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Politik

Die AfD und die Instrumentalisierung des Ostens

Kay-Alexander Scholz
18. April 2018

Angela Merkel trifft sich publikumswirksam mit den Ministerpräsidenten aus dem Osten. Denn die Unterschiede zwischen Ost und West sind wieder Thema. Besetzt wird es allerdings vor allem von der AfD.

Deutschland Brandenburger-Tor 1990
Bild: imago/R. Zöllner

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist der Hauptvertreter des radikalen Flügels in der AfD. Er hat eine Macht-Brücke quer über ganz Ostdeutschland aufgebaut. Höcke hat mit dafür gesorgt, dass Ost-Deutschland in der deutschen Öffentlichkeit mit der AfD assoziiert wird. Doch seine Profilierung als "Stimme des Ostens" hat Brüche.

Ex-AfD-Chefin Frauke Petry sieht ihre alte Partei auf RadikalisierungskursBild: Imago/Future Image

"Höcke macht sich die Unzufriedenheit der Bürger im Osten zunutze, ohne eigene Vorschläge zu liefern, bleibt aber damit eine diffuse Projektionsfläche vielfältiger Bürgerwünsche", sagte die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry der DW. Er präsentiere sich zwar gern als "Stimme des Ostens", so Petry weiter, stamme jedoch selbst aus dem Westen. 28 Jahre nach der Wiedervereinigung sollte ein West-Politiker im Osten an sich kein Problem sein. Doch - nicht ganz uneigennützig - argumentiert Petry, dass Höcke die Ost-Deutschen instrumentalisiere.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Das Thema Ost und West ist wieder in den Debatten in Deutschland angekommen. Ostdeutsche Intellektuelle haben einen Aufruf gestartet, der sich gegen die Einwanderungspolitik der Regierung unter Angela Merkel wendet. Sie beklagen einen angeblichen Verlust von Meinungsfreiheit, die sie bei der Revolution 1989 erkämpft haben. Publizisten warnen vor einem Gegeneinander-Ausspielen zwischen Ost- und Westdeutschen. Nachdem der Verleger und Vordenker der AfD Götz Kubitschek öffentlich gefordert hatte, den "Riss" zwischen Ost und West "noch größer zu machen". Politiker und Wissenschaftler zeigen sich besorgt, weil viele Posten im Osten noch immer von West-Deutschen besetzt sind; selbst in manchen AfD-Landesverbänden im Osten sind West-Politiker auffällig häufig vertreten.

Verleger Götz Kubitschek, hier vor seinem Wohnhaus, einem 700 Jahre alten Rittergut in ThüringenBild: picture-alliance/dpa/G. Ismar

Wenn Petry - früher selbst AfD-Vorsitzende - vor ihren ehemaligen Parteikollegen warnt, dann hat auch sie die Gedanken des geistigen Vaters ihrer früheren Partei im Blick. Sie hält Kubitschek für "brandgefährlich". Zentrale Persönlichkeiten der AfD, wie Höcke würden von Kubitscheks Gedankengut geleitet, der "offen mit geistigen Nachfahren Mussolinis sympathisiert", also dem ehemaligen italienischen faschistischen Diktator - so Petry.

Wie aus Wut Nationalismus wird

Björn Höcke, Kopf des radikalen Flügels in der AfDBild: picture-alliance/Arifoto Ug/Candy Welz

Wie die Instrumentalisierung der Ostdeutschen aussieht, zeigen etwa Äußerungen von Höcke über seine Wahlheimat. Der ehemalige Lehrer aus dem Westen sei gern im Osten, weil - so sinngemäß - in dortigen Klassenzimmern noch Ordnung und Disziplin herrschen würden. Das deckt sich mit dem, was man bei vielen AfD-Politikern heraushört - dass man sich für die "besseren Deutschen" hält.

Die an der Universität Zürich arbeitende Literaturwissenschaftlerin Sylvia Sasse vermutet noch eine andere Absicht. Im Blog "Geschichte der Gegenwart" schreibt sie über die "Zombie-Republik DDR": Die innerdeutschen Ressentiments lieferten eine gute Wutvorlage für rechtsnationale Argumentation, meint die Forscherin. Heißt: Die Wut der Ostdeutschen über Massenarbeitslosigkeit nach der Wende, über die wahrgenommene Arroganz der westdeutschen Eliten, über noch immer nicht einheitliche Löhne und Renten wird umgeleitet - auf Flüchtlinge, Migranten, Ausländer.

Sasse sagt, die Ostdeutschen seien "durch die gesamtdeutsche Willkommenskultur quasi ein zweites Mal abgewertet" worden, diesmal aber gut ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung. Durch eine Abwertungsspirale gerieten nun die Zugezogenen in den Blick, die "bei der Güterverteilung privilegiert wurden". Aus "Wir gegen die Anderen", wird so "Wir Deutsche gegen Ausländer".

Der Trick der AfD

Die ostdeutsche Identität werde romantisiert, hieß es schon in einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2016 über "Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland", auf die sich auch Sassen bezieht. Doch unter dem Schleier der Romantik verbergen sich harte Erfahrungen. Sasse erklärt sich den doppelt so hohen AfD-Erfolg im Osten auch mit der Sozialisation in einer Diktatur. Die Wut sei im Grunde eine neue Folgsamkeit und Unterwerfung, nun nicht mehr unter die DDR, sondern unter die Parolen der AfD. Der Trick der AfD dabei: Sie habe die Folgsamkeit sexy gemacht habe. Nämlich als ein vermeintliches Ausbrechen aus dem Mainstream, der vom Westen geprägt werde. So schließt sich der Kreis.

Vielleicht stecken diese Gedanken auch hinter Merkels Abneigung bei der Besetzung ihres neuen Kabinetts, einer Ost-Quote zu folgen, was zu viel Kritik aus dem Osten führte. Da die Hoheit über das Ost-West-Thema aktuell von einer anderen Partei, der AfD, beansprucht wird. So könnte es aus ihrer Sicht politisch klüger sein, Pauschalisierungen zu vermeiden und so lieber kein Öl ins Feuer zu gießen.

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