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Die AfD hofft auf die Sommerpause

Kay-Alexander Scholz, Berlin10. Juli 2015

Nachdem Parteigründer Bernd Lucke entmachtet wurde und die Partei verlassen hat, ist die neue Führung um Schadensbegrenzung bemüht. Frauke Petry will Ruhe in die AfD bringen und Themen aus der medialen Schusslinie holen.

Alternative für Deutschland AfD Presskonferenz (Foto: Dpa)
AfD-Vorstandsmitglieder (v.l.): Alexander Gauland, Frauke Petry, Jörg Meuthen, Beatrix von Storch, Albrecht GlaserBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Der Austritt des Parteigründers Bernd Lucke hat der "Alternative für Deutschland" (AfD) nun doch einen erheblichen Schaden zugefügt. Zehn Prozent der Mitglieder sind weg. Aber, so ordnete die neue Partei-Chefin Frauke Petry sogleich ein, man hatte eigentlich 20 Prozent erwartet. Auch die Rücktritte einiger Funktionäre auf Landesebene seien nicht weiter schlimm, sagte Petry bei einer Pressekonferenz nach der ersten Sitzung des neuen Partei-Vorstands, den die Mitglieder auf dem Parteitag in Essen gewählt hatten.

Gefragt nach ihrer Themen-Agenda rückte Petry ausdrücklich zwei "alte" AfD-Themen aus der Gründungszeit in den Mittelpunkt. Zum einen ist das die Kritik an der Euro-Rettungspolitik. Jörg Meuthen, Petrys Co-Sprecher bis Ende des Jahres, kritisierte eine "Retteritis", also eine krankhafte Politik, und kündigte eine bundesweite Unterschriftenaktion an. Schließlich solle das Volk, das die Rechnung zu tragen habe, sich auch mal äußern können.

Als zweites Thema nannte Petry den "Trend zur Harmonisierung in der EU", der nicht "gut tue", weil damit "Freiheit, Wettbewerb und Verantwortung" auf der Strecke blieben. Die EU müsse reformiert werden, es gelte, wieder mehr Themen auf die nationale Entscheidungsebene zurückzuholen. Petry kündigte an, hier die Nähe politischer Parteien zum Beispiel in Großbritannien oder den Niederlanden zu suchen.

Gab sich gelassen angesichts der Mitglieder-Austritte nach ihrem Sieg in Essen: Vorstandssprecherin Frauke PetryBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

"Scharia und Grundgesetz parallel funktionieren nicht"

Es folgten die Themen Direkte Demokratie, Mittelstand und Familienpolitik. Auch das seien "alte Themen" der Partei, betonte Petry. Programmatisch bedeutete Essen also keinen Bruch, sondern eher ein Revival der Gründungsthemen. So die erhoffte Message. Auch den häufig beschriebenen Rechtsruck will Petry nicht sehen. "Woran wollen Sie das festmachen?", fragte sie die Journalisten. Beim Streit mit Lucke sei es am Ende vielmehr um Personen gegangen. Lucke hatte nach seiner Abwahl dagegen vor einer neuen Partei am rechten Rand gewarnt.

Ganz am Ende nannte die 40-Jährige dann doch die Einwanderungspolitik. Viele Fragen der Journalisten drehten sich dann gerade um dieses von Petry hinten angestellte Thema. Ist die AfD islamfeindlich? Man freue sich über jeden Muslim, der integriert ist, so Petry. Aber der politische Islam, beziehungsweise Islamismus, sei nun einmal mit dem hiesigen Staatsverständnis nicht vereinbar. "Scharia und Grundgesetz parallel funktionieren nicht." Die AfD sei auch nicht die Heimat für Extreme, so Petry. NPD-Mitglieder würden nicht aufgenommen. Auch sei sie keine Marine le Pen - dies sei eine "unsinnige Zuschreibung".

Wahrscheinlich: Lucke bleibt im EU-Parlament

Parallel zum Auftritt des neuen Parteivorstands auf einem windigen Berliner Büro-Dach gab Parteigründer Bernd Lucke in Brüssel den schon angekündigten Austritt aus der AfD bekannt. In der Bundesgeschäftsstelle zeigte mancher sich recht erleichtert: die Arbeit unter Lucke sei alles andere als einfach gewesen.

Will auf sein Europa-Mandat nicht verzichten: der ausgetretene Parteigründer Bernd LuckeBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Und was wird nun aus der AfD im Europa-Parlament? Lucke will sein Mandat wohl nicht aufgeben. Und er ist nicht der einzige. Fünf von sieben AfD-Abgeordneten sind aus der AfD ausgetreten, aber auf den Platz in Brüssel will bisher keiner verzichten. Petry kritisierte das als "Betrug um AfD-Mandate", es überrasche sie aber nicht. Beatrix von Storch, Vorstandsmitglied und eine der übrig gebliebenen AfD-Europa-Abgeordneten, sagte, es gebe für die AfD keine Veränderungen in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im EU-Parlament.

Und was wird mit Pegida?

Die Abgrenzung zur offen islamfeindlichen Pegida-Bewegung machte Petry organisatorisch fest: Die AfD werde nie der verlängerte Arm dieser Organisationseinheiten sein und sei es nie gewesen. Die inhaltliche Abgrenzung aber sieht Petry weniger scharf. Die "Anliegen der Bürger auf der Straße" müssten wahrgenommen werden.

Petry: Besser vor dem Rathaus demonstrieren als vor Asylbewerberheimen, wie hier in FreitalBild: picture-alliance/dpa/O.Killing

Auch die Abgrenzung zu neuen Demonstrationen gegen ein Asylbewerberheim in der sächsischen Provinz nahm Petry eher differenziert vor: Dass Menschen auf der Straße demonstrieren, sei ihr gutes Recht. Aber sie sollten das nicht vor dem Heim, sondern eher vor dem Rathaus oder dem Innenministerium tun.

Vieles noch offen

Auch wenn Petry darauf hofft, dass mit der Sommerpause so mancher interner Streit und so manche Kritik verblassen könnten, sind die Aufreger-Themen mitnichten vom Tisch. Die AfD ist gerade dabei, sich ein Grundsatzprogramm zu geben. Entsprechende Arbeitsgruppen sind eingesetzt. Dort werden sicherlich auch wieder Rufe nach "Systemkritik" und "Anti-Establishment-Politik" zu hören sein, so wie sie in Essen laut geäußert wurden. Ein anderer Hinweis: Petry gab bei der Pressekonferenz zu verstehen, dass die AfD sich - anders als unter dem autoritären Kurs Luckes - ihre programmatische Breite bewahren möchte. Das lässt viel Spielraum.

Und wie viele Mitglieder Lucke letztendlich folgen werden, ist auch noch nicht abzusehen. Mit Interesse werden viele zudem auf die kommenden Umfragewerte blicken. Denn wie die jüngsten Ereignisse beim Wähler angekommen sind, dazu liegen noch keine aktuellen Zahlen vor.

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