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Politik

Die bescheidene Frau Merkel

30. November 2018

Die Flugbereitschaft der Bundesregierung ist nicht verwöhnt. Neue Flugzeuge? Viel zu teuer. Von der Lufthansa ausgemusterte Maschinen sind gut genug. Trump und Putin können da nur lachen. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Deutschland Merkel muss Flug zum G20 Gipfel abbrechen
Bild: picture-alliance/dpa/J. Blank

2015 legte sich der russische Präsident Wladimir Putin einen neuen Regierungsflieger zu. Fotos eines russischen TV-Senders zeigen eine luxuriöse Innenausstattung in cremefarbenem Leder, mit Intarsien geschmücktes Holz, goldene Toilettendeckel und Armaturen. Alles sei einzigartig. Schätzungsweise 800 Millionen Euro soll die 55 Meter lange Iljuschin gekostet haben. Insgesamt verfügt Putin über vier baugleiche Regierungsflieger.

Auch US-Präsident Donald Trump hat etwas Neues in Auftrag gegeben. "Sie wird die beste ihrer Art, die beste weltweit sein", sagt Trump über die zukünftige Air Force One, die Boeing gleich in zwei identischen Ausführungen bauen darf. Offiziell für knapp vier Milliarden US-Dollar. Schon die aktuelle Präsidentenmaschine ist mit deutschen Regierungsfliegern nicht zu vergleichen. In der Boeing 747 sind auf drei Etagen unter anderem eine Präsidenten-Suite mit zwei Schlafzimmern, zwei Bordküchen mit einer Kapazität für 100 Personen, Konferenzräume und sogar eine Krankenstation mit Operationssaal untergebracht.

Die Kanzlerin fliegt "Second Hand"

Davon können deutsche Kanzler und Präsidenten nur träumen. Sie reisen - ganz bescheiden - in Flugzeugen aus zweiter Hand. "Konrad Adenauer" und "Theodor Heuss" heißen die beiden Airbus 340-300, die für Langstreckenflüge zur Verfügung stehen. Neun und zehn Jahre waren sie im regulären Liniendienst der Lufthansa unterwegs, bevor die Luftwaffe sie 2009 aufkaufte und in ihre sogenannte weiße Flotte der Flugbereitschaft übernahm.

Der Airbus A340 "Theodor Heuss" der FlugbereitschaftBild: imago/Future Image

Die Flugbereitschaft der Bundesregierung ist ein militärischer Verband der Luftwaffe und untersteht wie alle Einheiten der Bundeswehr dem Bundesministerium der Verteidigung. Insgesamt umfasst die Flugzeugflotte neben den beiden A340 noch 14 weitere Flugzeuge und Hubschrauber, die aber nur auf Kurz- und Mittelstrecken fliegen können.

Pleiten, Pech und Pannen

Ist alt und gebraucht nun aber gleichbedeutend mit anfällig? Jens Flosdorff, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, betont, die Regierungsflieger würden "sehr regelmäßig" und "sehr sorgfältig" gewartet. Es bestünden "höhere Sicherheitsstandards als in zivilen Kontexten". Tatsache ist allerdings, dass die Panne auf dem Flug der Bundeskanzlerin zum G20-Gipfel nach Buenos Aires nicht der erste Zwischenfall für die "Konrad Adenauer" in diesem Jahr war. Erst Mitte Oktober hatten in Indonesien Mäuse und Ratten in der Maschine Kabel angeknabbert und Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Rückreise per Linienflug von der Tagung des Internationalen Währungsfonds gezwungen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war Mitte November in Südafrika mit der "Konrad Adenauer" unterwegs. Dabei kam es zu einer stundenlangen Verspätung, weil eines der Triebwerke nach einem Blitzeinschlag nur mithilfe eines externen Geräts gestartet werden konnte.

Kein Bodenkontakt mehr möglich

Angela Merkel wurde nun vom Ausfall des gesamten Kommunikationssystems in der Maschine aufgehalten. Ihr Flugzeug war in Berlin gestartet und bereits eine Stunde unterwegs, als der Kapitän feststellen musste, dass er keinen Kontakt mehr mit der Flugsicherung aufnehmen konnte. Die Verteilerbox, ein in den Tiefen des Flugzeugs verbautes Stück Technik, war ausgefallen. Zwar sind die Kommunikationssysteme, wie alle wichtigen Bauteile im Cockpit, zweifach vorhanden. Doch auch die automatische Umschaltung funktionierte nicht.

Die "Konrad Adenauer" nach ihrer Landung in Köln/BonnBild: Reuters/A. Rinke

Per Satellitentelefon organisierte der Kapitän die außerplanmäßige Landung am Flughafen Köln-Bonn. Allerdings konnte wegen des Systemausfalls auch kein Kerosin abgelassen werden, so dass die Maschine fast vollbetankt landen musste. Gefahr für Leib und Leben der Passagiere habe trotzdem zu keinem Zeitpunkt bestanden, betonte Jens Flosdorff, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.

Kanzlerin bleibt cool

Von einer "ernsten Störung" sprach die Bundeskanzlerin in der Nacht. Nur wenige Stunden nach dem Vorfall wurde sie von der Flugbereitschaft nach Madrid geflogen und bestieg dort ein Linienflugzeug der spanischen Iberia nach Buenos Aires. Rein theoretisch hätte sie zwar noch in der Nacht auch mit der "Theodor Heuss" nach Argentinien fliegen können.

Doch die Maschine stand in Berlin und hätte erst nach Köln kommen müssen. Das und der Weiterflug zum G20-Gipfel hätte aber von nur einer Crew nicht geleistet werden dürfen, weil die "Flug- und Lenkzeiten" überschritten worden wären. Will heißen, die Crew hätte zu lange arbeiten müssen. Eine zusätzliche Crew stand aber nicht zur Verfügung.

Kann und darf so eine Panne in einer führenden Industrienation passieren? Die verspätet auf dem G20-Gipfel aufgetauchte Kanzlerin bleibt gelassen. "Ein einzelner Vorfall sollte uns nicht dazu bringen, das System zu verändern", sagte sie. Laut Verteidigungsministerium gab es zwischen Juni 2016 und Juni 2018 bei insgesamt 5200 Flügen der Flugbereitschaft eine Ausfallrate von unter zwei Prozent. Grundsätzlich falle auch in der zivilen Luftfahrt öfters der Funk aus, so Sprecher Jens Flosdorff. Dies werde aber selten öffentlich ein Thema.

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