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'Professionelle Propaganda'

28. Januar 2007

Alexander Jenniches ist im Libanon als Korrespondent tätig. Im Gespräch erzählt er, wie es ist, als Journalist aus einem Krisengebiet zu berichten und gibt Einschätzungen zur aktuellen Entwicklung der Berichterstattung.

Seit 2004 berichtet der Korrespondent Alexander Jenniches aus dem Libanon

DW-World: Herr Jenniches, wie sieht Ihre Tätigkeit als Korrespondent im Libanon normalerweise aus?

Alexander Jenniches: Eigentlich wie der normale Alltag eines Journalisten. Man fährt rum und schaut sich das an, was so passiert auf den Straßen, man geht zu Pressekonferenzen – mal hat man mehr zu tun und mal weniger. Leider ist der Nachrichtenjournalismus heute sehr schlaglichtartig; kleine Dinge, die zwischen den Zeilen passieren, werden kaum mehr wahrgenommen.

Im Sommer 2006 eskalierte der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon. Wie war das für Sie, plötzlich als Korrespondent mitten aus einem Krieg berichten zu müssen?

In dem Teil des Libanons, in dem ich wohne, ein Stück nördlich von Beirut, ist keine Bombe heruntergekommen. Der richtige Krieg hat ja im Süden stattgefunden und da war ich nur ein paar Mal kurz, aber das war schon ziemlich gefährlich. Das Arbeitsfeld des Kriegsberichterstatters und Korrespondenten, der aus Krisenregionen berichtet, hat sich grundlegend geändert. In den 70er, 80er Jahren waren Journalisten ebenso wie Hilfsorganisationen "untouchable". Heute sind sie kein Hinderungsgrund mehr, feindliche Ziele anzugreifen – das sind dann die sogenannten Kollateralschäden.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie solche Ereignisse hautnah miterleben müssen?

Der Job des Kriegsberichterstatters bringt natürlich auch immer einen gewissen Thrill mit, man muss aber wissen, wo die Grenze ist. Wenn man hört, die Bomber kommen, dann haut man am besten gleich ab. Allerdings haben es insbesondere Kameramänner und Fotografen weitaus schwieriger als übrige Journalisten, weil sie eben vor Ort sein müssen, um Bilder einzufangen. Ein schreibender oder sprechender Reporter kann schon mal aus der sicheren Entfernung beobachten. Der Konkurrenzdruck zwischen den Bildberichterstattern - zumal wenn sie freie Journalisten sind - ist gewaltig, so dass mancher hohe Risiken für eine gute Aufnahme eingeht.

Bei Kriegen und Konflikten ist ja auch immer die Gefahr gegeben, dass von den einzelnen Seiten versucht wird, Propaganda zu betreiben. Was haben Sie für Erfahrungen damit gesammelt?

Die Propaganda ist professioneller geworden. Es stecken heute ganze Werbeagenturen dahinter. Nachrichtensender und Zeitungen werden im Libanon oft von einer Partei unterstützt oder gehören sogar einer. Man muss sich also gut mit der Szene auskennen, um das abschätzen zu können. Wenn man jetzt ein Team hat, wie beispielsweise die BBC, die mit 30 bis 40 Leuten hier war, ist das natürlich eine ganz andere Kategorie. Die checken sämtliche Nachrichtenquellen, die sie finden können. Als Einzelner hingegen muss man sich auf Augenzeugen verlassen, Hintergrundwissen haben und ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung betreiben. Gute Quellen sind im Krieg einfach schwer zu finden.

In den letzten Jahren hat es ja eine neue Bewegung im Internet in der Form von Blogs gegeben, die direkt aus den Krisengebieten berichten.

Ich bin Blogs gegenüber relativ kritisch. Sie haben ihren Platz, aber werden immer mehr von den Mainstream-Medien übernommen. Wenn man als einzelner Blogger nicht gerade die Super-Meldung hat, kann man kaum noch in Erscheinung treten. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass man da auch ein paar kleine Schätzchen finden kann, die wirklich gut sind. Da muss man aber schon sehr danach graben.

Wie beurteilen Sie allgemein die derzeitige Berichterstattung über den Libanon in den Medien?

Die deutschen Medien haben besonders in der Auslandsberichtserstattung stark an Qualität verloren. Das zeigt sich gut am Libanon, das zeigt sich auch allgemein am Nahen Osten. Deutsche Auslandskorrespondenten sind oft nur noch freie Mitarbeiter bei mehreren Publikationen. Ich habe das eben ja schon angesprochen: CNN hat bei dem Konflikt 2006 von Anfang an mit 20 Leuten hier gearbeitet, die BBC mit 30. Die deutschen Medien hingegen sind erst nach fünf Tagen hier aufgetaucht.

Wirklich gut gemachte Dokumentationen laufen wenn überhaupt nur noch nachts um viertel nach zwölf in den dritten Programmen – mein Gott, da schaut doch kein Mensch mehr zu. Ein Medium ist nur so gut wie seine Leute vor Ort und wenn man sich entschieden hat, sich Leute vor Ort zu halten, dann kann man auch auf deren Urteil bauen. Wenn man hingegen nur noch einen Instant-Journalismus nach dem Motto "Oh, da ist ein Krieg – schnell hin" betreibt, dann ist eben auch die Berichterstattung nur instant.

Das Interview führte Florian Surek, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt

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