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Die anderen Minderheiten in Xinjiang

5. Juli 2010

Xinjiang ist eine Vielvölkerprovinz. Anders als die Uiguren, die nach Unabhängigkeit streben, haben sich andere Minoritäten wie etwa die Hui oder die Kasachen mit der chinesischen Dominanz weitgehend abgefunden.

Die chinesische Kultur dominiert - die anderen müssen sich ihre Nische suchenBild: AP

Direkt in der Nähe des Großbasars von Döng Köwrük steht ein Tempel. Reich verziert mit den klassischen chinesischen Ornamenten und den geschwungenen Dächern erwartet man ein solches Bauwerk eher am Rande von Pekings Kaiserpalast – und nicht im Herzen der uigurisch geprägten Altstadt von Urumqi. Doch weder hat die chinesische Zentralregierung dieses Gebäude zu Propagandazwecken hier hin gesetzt – die Anlage steht dort bereits seit 200 Jahren – noch ist es den Uiguren ein Dorn im Auge. Ein genauer Blick erklärt auch, warum: Auf der Dachspitze thront ein Halbmond. Bei der Anlage handelt es sich um eine Moschee der Hui-Minorität.

Der Konflikt zwischen Uiguren und Han-Chinesen betrifft nicht alle Bewohner von XinjiangBild: DW

Viele Völker leben in Xinjiang

Geht es um Xinjiang, ist viel vom ethnisch-kulturellen Dauerkonflikt zwischen Uiguren und Han-Chinesen die Rede. Dabei geht unter, dass es in der Vielvölkerprovinz im Nordwesten Chinas eine Reihe von weiteren ethnischen Minderheiten gibt: Kasachen, Hui, Mongolen, Kirgisen – um nur die größten der insgesamt 47 Minderheiten zu nennen. Sie leben zum Teil seit vielen Jahrhunderten hier. Und anders als der Großteil der Uiguren scheinen diese Minoritäten sich mit der chinesischen Herrschaft weitgehend abgefunden zu haben.

Halbmond auf chinesischem Tempel. Eine Moschee der Hui in UrumquiBild: DW

Mittler zwischen Han und Uiguren

Vor allem die Hui: Sie bilden nach den Uiguren die zweitgrößte Minorität in Xinjiang. Angehörige der Hui gibt es in ganz China, aber nirgendwo so viele wie in den Nordwest-Provinzen Gansu, Qinghai und mit über einer Million eben auch in Xinjiang. Sie haben sich im Laufe der Jahrhunderte den Chinesen angepasst haben. Über eine eigene Sprache verfügen sie nicht mehr. Als "Chinesen muslimischen Glaubens" bezeichnen sie sich und sehen sich gerade in den vergangenen Jahren als Mittler zwischen den Han-Chinesen und den Uiguren.

"Du bist Han-Chinese, ich bin Hui-Chinese – diese Trennung gibt es für mich nicht", sagt der 70-jährige Ma Jianguo. Er ist Hui und arbeitet in einer der vielen Hui-Moscheen in Urumqi. Mit Han-Chinesen verbinde ihn Sprache und Herkunft. "Kulturell und historisch sind wir eng miteinander verflochten", so Ma. So lange er seinen muslimischen Glauben ausleben könne, sehe er auch keinen Anlass, gegen die Regierung zu sein. Mit den Uiguren wiederum verbindet ihn, dass sie fünf Mal am Tag zum gemeinsamen Gebet kommen, einmal die Woche natürlich auch zum Freitagsgebet. Für Ma gilt die Maxime: "Bin ich nett zu ihm, ist er auch nett zu mir." Das sei unter Hui genauso üblich wie unter Uiguren oder Han-Chinesen.

Die Uiguren kämpfen um ihre Sprache, während andere sich mit dem Chinesischen arrangierenBild: DW

Hochchinesisch ist selbstverständlich

Etwas anders, aber in den vergangenen Jahren ebenfalls konfliktarm, verhalten sich die chinesischen Kasachen, von denen es vor allem im Norden Xinjiangs mehrere Zehntausend gibt. Sie gelten im Han-chinesisch dominierten Gesellschaftsleben als sehr gut integriert, weil die meisten von ihnen sowohl sehr gut Han-Chinesisch beherrschen als auch Uigurisch, was dem Kasachischen sehr ähnlich ist. Ob es an den guten Sprachkenntnissen liegt, dass auch die Arbeitslosigkeit unter Kasachen niedriger ist als bei den Uiguren?

"Natürlich finden sich zwischen Kasachen und Han-Chinesen auch große Unterschiede", erzählt die 24-jährige Alwina in akzentfreiem Han-Chinesisch. Und nicht bei allen Themen komme man auf einen grünen Zweig – etwa was die Einstellung zum Glauben betreffe. So wie Uiguren sind auch die meisten Kasachen in Xinjiang Muslime. Aber die meisten ihrer kasachischen Freunde würden wissen, so Alwina, dass eine gemeinsame Sprache viele Missverständnisse ausräume. Und da die Han-Chinesen die große Mehrheit bilden, ist es für sie selbstverständlich, dass sie hochchinesisch lernt. Ihre Eltern haben sie von Anfang an auf eine Schule geschickt, auf der nur Han-chinesisch gesprochen wird, erzählt sie. Das würden viele kasachische Eltern tun.

Auf das uigurische Streben nach Unabhängigkeit reagieren die Chinesen mit Druck und Gewalt - wie vor einem Jahr in UrumqiBild: AP

Eigene Kultur: Ja; Unabhängigkeit: Nein

Dass Kasachen und etwa auch Mongolen in Xinjiang sich eher mit der Han-chinesischen Dominanz abgefunden haben als Uiguren, dürfte vor allem einen Grund haben: Kasachen und Mongolen können sich an eigenen Staaten orientieren, mit denen sie seit der zunehmenden Öffnung auch einen regen Austausch pflegen. Uiguren haben diese Möglichkeit nicht. Sie sehen ihr Kernland in Xinjiang.
Peking wiederum fördert zwar im Prinzip den kulturellen Fortbestand der ethnischen Minoritäten. Es gibt für sie eigene Schulen, Radio- und Fernsehstationen – alles unter staatlicher Kontrolle, versteht sich. Wenn eine dieser Gruppen aber nach Unabhängigkeit strebt, dann greift der Staat durch, rigoros und kompromisslos.

Autor: He Zhiyong
Redaktion: Nicola Reyk