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Politik

Die Abtrünnigen: Rebellion in Erdogans AKP

Daniel Derya Bellut
17. September 2019

Der türkische Präsident steht in den eigenen Reihen unter Druck - alte Weggefährten wie der ehemalige Ministerpräsident Davutoglu wenden sich von seiner Partei ab und gründen Splitterparteien. Erdogans Macht zerfällt.

Türkischer Präsident Erdogan mit Premier Davutoglu
Ein Bild aus besseren Tagen: 2014 übernimmt Davutoglu den Parteivorsitz von Erdoğan Bild: AFP/Getty ImagesA. Altan

Ahmet Davutoglu war lange Zeit eine der einflussreichsten Figuren in der türkischen Politik. Seit dem rasanten Aufstieg der islamisch-konservativen AKP im Jahr 2002 war er stets an der Seite des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: als Außenminister und später auch als Ministerpräsident und AKP-Parteivorsitzender. Doch 2016 wurde er seinem Ziehvater zu eigensinnig und mächtig. Erdogan drängte ihn kurzerhand aus beiden Ämtern.

Eine Demütigung, die dieser jedoch ehrfürchtig hinnahm: "Seine Familienehre ist meine Familienehre. Seine Familie ist meine Familie." Er habe sich niemals negativ über den Staatschef geäußert und ihm werde "auch in Zukunft kein schlechtes Wort über die Lippen kommen", sagte er nach seiner Entlassung.

Erdogan verliert Nimbus der Unschlagbarkeit

Doch im Jahr 2019 haben sich die Verhältnisse verändert: Die Wirtschaftskrise, eine erstarkte Opposition und eine Wahlschlappe bei den Kommunalwahlen Ende März bringen die Machtbasis des türkischen Präsidenten und der regierenden AKP zum Bröckeln. Das entstandene Machtvakuum hat auch Davutoglu erkannt, der seit Monaten die AKP nun doch heftig kritisiert. Letzten Freitag verkündete er mit drei anderen AKP-Abgeordneten in Ankara seinen Parteiaustritt. Die Partei habe sich zu sehr von ihren Grundprinzipien entfernt, lautete seine Hauptkritik. Auch politische Ambitionen meldete er an: Eine "neue politische Bewegung" wolle er auf den Weg bringen.

Die Wirtschaft schwächelt, viele Türken sind unzufriedenBild: DW/U.Danışman

Bereits vor der wichtigen Istanbul-Wahl im Juni, die Erdogans Kandidat Binali Yildirim krachend verlieren sollte, hatte er mit der Regierungspartei abgerechnet: Auf Facebook veröffentlichte er ein Manifest voller Kritik an Erdogans Politik - die Partei befinde sich in einer Schieflage, sie setzte zu viel auf Polarisierung und zu wenig auf Rechtsstaatlichkeit.

"Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen"

Der türkische Präsident ist alarmiert. Er fürchtet, dass eine Splitterpartei ihm wichtige Wählerstimmen aus dem konservativen Lager kosten könnte. Dementsprechend ungehalten reagierte er auf die Breitseite seines ehemaligen Weggefährten - mehrfach beschimpfte er Davutoglu als "Verräter". "Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen, wenn die Zeit gekommen ist", polterte Erdogan gegen Davutoglu, aber auch gegen andere "Abtrünnige".

Denn der Fall Davutoglu ist kein Einzelfall - viel mehr ist er ein Symbol für die Machterosion in der Basis der AKP. In den letzten Monaten haben hunderttausende Mitglieder die Partei verlassen. Darunter auch AKP-Schwergewichte, die sich seit Monaten ungewohnt kritisch über die AKP-Führung äußern.

Zwei die auch eigene Wege gehen: der frühere Wirtschaftsminister Babacan und Es-Präsident GülBild: picture-alliance/dpa

AKP-Großkaliber wenden sich von Erdogan ab

Da ist zum Beispiel der ehemalige Wirtschaftsminister und AKP-Gründungsmitglied Ali Babacan. Er hatte bereits im Juli die Partei verlassen. Auch Babacan will türkischen Medienberichten zufolge eine eigene Splitterpartei gründen. Genau wie Davutoglu findet er, dass sich die konservativ-islamische Partei zu sehr von ihren ursprünglichen Werten verabschiedet habe. 

Bei der Parteigründung wird Babacan von Ex-Präsident Abdullah Gül unterstützt, der bereits im Jahr 2007 aus der AKP ausgetreten ist. Gül positionierte sich bereits letztes Jahr gegen die Politik der Erdogan-Regierung. Er stand sogar kurz davor, gegen Erdogan bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2018 zu kandidieren. Doch dann ließ er sich von Erdogan und seiner damals grenzenlosen Macht einschüchtern: Der türkische Generalstabschef Hulusi Akar und Erdogans Sprecher landeten mit einem Helikopter im Garten seines Hauses, um ihm einen Überraschungsbesuch abzustatten. Einen Tag später verkündete Gül kleinlaut den Verzicht seiner Kandidatur, so berichtete damals die regierungsnahe Tageszeitung Habertürk.

Erdogan in seinem Machtzentrum, dem 2014 erbauten prachtvollen PräsidentenpalastBild: picture-alliance/Handout/Kayhan Ozer/Anadolu Agency

AKP nicht mehr alternativlos

Damals standen Erdogan und die regierende AKP im Zenit der Macht - bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen holte Erdogans AKP beeindruckte Wahlergebnisse, die den Weg in Richtung eines "Ein-Mann-Regimes" weiter zementiert haben. Doch nun hat sich das Blatt gewendet – für die türkische Bevölkerung ergeben sich liberale Alternativen zu Erdogans Alleinherrschaft.

Ob gerade Ahmet Davutoglu zu den Alternativen dazu gehört, darüber wird gerade in der türkischen Öffentlichkeit gestritten. Im Gegensatz zu den anderen großkalibrigen AKP-Rebellen Babacan und Gül ist er nur im nationalistischen Lager beliebt. Ihm wird vorgeworfen, dass er zu lange geschwiegen habe - sogar Mitverantwortung für die Aushöhlung der türkischen Demokratie wird ihm häufig zur Last gelegt. Es ginge ihm nur um die Begleichung alter Rechnungen und nicht um die Reformierung der AKP, heißt es von seinen Kritikern. Eine ähnliche Kritik trifft auch den ehemaligen Staatsminister Ali Babacan. Doch ihm traut man in der Türkei eher zu, dass er eine liberal-konservative Partei gründet, die an den Reformeifer der AKP in ihren ersten Regierungsjahren anknüpft.

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