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"Bock auf Bunt" - Culcha Candela im Interview

Claudia Würzburg16. Dezember 2015

Sie nennen sich "die Uno-Vollversammlung im Kleinformat": Die Musiker der Berliner Dancehall-Band Culcha Candela haben Wurzeln in Uganda, Kolumbien, Südkorea und Polen. Sie machen sich für Respekt und Toleranz stark.

Die Berliner Dancehall-Band Culcha Candela
Mit Botschaft - die Berliner Band Culcha Candela (v.l.n.r.): Johnny Strange, Itchyban, DJ Chino, Don CaliBild: Warner Music

Grenzenlos Pop: Culcha Candela

04:44

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Deutsche Welle: Wofür steht der Titel Eures aktuellen Albums "Candelistan"?

Matthias Hafemann, Künstlername DJ Chino: "Candelistan" steht für ein imaginäres Land, das wir uns ausgedacht haben. Ursprünglich hatten wir mal ein Forum auf unserer Internetseite, das so hieß. Als wir auf der Suche waren nach einem Titel für unser buntes Sammelsurium an Songs, da war "Candelistan" irgendwie treffend. "Candelistan" ist ein Ort, wo die Leute nett zueinander sind. Die wichtigste Regel: "Be nice!" ("Sei freundlich!", die Redaktion) Wer sich daran hält, kann sofort mitmachen, es gibt keine Zugangsbeschränkung. Es ist ein Ort mit ganz viel Toleranz und Respekt, aber auch eine Haltung, die wir gerne verbreiten möchten.

Was habt Ihr, was andere Bands nicht haben?

John Magiriba Lwanga, Künstlername Johnny Strange: Vielfalt ist unser Alleinstellungsmerkmal: Wir sind extrem bunt in jeder Hinsicht - kulturell oder auch als Persönlichkeiten. Und trotzdem funktionieren wir zusammen, obwohl wir keine homogene Masse sind. Wir kommen aus allen Richtungen und sind ein bisschen so wie eine kleine Welt. Wenn wir es nicht im Kleinen schaffen, schaffen wir es auch nicht im Großen. Das ist eben auch unsere Idee von "Candelistan": egal, was für eine Religion, was für eine Hautfarbe oder sexuelle Ausrichtung – wir respektieren jeden, der cool ist.

Profitiert Ihr davon, dass Ihr alle unterschiedliche Wurzeln habt?

Omar David Römer Duque, Künstlername Don Cali: Wir spiegeln ja auch auf eine Art und Weise die Welt wider, wie sie sein könnte: verschiedene Menschen aus verschiedenen Ländern, die zusammen was erschaffen und friedlich miteinander leben können. Wenn alle sich da was abgucken, dann brauchen wir eigentlich keine Grenzen mehr auf dieser Welt. Das sagen wir auch in unserer Live-Show: "Guckt Euch um, hier sind so viele bunte Menschen. Wir haben Bock auf bunt, Ihr habt Bock auf bunt. Lasst uns einfach jetzt anfangen, zu teilen und auf Gegenseitigkeit zu achten". Die Menschen sollen verstehen: Es geht!

Die Mitglieder von Culcha Candela haben Wurzeln in Polen, Kolumbien, Südkorea und Uganda.Bild: DW/C. Würzburg

DJ Chino: Wir sind auch charakterlich und sozio-kulturell so unterschiedlich – das allein ergibt schon eine Vielfalt. Ich glaube, dass wir gelernt haben, diese Vielfalt zu nutzen und nicht als Hindernis zu betrachten. Wir bündeln alles und gehen damit nach vorn. Ich glaube, das ist unsere eigentliche Stärke.

Ihr geht offensiv mit Eurer Herkunft um – andere verstecken ihre vielleicht lieber…

Don Cali: Ichglaube, es ist wichtig, dass man zu sich steht. Das ist auch Thema auf unserem Album: "Egal, was die anderen sagen, mach Dein Ding! Probier es aus! Wenn Du nicht an dich selber glaubst, warum sollten die anderen dann an Dich glauben?"

Habt Ihr negative Erfahrungen gemacht?

Johnny Strange: Mit Rassismus? Natürlich hat man ab und zu mal auch negative Erfahrungen gemacht, zum Beispiel dass man nicht auf Anhieb willkommen war. Es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht. Man kann die Sache meistens noch drehen. Von meinem Vater habe ich gelernt: "Nimm es nicht an. Wenn die Leute Dich im ersten Moment nicht feiern - egal! Wenn Du positiv bist, dann werden die Leute auch positiv reagieren." Und mit dieser Einstellung habe ich bis jetzt gute Erfahrungen gemacht. Man sollte die Leute eher bemitleiden, die so viel Angst haben und das in Gewalt umschlagen lassen, weil sie menschlich vielleicht zu schwach sind. Eigentlich haben diese Leute ein kleines Selbstwertgefühl und sind dann dankbar, wenn man sie trotzdem respektiert. Und das ist irgendwie auch die Möglichkeit, was zu verändern in diesen Menschen.

Don Cali: Es ist auch oft Ignoranz und basiert auf einer Bildungslücke. Ich denke, als bewusster Mensch muss man eher Mitgefühl haben mit so jemandem. Man muss Wege finden, zu erklären wie was funktioniert. In dem Moment, wo man versucht, jemandem etwas einzudreschen, dann passiert genau das Gegenteil: Dann verschließt er sich, und dann hast du ein Problem.

Vier Weltbürger aus Berlin.Bild: Oliver Rath

DJ Chino: Ich denke, dass es kein Zufall ist, dass gerade in Dresden oder in Teilen Ostdeutschlands, wo der Ausländeranteil niedrig ist, die Leute so viel Angst haben vor dem Unbekannten. Ich glaube, da, wo wirklich Austausch herrscht, wo Menschen sich kennenlernen, da ist die Angst am geringsten.

Johnny Strange: Das glaube ich auch. Ich bin in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, und ich hatte früher mehr Probleme mit den Türken als mit den Deutschen. Am Anfang waren sie für mich eine Bedrohung. Aber umso mehr Freundschaften ich mit ihnen geschlossen hab, auch durch die Musik, habe ich gemerkt, wie viel Bereicherung sie in unsere Welt bringen und wie viel schöner es das Leben eigentlich macht, wenn man die Angst überwindet. Das ist halt die große Schwierigkeit, und das ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, die wir bewältigen müssen - die Angst vor dem Fremden.

Welche Rolle spielt die Stadt Berlin für Euch als Band?

DJ Chino: Berlin war für uns der ideale Nährboden, wo wir halt auch so, wie wir hier sitzen, in irgendeinem Mietshaus Tür an Tür hätten aufwachsen können. Das ist Normalität und das müsste eigentlich überall so sein und es wird auch zwangsläufig so kommen. Die Leute sollten sich davor nicht fürchten, sondern es als willkommene Bereicherung sehen.

Was hat Euch in letzter Zeit in Bezug auf Migration besonders bewegt?

Don Cali: Die Flüchtlingskrise. Die Verschlossenheit von vielen Menschen gegenüber den Leuten, die Schutz suchen. Von mir aus könnte man alle Grenzen abschaffen in der ganzen Welt, weil das unsere Welt ist. Das ist nicht 'seine Welt', oder 'sein Land', oder 'mein Land', sondern das ist die Welt von uns allen. Darüber werden wir irgendwann mal lachen und sagen: "Ey, früher dachten wir, es gibt Grenzen".

DJ Chino: Mich persönlich hat am meisten ein Besuch in einer Flüchtlingseinrichtung in Stuttgart bewegt. Wir haben da mit ganz vielen tollen Leuten aus ganz verschiedenen Ecken der Welt einen Nachmittag zusammen verbracht. Die haben für uns gekocht und sich schon tagelang gefreut und wir haben uns auch darauf gefreut. Und diese Neugier hat sich irgendwie in etwas ganz Positives niedergeschlagen. Wir haben zusammen musiziert und haben uns deren Geschichten angehört. Das war für uns eine superkrasse Erfahrung, die uns echt bereichert hat. Und so wie ich es verstanden habe, war das auch für die Flüchtlinge eine tolle Erfahrung: Dass jemand kommt, dem es nicht egal ist, was die Leute erlebt haben und wie sie hier aufgenommen werden. Ja, es ist einfach so schade, wenn man das Potenzial von diesen Menschen nicht richtig nutzt und kanalisiert. Das muss einfach so in diese Richtung gehen, dass sie integriert werden, dass sie arbeiten können, dass sie sich wichtig und verstanden und aufgenommen fühlen. Und sobald das passiert, blühen diese Menschen auf und das ist ganz entscheidend.

Culcha Candela bei den Dreharbeiten für das DW-Musikmagazin PopXport.Bild: DW/C. Würzburg

Don Cali: Die Flüchtlinge waren hinterher auch auf unserem Konzert. Und man hat gesehen: Die sind normal. Ich glaube, das ist das, was man machen muss: Man muss diesen Menschen auf Augenhöhe begegnen und nicht mit Mitleid. Man muss sie integrieren, man muss ihnen die Chance geben, zu leben und unser Glück zu teilen.

Ihr habt Euch ja selber einen Bildungsauftrag erteilt und die Aktion "Bock auf Bunt" ins Leben gerufen. Erzählt mal etwas darüber!

Mateo Jaschik, Künstlername Itchyban: Wir haben auf unserer letzten Tour von jedem verkauften Ticket einen Euro für "Pro Asyl" gesammelt und der Aktion auch einen schmissigen Slogan gegeben: "Bock auf Bunt". Wir sind ja seit 13 Jahren schon bunt und zusammen als Band ein Beispiel für gelungene Integration. Es gibt so viele Menschen in Deutschland, die trotz Widrigkeiten und trotz ihres Alltags anderen Menschen freiwillig helfen. Das finde ich ganz toll, dass da die Zivilgesellschaft so zusammenrückt und sich viele Menschen engagieren, auch bis zum Rand ihrer Belastungsfähigkeit und obwohl die Politik kein gutes Zeichen abgibt und kein Vorbild ist und sich die Leute sowohl in unserem Land als auch in Europa uneins sind. Die Menschen nehmen das selbst in die Hand, das ist eine ganz tolle Sache. Und wir wollten auch gern helfen und haben mit dieser Aktion ganz viel Geld gesammelt.