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Glaube

"Die Anzahl der Kirchenaustritte schmerzt"

20. Juli 2018

Die Zahl der Deutschen, die Mitglied in der evangelischen oder katholischen Kirche sind, ging auch 2017 weiter zurück. Experten kennen dafür neben dem demographischen Wandel noch weitere Gründe.

Deutschland Gottesdienst beim Rogate-Frauentreffen in Sachsen
Bild: picture alliance/dpa/ZB/R. Oettel

Die zwei großen christlichen Kirchen in Deutschland schrumpfen langsam, aber sie schrumpfen weiter. Am Freitag veröffentlichten die katholische und die evangelische Kirche ihre Mitgliederzahlen für 2017. Für beide Konfessionen gilt: Die Zahl der Mitglieder wird geringer.

Die Anzahl der Katholiken in Deutschland ging von rund 23,6 Millionen 2016 auf rund 23,3 Millionen 2017 zurück. Die Anzahl der Protestanten sank von rund 21,9 Millionen 2016 auf rund 21,5 Millionen 2017. Die jüngsten Zahlen sind Teil eines lang anhaltenden Trends, der seit der Wiedervereinigung in Deutschland in die gleiche Richtung zeigt: Nach unten.

Hauptursache für den Mitgliederschwund ist der demographische Wandel und die Überalterung der Mitglieder. Sowohl bei den Katholiken als auch bei den Protestanten sterben jedes Jahr mehr Mitglieder, als neue nachkommen. So verstarben im vergangenen Jahr in der evangelischen Kirche 390.000 Mitglieder, aber nur etwa 180.000 Menschen wurden durch die Taufe in die Kirchengemeinschaft aufgenommen. 

Ein Grund für die Altersstruktur besteht in der Schwierigkeit, jüngere Leute einzubinden. "Viele jüngere Menschen kommen kaum mit dem kirchlichen Leben in Berührung, weil sie nicht mehr christlich sozialisiert und erzogen werden", sagt Olaf Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster Religion und Politik an der Universität Münster. "Das führt dann dazu, dass sie dann auch später nicht den Weg in die Kirchen finden."

Fremde Riten

Fast die Hälfte der Deutschen, knapp 43 Prozent, bezeichnet sich laut Kirchenstatistik als Atheist oder gibt eine andere Konfession als katholisch oder evangelisch an. Dass die Anzahl dieser Menschen wächst, liege nicht nur daran, dass weniger junge Menschen Mitglied in einer der Kirchen würden und die ältere Gemeindeglieder verstürben. Auch Austritte sind ein weiteres Problem für beide Konfessionen.

"Die Anzahl der Kirchenaustritte schmerzt", kommentiert der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, die jüngsten Mitgliederzahlen, die Freitag veröffentlicht wurden. "Wir wollen verstehen, warum Menschen in der Kirche keinen Ort für ihre Lebensorientierung und ihren Glauben finden."

Die Erklärung von Religionsforscher Olaf Müller lautet, dass die Mehrheit der Menschen, die bewusst aus der Kirche austreten, nicht konkret unzufrieden mit ihrer Kirche oder ihrem Pastor vor Ort seien. Stattdessen hätten Untersuchungen ergeben, dass viele mit den kirchlichen Ritualen und Lehren schlicht nichts mehr anfangen könnten.

Polen als Gegenbeispiel

Ein dritter Punkt, den Experten für den Rückgang bei den Kirchenmitgliedern verantwortlich machen, sind gesellschaftliche Entwicklungen, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen westlichen Ländern das Leben verändern.

"Dazu gehören Individualisierung und steigender Wohlstand, der damit einhergeht, dass die Menschen Religion nicht mehr so brauchen", erklärt Müller. Außerdem hätten die Menschen heute mehr Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten als noch vor ein paar Generationen. Der Gottesdienst sei nicht mehr das einzige Forum, um seine Freunde zu treffen.

In der polnischen Stadt Swiebodzin steht die mit 32 Metern höchste Christus-Statue der WeltBild: picture alliance/ZB/K. Schindler

Allerdings gibt es Ausnahmen, die dem Trend widersprechen. "Dort, wo Religion und Kirche stark die nationale Identität prägen", sind auch mehr Menschen Kirchenmitglieder", erklärt Müller, und nennt Polen als Beispiel.

Wichtiger Teil der Zivilgesellschaft

Aber auch in Deutschland gibt es gute Nachrichten für die evangelische und katholische Kirche. "Von Kirchenfeindlichkeit kann keine Rede sein. "Auch wenn sie nicht in de Gottesdienst gehen - die Menschen schätzen die Kirchen durchaus, unter anderem als wichtige Akteure im sozialen Bereich", sagt Müller.

Die soziale Bedeutung betont auch die evangelische Kirche in ihrem Statement zu den aktuellen Mitgliederzahlen. Dort heißt es, dass die Zahl der Kindertageseinrichtungen in der evangelischen Kirche zwischen 2011 und 2017 von 8495 auf 8800 Einrichtungen gestiegen ist.

Die Anzahl der Plätze für Kinder in evangelischen Einrichtungen nahm in diesem Zeitraum um 42.918 Plätze, oder fast acht Prozent, zu. In ihren Kindertagesstätten und Horten bieten evangelische Kirche und Diakonie mehr als eine halbe Million Plätze an. Zumindest für die ganz Kleinen ist die Kirche also durchaus noch wichtig.

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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