Mehr als Roter Teppich und Goldener Bär: Die Berliner Filmfestspiele präsentieren sich in der Fotoausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" auch als Spiegel historischer Veränderungen.
Anzeige
Zwischen den Filmen: die Berlinale in Bildern
Die Ausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" blickt zurück auf fast sieben Jahrzehnte Festivalgeschichte. Die Aufnahmen der Fotografen spiegeln auch eine sich verändernde Stadt wider.
Bild: Deutsche Kinemathek/C. Schulz
Selfies, Roter Teppich und Fangeschrei
Bunt ist die Berlinale eigentlich erst in jüngster Zeit - diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn man auf die Exponate der Ausstellung blickt. 2010 rockte Weltstar Leonardo DiCaprio die 60. Ausgabe des Festivals. Vor acht Jahren drückte man dem Amerikaner noch eine Kamera in die Hand. Im heutigen Smartphone-Zeitalter fast schon eine historische Reminiszenz.
Bild: Deutsche Kinemathek/C. Schulz
Berlin lädt die Welt wieder ein
1955, die Berlinale findet zum fünften Mal statt, investiert man kräftig in Werbung und Marketing. Die Bundesrepublik soll zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs auch kulturell im Westen verankert werden. Plakate, die für die Berlinale werben, sind auch im Osten der geteilten Stadt deutlich sichtbar. Und Weltstars wie Peter Ustinov sorgen für viel Aufsehen und symbolisieren die Westbindung.
Bild: Deutsche Kinemathek/H. Köster
Händeschütteln mit dem Bürgermeister
Im Sommer 1961, die Berlinale findet noch in den Monaten Juni/Juli statt, ist die Welt zwar nicht in Ordnung, doch solch ein Foto mit einem strahlenden Bürgermeister Willy Brandt und dem US-Star Jayne Mansfield (nebst Ehemann) wäre einen Monat später wohl kaum denkbar gewesen: Gut fünf Wochen später wird im Herzen der Stadt die Mauer errichtet, die Berlin für die nächsten Jahrzehnte teilen wird.
Bild: Deutsche Kinemathek/M. Mach
Stars in der geteilten Stadt
Es ist auch der Kalte Krieg, der fortan die Berlinale prägt. Kommen Stars in die Stadt, wie hier Italiens Diva Claudia Cardinale, stellen die Fotografen sie gern vor die Mauer. Das ist auch ein wenig bizarr: Auf der einen Seite das Symbol einer menschenverachtenden Politik, die den Bewohnern der Stadt viel Leid bringt, auf der anderen Seite Glanz und Glamour aus Hollywood und Co.
Bild: Deutsche Kinemathek/H. Köster
James Stewart schlottert im kalten Berlin
Die erste Berlinale nach dem Mauerbau findet 1962 statt. Der Fotograf Heinz Köster erwischt Hollywood-Star James Stewart hier vor dem Telefunken-Haus am Ernst-Reuter-Platz. Auch das sommerliche Berlin kann sehr kalt sein - so zumindest der Eindruck, den diese Aufnahme vermittelt.
Bild: Deutsche Kinemathek/H. Köster
Frischer Wind für die Berlinale
Der Epochenwechsel um das Jahr 1968 und die folgenden gesellschaftlichen Veränderungen bringen auch der Berlinale viel Innovation. Neue Programm-Reihen prägen das Festival, 1976 übernimmt der Filmkritiker Wolf Donner (unser Bild) die Berlinale als Chef. Er verwandelt die Veranstaltung zu einem Arbeitsfestival. Zwei Jahre später findet das Festival erstmals im Februar statt.
Bild: Deutsche Kinemathek/M. Mach
Ein Jahr vor dem Epochenbruch
1988 ist vor allem auch in Berlin der politische Wandel spürbar. Michael Gorbatschows Glasnost- und Perestroika-Politik spiegelt sich im Programm wider, das aufsehenerregende Filme aus Osteuropa zeigt. Und auch das europäische Kino glänzt mit zwei Agnès Vardas-Produktionen mit Jane Birkin (Foto), die zur Berlinale eilt. Dagegen schwächelt Hollywood mit einigen müden Kommerzfilmen.
Bild: C. Schulz
Billy Wilder in Town
1993 kommt es zu einem denkwürdigen Wiedersehen. Regisseur Billy Wilder, der 1961 während des Mauerbaus in Berlin seinen Film "Eins, Zwei, Drei" drehte, besucht über drei Jahrzehnte später wieder die deutsche Hauptstadt und das Festival. Hier zeigt er sich mit seinem damaligen Hauptdarsteller Horst Buchholz im Schneematsch vor dem Brandenburger Tor.
Bild: Deutsche Kinemathek/E. Rabau
Roter Teppich im neuen Jahrtausend
Der umtriebige Dieter Kosslick steht ab 2001 dem Festival vor. Kosslick setzt sich vor allem für das deutsche Kino ein. Mit ihm kommt viel neuer Schwung zur altehrwürdigen Berlinale. Doch der Schwabe sorgt auch für viel Glamour auf dem Roten Teppich, bringt Farbe ins Festival. Gern präsentiert er die eingeladenen Stars höchstpersönlich auf dem Weg zum Berlinale-Palast - wie hier Judi Dench.
Bild: Berlinale/A. Ghandtschi
Erika Rabau und die anderen ...
Die Ausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" ist natürlich auch eine Verbeugung vor der Arbeit der Festival-Fotografinnen und -Fotografen. Die wohl bekannteste unter ihnen ist Erika Rabau, die sich hier ein Nickerchen gönnt. Die kleine blonde Dame, die gern in schwarzer Ledermontur arbeitet, ist von 1972 an bis kurz vor ihrem Tod 2016 offizielle Berlinale-Fotografin.
Bild: Deutsche Kinemathek/E. Rabau
10 Bilder1 | 10
Berlin kann sehr grau sein, auch im Sommer. Diesen Eindruck zumindest bekommt man in der Ausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" in der Deutschen Kinemathek. Das liegt zum einen an den vielen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die die Kinemathek präsentiert, aber auch an den Motiven.
Schließlich fand die Berlinale früher im Sommer statt, doch die geteilte Stadt mit Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen war immer auch gut für düstere Schwarz-Weiß-Malerei. James Stewart präsentiert sich schlotternd am Ernst-Reuter-Platz. Claudia Cardinale posiert vor der Mauer im Herzen Berlins. Die ist vier Jahre nach ihrem Fall kaum noch präsent, als der große Billy Wilder zu Besuch kommt, doch auch hier ist die Szenerie kalt und wenig einladend.
Fotos abseits von Glamour und Rotem Teppich
Tief in den Archiven haben die Macher der Foto-Schau gegraben und dabei Erstaunliches zu Tage gefördert. Es sind nicht die Roter-Teppich-Fotos, die Stars vor dem Berlinale-Palast und die glanzvolle Oberfläche der siebenten Kunst, die die Ausstellung prägen. Es wird vieles an Nebenschauplätzen, abseits des großen Rummels, dokumentiert: "Der besondere Reiz dieser Sammlung liegt am Rande der eigentlichen Motive, wenn beiläufig eingefangene Momente Mode, Zeitgeist, Alltags- und Repräsentationskultur oder das Konsumverhalten widerspiegeln", sagen die Veranstalter.
Dies ist sicherlich auch als Lob und Anerkennung für die Fotografinnen und Fotografen, die verantwortlich sind für die Schau, zu verstehen. Zwar wird die Ausstellung von den offiziellen Berlinale-Presse-Fotografen bestückt, doch die hatten natürlich einen besonderen Ehrgeiz - sie wollten nicht immer nur die gleichen Bilder von Stars vor winkendem Publikum, von Pressekonferenzen oder offiziellen Premierenterminen schießen.
Die Mauer als Zeichen einer zerrissenen Welt
Die Kunst bestand darin, den bestimmten, einzigartigen Moment festzuhalten, beim Besuch der Stars in der Stadt, am Rande der Szenerie, die kleinen Szenen, die oft vielmehr sagen als der offizielle Auftritt, die pompöse Gala. Und das konnte man in Berlin natürlich prima. Die Symbolik stach ins Auge. Eine Mauer, die eine ganze Stadt zerschneidet. Das dichte Nebeneinander von Glamour und Tristesse. Das Aufeinandertreffen von Stars und und ganz normalem Publikum. Und auch das Wetter ist ja wirklich nicht so gut wie bei der Konkurrenz...
Bei der Berlinale trifft man auf Regen, Schnee und grauen Himmel
Eine Fotogeschichte der Festivals von Venedig oder Cannes würde vermutlich ganz anders ausfallen. An der Côte d'Azur müsste man das Abseitige, das Dunkle, vermutlich viel länger suchen. Und in der Lagunenstadt und am Lido ist irgendwie alles schön und spektakulär. Berlin hingegen, vor allem in den Jahren bis 1989, bot immer viel Tristesse und abstoßende Kälte. Das bot sich natürlich an für die findigen Augen der Fotokünstler.
Was passierte also "zwischen den Filmen"? "Fans, Stars, Politik, Partys, Mode, Paare, Kinos, Bären, Presse, Stadt" sind die Schwerpunkte der Berliner Ausstellung betitelt und zu allem findet sich etwas. Die Autogrammjäger auf der Suche nach dem besten Plätzchen, die großen Stars aus Hollywood, die ins eisige Berlin reisen und dort freundlich empfangen werden. Die Politik ließ sich kaum ausblenden, wie sollte das auch gehen? In einer Stadt, die für viele Jahre das Symbol einer gespaltenen Welt war, an der Nahtstelle des Kalten Kriegs.
Das Festival als Spiegel der Gesellschaft
Und so erschließt sich dem Besucher der Ausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" zweierlei: Die Berlinale war und ist eines der größten Kulturereignisse der Republik, sie ist aber auch - bis heute - Spiegelbild politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen im Herzen Deutschlands.
Die Aufnahmen der Berlinale-Fotografen Erika Rabau, Gerhard Kassner, Heinz Köster, Mario Mach, Fumiko Matsuyana und Christian Schulz in der Ausstellung "Zwischen den Filmen - Eine Fotogeschichte der Berlinale" sind vom 28. September bis zum 5. Mai in der Deutschen Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen zu sehen.
Beim Kettler Verlag ist dazu ein Buch mit dem Titel der Ausstellung erschienen, hrsg. von der Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, Dr. Daniela Sannwald und Georg Simbeni, 120 Seiten, ISBN 978-3-86206-720-6.