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Der 100-Millionen-Dollar-Blog

Marcus Bösch2. April 2008

Privates Online-Tagebuch war gestern. Inzwischen sind US-Blogs gerne mal ein paar Millionen wert. Deutsche Blogger sind skeptisch. Auf der Konferenz re:publica debattieren sie lieber über die "digitale Gesellschaft".

Montage: Notebook mit Geldsack (DW)
Macht Bloggen reich?Bild: DW-Montage

Für 100 Millionen Dollar kann man US-Präsident werden. Nun ja, also zumindest sollte man als Präsidentschaftsanwärter 60 bis 100 Millionen US-Dollar aufbringen, um sich den Weg ins Weiße Haus zu ebnen, schätzt der Branchendienst TNS Media Intelligence. Für das gleiche Geld kann man sich derzeit auch genau einen Weblog kaufen. Zumindest einen aus der "Liste der 25 wertvollsten Blogs", die der Finanz-Weblog 24/7 Wall Street veröffentlicht hat.

Drei Leute - 85 Millionen Dollar

"So eine Liste ist eine rein mathematische Hochrechnung und eigentlich Quatsch", sagt Robert Basic, Deutschlands meistverlinkter Blogger. Der Problematik bewusst sind sich aber auch die Macher der Liste. "Es gibt keinen Weg, um Blogs oder Blog-Firmen einen akkuraten Wert zuzuweisen" schreiben sie, um es dann doch zu tun - anhand von Faktoren wie Werbeeinnahmen, Zugriffszahlen, Wachstumsraten, Anzahl der Mitarbeiter oder der Existenzdauer. Ihr Ergebnis: Die amerikanischen Top-Blogs spielen in einer ganz eigenen Liga.

Im Prinzip ganz einfach: Text eintippen, hochladen, fertig ist der WeblogBild: picture-alliance/dpa/DW

Da ist zum Beispiel der Weblog MacRumors. 85 Millionen Dollar soll der Blog wert sein, der nach Angaben von 24/7 Wallstreet mehr über die Computerfirma Apple weiß als Apple selbst. Nur kurz zur Einordnung: MacRumors hat eine Redaktion von genau drei Leuten: Senior Editor, Editor und Contributing Editor.

USA versus Deutschland

"Also wenn ich jetzt meinen Blog heute verkaufen würde, wären das - keine Ahnung, ich schieß mal aus der Hüfte - 50.000 Euro", erzählt Basic. 50.000 Euro für die Nummer Eins der Deutschen Blogcharts gegen 85 Millionen Dollar für die amerikanische Nummer zwei.

Kein Wunder, sagt Markus Beckedahl. Er organisiert die deutsche Internet-Konferenz re:publica und bloggt auf Netzpolitik.org: "Es gibt einfach nicht so viele Zugriffe wie bei einem englischsprachigen Blog. Den rund 1,5 Milliarden Menschen, die Englisch verstehen können, stehen rund 100 Millionen Menschen gegenüber, die des Deutschen mächtig sind."

Auf der Internet-Konferenz "re:publica" in Berlin dreht sich vom 2. bis 4. April genau eins von 100 so genannten Events um das Thema Geld verdienen mit Blogs. Lieber debattiert man über "Die digitale Gesellschaft" und "Rahmenbedingungen der digitalen Gesellschaft". Auch hier kann man schnell feststellen: Die Unterschiede diesseits und jenseits des Atlantiks sind dramatisch. Zum Beispiel im Bereich Nachrichten.

Blogs überholen CNN

In den USA überholen die ersten privat gegründeten Blogs klassische Medienunternehmen bei den Zugriffszahlen im Netz. Laut eines Rankings des Marktforschungsunternehmen Nielsen zieht der von Markos Moulitsas 2002 gegründete liberale Gruppenweblog Daily Kos an Fox, CNN, AOL, Yahoo, Google, der New York Times und etlichen anderen vorbei und landet hinter dem Drudgereport auf Platz zwei der "Top 30 News Sites".

So sieht die News-Nummer Zwei aus: Der Blog Daily Kos

Die Blogs in den USA liefern echte Scoops - exklusive Meldungen - die ihren Weg heraus aus der kleinen Teilöffentlichkeit im Netz finden. Die Stories werden von Fernsehsendern, Radiostationen oder den Zeitungen übernommen. Der Blogeintrag eines deutschen Weblogs in der Tagesschau? Bis jetzt undenkbar!

"Natürlich ist man da, wie immer, in Amerika schon weiter", sagt Beckedahl. Ob Amerika oder Deutschland, das Augenmerk richte sich immer nur auf einige wenige Blogs, erklärt Robert Basic: "Es ist das Eisbergphänomen. 99 Prozent aller Blogs liegen unter der Wasseroberfläche. Die kennt keiner, die sieht keiner, damit beschäftigt man sich kaum."

Weniger Rummel

Dabei liege hier - abseits der teuren, schnellen und vermeintlich wichigsten Weblogs der Welt - das eigentlich Großartige, so Basic: "Das ist weniger Ruhm und Rummel, aber eine echte Vernetzung unter echten Menschen."

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