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Politik

Kurdengebiete: Zwischen Angst und Freude

Felat Bozarslan | Daniel Derya Bellut
4. April 2019

Im Südosten der Türkei hat die HDP bei den Kommunalwahlen gute Ergebnisse erzielt. Die Freude der HDP-Wähler hält sich aber in Grenzen: Die AKP-Regierung könnte ihre Gemeinden wieder unter Zwangsverwaltung stellen.

Türkei Kommunalwahl 2019 | HDP-Partei in Diyarbakir | Parteisitz
Bild: DW/F. Bozarslan

"Dass wir die Kommunalwahlen gewonnen haben, ist sehr erfreulich. Jetzt muss endlich der Volkswille akzeptiert werden. Nur unsere eigene Stadtverwaltung kann unsere Geschicke leiten", sagt eine junge Frau der DW. Zwei ältere Damen mit Kopftuch schalten sich ein. "Warum soll denn jetzt wieder eine Zwangsverwaltung kommen? Was haben die hier verloren? Das akzeptieren wird nicht. Die Gewinner der Wahlen möge Gott beschützen." Auf den Straßen von Diyabakir, der zweitgrößte Stadt Südostanatoliens, hört man aber auch oft: Was bringt ein demokratisch legitimierter Bürgermeister, wenn sowieso Zwangsverwalter der AKP-Regierung aus Ankara kommen werden?

"Geschichtsträchtiges Ergebnis": Feleknas UcaBild: DW/F. Bozarslan

Bei den Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende ging Diyabakir mit knapp 63 Prozent klar an die prokurdische HDP. Das Wahlergebnis sei geschichtsträchtig, so die HDP-Abgeordnete Feleknas Uca. "Das Ergebnis ist die Antwort des Volkes auf Vernichtung, Verleugnung und Fremdbestimmung" (durch die Regierung Erdogan - d. Red.), sagte sie der DW. Zwar verlor die HDP im Westen des Landes einige Gemeinden. Doch die stark umkämpften Metropolregionen Diyabakir, Van und Mardin konnte die HDP für sich entscheiden. Insgesamt 48 Gemeinden konnte sie von der AKP zurückerobern.

Kater-Stimmung in Diyabakir

Doch die Hoffnung auf echte Selbstbestimmung ist in den kurdischen Städten nicht besonders groß. 2016 setzte die türkische Regierung die Bürgermeisterin von Diyabakir, Gültan Kisanak, ab, verurteilte sie zu 14 Jahren Haft und schickte einen Zwangsverwalter in die Stadt; in 96 weiteren kurdischen Städten wurden Bürgermeister und Gemeindevorstände durch Zwangsverwalter mit AKP-Parteibuch ersetzt. Die türkische Regierung beschuldigt die HDP-Bürgermeister, mit der kurdischen Terrororganisation PKK zu kooperieren; 40 von ihnen sitzen bis heute in Untersuchungshaft. Ausschlaggebend war auch, dass PKK-Milizen im Sommer 2015 mehrere Städte besetzten und zu autonomen Zonen erklärten - dadurch sah sich die türkische Regierung zum Handeln gezwungen.

Schlechte Zukunftsaussichten

Präsident Erdogan deutete bereits an, dass die Zwangsverwalter ihre Arbeit fortsetzen werden. "Sollte die Unterstützung für Terroristen weitergehen, werden wir wieder Zwangsverwalter einsetzen", sagte er wiederholt bei seinen Wahlkampfaufritten. 

Konflikte zwischen PKK-Milizen und der türkischen Regierung: Die Altstadt von Diyarbakir wurde teilweise zerstörtBild: Murat Bayram

Viele Politiker der HDP beschwerten sich während des Wahlkampfes darüber, dass man der HDP und den anderen Oppositionsparteien kaum Sendezeit in Radio und Fernsehen einräumte. Zudem baute Erdogan eine Droh-Kulisse auf. "Unsere Unterstützer werden bedroht. Polizisten filmen die Menschen, die zu uns auf die Plätze kommen, registrieren ihre Namen. Wir sind Druck, Gewalt und Einmischung ausgesetzt", klagte das HDP-Vorstandsmitglied Sezai Temelli im Vorfeld der Kommunalwahlen.

Ob nun der demokratisch gewählte HDP-Bürgermeister oder ein Zwangsverwalter aus Ankara: Die heimliche Hauptstadt der Kurden benötigt eine effektive Stadtverwaltung. Denn kaum eine türkische Metropole ist so sehr von der Wirtschaftskrise gebeutelt wie Diyabakir. Und: Kaum eine türkische Stadt muss sich um mehr Flüchtlinge kümmern, die über die nahe gelegene Grenze zu Syrien in die Türkei geflohen sind.

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