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Die Banken und der Ketchup-Effekt

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
28. Juni 2021

Wie sind die Banken für die Zeit nach Corona aufgestellt? Digitalisierung und die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft sind zentrale Fragen.

Deutschland Frankfurt am Main | Skyline
Frankfurt: Blick über den Main auf das BankenviertelBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Der Ketchup-Effekt dürfte den meisten Menschen aus Kindertagen bekannt sein: Die Soße steckt in der Flasche fest; nach Schütteln und Klopfen findet man das Essen dann ertränkt in einem roten See auf dem Tellergrund. Ein ähnliches Risiko sehen manche Beobachter in der Geldflut der Europäischen Zentralbank als Reaktion auf die Coronakrise "Welche Nebenwirkungen hat das viele billige Geld, kommt vielleicht die Inflation zurück?" Dies war nur eine der Fragen, die Moderatoren und Redner sich auf einem Bankenkongress am Montag in Frankfurt am Main gestellt haben.

Eine standesgemäß diplomatische Antwort kam vom Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann. "Aufgrund der immer noch bestehenden Unsicherheit können wir den Ausstieg aus dem geldpolitischen Krisenmodus nicht weit im Voraus festlegen", sagte er beim European Finance Summit.

Jens Weidmann, Chef der BundesbankBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Das Billionen-Euro-Hilfspaket

Der "geldpolitische Krisenmodus" - der auf wuchtige 1,85 Billionen Euro ausgelegt ist - trägt das Kürzel PEPP. Es handelt sich um das groß angelegte Aufkaufprogramm für Staatsanleihen aus dem Euroraum, mit dem die Notenbank für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen will. Während sich die meisten Beobachter einig sind, dass die Notfallmaßnahme zusammen mit staatlichen Finanzhilfen für Wirtschaft und Unternehmen in der Krise geholfen hat, die ökonomischen Auswirkungen abzumildern, sehen manche nun allerdings die Gefahr der anziehenden Inflation als Problem.

"Viele Menschen sorgen sich, dass mit der wirtschaftlichen Erholung die Inflation zurückkehren könnte. Diese Sorgen nehme ich sehr ernst", sagte Weidmann.

Doch sollten die Inflationsgefahren auch nicht überzeichnet werden, weil es sich nach Ansicht der Notenbank und auch der meisten Ökonomen um ein temporäres Phänomen handele. Etwa, weil sich die Energiepreise nach Tiefständen im vergangenen Jahr wieder auf Vorkrisenniveau hochgeschraubt haben - was sich in den Inflationsdaten niederschlägt.

Jedenfalls kann sich Weidmann auch ein schrittweises Auslaufen des billionenschweren Notprogramms vorstellen. Daraus ergebe sich dann, ob der Gesamtumfang des PEPP letztlich voll ausgeschöpft wird. "Umso wichtiger ist es, dass wir darüber sprechen, unter welchen Bedingungen die Notsituation aus Sicht der Geldpolitik beendet ist."

Bankenchefs hassen Niedrigzins

Die niedrigen Zinsen jedenfalls machen schon seit längerem auch den Banken im Euroraum zu schaffen. Darauf wies Deutsche Bank-Chef Christian Sewing hin. Dies, aber auch Milliardenzahlungen in den Banken-Abwicklungsfonds brächten europäische Banken etwa in Konkurrenz zu den US-Instituten ins Hintertreffen.

So gebe es in den USA beispielsweise keinen Absicherungsfonds für Banken wie in Europa. Mehr als zehn Milliarden Euro an Beiträgen müssten die europäischen Banken für Zahlungen in den Fonds in diesem Jahr aufbringen - nach Sewings Worten eine Steigerung von 60 Prozent gegenüber 2016, als der Fonds gegründet wurde. "Das liegt aber nicht daran, dass die Risiken im europäischen Bankensystem gestiegen wären - sondern in erster Linie daran, dass die lockere Geldpolitik die Bilanzen immer weiter aufbläht", erläuterte Sewing.

Christian Sewing, Chef der Deutschen BankBild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Neben den Folgen der Krise müssen Unternehmen und Banken sich auch für die zentralen Zukunftsthemen fit machen - etwa Digitalisierung, vor allem aber Nachhaltigkeit. "Wer als Bank nachhaltiges Business weiterhin nur als Trend oder Mode sieht, ist von gestern", so Sewings Schlussfolgerung.

Die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft ist ein Kraftakt, bei dem Banken als Kreditgeber zwar eine der Schlüsselrollen spielen. Allerdings werde dafür auch ein breiter aufgestellter Kapitalmarkt über die jeweiligen Ländergrenzen hinaus nötig sein.

Mehr Europa - weniger Regulierung

Deswegen forderten mehrere Vertreter der Banken- und Finanzbranche, die Europäische Kapitalmarktunion stärker und schneller voran zu treiben. Das Projekt eines europäischen Kapitalmarktes soll bürokratische Hürden in Europa abbauen, um so den Kapitalfluss zu erleichtern. Unternehmen könnten sich auf diesem vereinheitlichten Markt leichter Kredite beschaffen, Anleger ihre Gelder grenzüberschreitend leichter anlegen.

Probleme in der Koordination Europas sieht auch Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies angesichts der Tatsache, dass es nach der Entscheidung für den europäischen Krisen-Hilfsfonds rund ein Jahr gebraucht hat, bis die Gelder nun schließlich fließen können. "Europa muss wesentlich stärker zu qualifizierten Mehrheiten gehen, weil wir immer wieder sehen, dass Einstimmigkeit Erpressungspotenzial bedeutet. Man kann einfach Ungarn und Polen, wenn sie in der Rechtsstaatspolitik nicht mitziehen wollen, nicht die Möglichkeit geben, den fiskalpolitischen Fortschritt in Europa aufzuhalten."

Jens Kukies, Staatssekretär im BundesfinanzministeriumBild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Christian Sewing schließlich sieht in Europa aktuell auch eine insgesamt zu strenge Regulierung. "Wir sind an einem Punkt in Europa, wo wir den Bogen überspannen." Zwar sei es nach der Kapitalmarktkrise vor über einem Jahrzehnt richtig gewesen, die Kapitalanforderungen für Banken zur Sicherheit nach oben zu schrauben.

"Aber wenn wir uns langsam aber sicher immer weiter von anderen entfernen, führt das zur Verunsicherung. Da müssen wir aufpassen, dass wir wirklich wettbewerbsfähig sind", so Sewing in Frankfurt. Hier spricht offenbar nicht mehr nur der Chef des Branchenprimus. Denn in dieser Woche wird Sewing auch das Amt des Präsidenten des Privatbankenverbandes BdB übernehmen.

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