (Foto: Julia Semenova/DW)
Obst ist eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte in MoldauBild: DW/J. Semenova

Auch diesmal hat Russland Wort gehalten: die Republik Moldau wird wegen der Unterzeichnung und Ratifizierung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union wirtschaftlich bestraft. Ab sofort ist die Einfuhr jeglichen Obstes aus der Republik Moldau in die Russische Föderation - auch als Wegzehrung oder im Handgepäck - verboten. Mehr noch: Das Wirtschaftsministerium in Moskau will das Handelsregime kündigen, wonach moldauische Produkte - inklusive Wein, Obst, Fleisch, Gemüse und Getreide - keinem Einfuhrzoll unterliegen. Die Vergünstigungen für die Moldau - wie auch für die Ukraine - sollen gestrichen werden.

Die Republik Moldau hatte Ende Juni - zusammen mit Georgien und der Ukraine - das Abkommen mit der EU unterzeichnet, das auch den freien Warenaustausch regelt. Moskau hatte mehrmals angedeutet, dass es auf die europäische Annäherung dieser ehemaligen Sowjetrepubliken wirtschaftlich und politisch reagieren würde. Die EU insgesamt ist zwar seit einigen Jahren der wichtigste Handelspartner der Republik Moldau, Russland bleibt aber der größte direkte bilaterale Handelspartner.

Schon seit acht Jahren können keine moldauischen Weine mehr nach Russland exportiert werdenBild: DW/J. Semenova

Reaktion aus Chișinău

Der moldauische Agrarminister Vasile Bumacov sieht in dieser einseitigen Maßnahme Moskaus eine klare Überreaktion auf die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens seines Landes mit der EU. Der Grund, den der russische Konsumentenschutz für das Embargo vorgab, sei vorgeschoben. "Es wurde uns mitgeteilt, dass bei den exportierten Konserven die angegebene Füllmenge mit der tatsächlichen nicht übereinstimme. Dabei wurde bisher nicht einmal ein Prozent unserer Exporte wegen Mängeln zurückgeschickt", sagte Bumacov. Die moldauischen Produzenten seien vorbildlich und hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen, so der Minister.

Bumacov schätzt den durch das Embargo entstandenen Verlust auf umgerechnet 80 Millionen Euro in diesem Jahr - viel Geld für das kleine und arme Land. Er forderte seine Landsleute auf, ähnlich wie nach dem russischen Importverbot für moldauische Weine im Jahr 2006 zu handeln. Damals hätten sich die Weinproduzenten zu 100 Prozent anderen Märkten zugewandt und seien vom russischen Embargo kaum betroffen gewesen. So ähnlich sollten jetzt auch die Obst- und Gemüsebauern vorgehen und neue Märkte erschließen. "Die moldauische Regierung wird sie dabei tatkräftig unterstützen, so dass der Albtraum bald vergessen sein wird", fügte der Minister hinzu.

Die Republik Moldau und die Region TransnistrienBild: DW

Iurie Leanca: Russlands Haltung stärkt Beziehungen zur EU

Der moldauische Premierminister Iurie Leanca sieht die jüngsten Entwicklungen auch als Chance für sein Land. "Die Entscheidung Russlands, die Einfuhr von Obst, Konserven und Fleisch aus der Republik Moldau zu verbieten, wird die Umsetzung des Assoziierungsabkommens beschleunigen", sagte er. Er forderte seine Regierung auf, konkret damit zu beginnen, so dass der Export von Weintrauben, Äpfeln und Pflaumen in die EU bereits am 1. August anlaufen könne, zwei Monate früher als geplant. Desgleichen schlug Leanca ein Programm zur Unterstützung der Landwirte vor. Jeder Schüler, jeder Soldat solle einen Apfel pro Tag bekommen. Durch das Programm, das die Regierung rund 10 Millionen Euro kosten wird, soll ein Teil der Verluste, die den Bauern durch das russische Embargo entstehen, aufgefangen werden. Der Premierminister versprach auch weitere Kompensationen für die Landwirte.

Schon in diesem Herbst will die EU die Einfuhrquoten für moldauisches Obst und Gemüse verdoppeln. Dies erklärte der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz Tonio Borg. Er bestätigte, dass die Standards für diese Produkte sehr hoch seien und das moldauisches Obst und Gemüse über den EU-Markt Zugang zu Märkten weltweit erhalten könne. Laut Vlad Filat, dem Chef der Liberal-Demokraten und Ex-Premierminister, soll der Export von Äpfeln in die EU somit auf 80.000 Tonnen angehoben werden.

In Brüssel erklärte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos nach einem Gespräch mit seinen Kollegen Stefan Füle, Kommissar für Erweiterung und europäische Nachbarschaftspolitik und Karel de Gucht, Handelskommissar, das Abkommen mit der Republik Moldau könne wegen des russischen Embargos bereits vor dem 1. Oktober in Kraft treten. Ciolos fügte hinzu, die EU wolle die moldauischen Landwirte unterstützen und den Zugang ihrer Produkte zum europäischen Markt erleichtern.

Ende Juni hat die Republik Moldau zusammen mit Georgien und der Ukraine das Abkommen mit der EU unterzeichnetBild: Olivier Hoslet/AFP/Getty Images

Russlands nächstes Ziel – die Gastarbeiter

Als nächste Maßnahme gegen die Republik Moldau wird nun in Chisinau die Ausweisung moldauischer Gastarbeiter aus Russland erwartet. Der Verband der moldauischen Diaspora gab bekannt, dass Moskau die Verlängerung der Arbeitserlaubnis für moldauische Staatsbürger gestoppt hat. Somit könnten bis zu 265.000 moldauische Arbeiter nach Hause geschickt werden, so ein Sprecher des Verbands. Laut russischen Statistiken arbeiten zur Zeit zwischen 500.000 und 700.000 Moldauer in der Russischen Föderation. Das Geld, dass diese Gastarbeiter in die Heimat schicken, ist eine wichtige Einnahmequelle für die moldauische Wirtschaft. 2013 betrugen die Rücküberweisungen aus Russland umgerechnet rund eine Milliarde Euro, also gut 19 Prozent des moldauischen BIP und mehr als die Hälfte der gesamten Rücküberweisungen aus dem Ausland.

Sollten diese Überweisungen stärker zurückgehen, wird in Chisinau ein Rückgang des Konsums und allgemeine Verschlechterung des Lebensstandards der Bevölkerung befürchtet. Andererseits könnte die Ausweisung der Arbeiter aus Russland einen Anstieg arbeitssuchender Moldauer in der EU bedeuten. Viele moldauische Staatsbürger - offizielle rumänische Quellen sprechen von mehr als 300.000 - sind im Besitz eines rumänischen Passes, weil sie rumänische Vorfahren haben. Damit könnten sie legal in der Europäischen Union eine Arbeit aufnehmen.