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Fettsucht-Krise in Großbritannien

Lars Bevanger / db18. Mai 2013

In Großbritannien leben mit die dicksten Bürger Europas. Im Kampf gegen den Speck werden Magenoperationen bei extrem Übergewichtigen immer populärer. Die Kosten für das Gesundheitssystem sind enorm.

Eine übergewichtige junge Frau (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Seit Jahren stehen die Briten ganz oben auf der Liste der übergewichtigsten Europäer. Mehr als die Hälfte aller Briten sind übergewichtig oder fettleibig, trotz aller Versuche von Regierungsseite, diese Entwicklung zu stoppen. Laut NHS, dem staatlichen britischen Gesundheitsdienst, ist die ständige Verfügbarkeit billiger, kalorienreicher Nahrung einer der Gründe für die zunehmende Verfettung der Bevölkerung.

Die Lobbygruppe "National Obesity Forum" (NOF) sieht einen Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von ungesundem Essen und dem Haushaltseinkommen. Die größten Gesundheitsprobleme mit Fettleibigkeit findet man im Norden Englands, in Gegenden mit einer traditionell hohen Dichte an Familien mit niedrigem Einkommen. "Die Menschen gewöhnen sich an, günstige, industriell gefertigte Produkte zu kaufen, die reich an Fett, Salz und Zucker sind", sagt NOF-Sprecher Tam Fry im DW-Gespräch.

Anzahl der Magen-Operationen steigt

Neuesten Untersuchungen des NHS zufolge sind 61 Prozent der Erwachsenen und 30 Prozent der Kinder zwischen zwei und 15 Jahren fettleibig. Außerdem weisen Statistiken einen neuen Trend auf: Immer mehr Briten unterziehen sich im Kampf gegen das Übergewicht einer Magen-Operation. In den vergangenen sechs Jahren ist die Anzahl solcher Eingriffe um 530 Prozent in die Höhe geschnellt. In der nordenglischen Stadt Bassetlaw wurden fast 3000 von 100.000 Einwohnern wegen Fettleibigkeit stationär behandelt - fast sechsmal mehr als der nationale Durchschnitt.

Es gibt unterschiedliche Methoden, krankhaftes Übergewicht zu behandelnBild: picture-alliance/dpa

Fettsucht-Krise bekämpfen, aber wie?

Im Gesundheitsreport vom Februar 2012 berichtet der NHS, dass nur knapp 40 Prozent der Erwachsenen nach dem Body-Mass-Index (BMI) als normalgewichtig einzustufen sind. 1993 war die Hälfte aller britischen Frauen ab 16 normalgewichtig. 2011 traf das nur noch auf 39 Prozent der Frauen zu.

"Fettleibigkeit ist eine Epidemie, die zum öffentlichen Gesundheitsproblem geworden ist", meint Sheena Bedi, Leiterin einer Gewichtsmanagement-Klinik in der nordenglischen Stadt Bolton. Schätzungen zufolge verkürze Fettleibigkeit die Lebenserwartung um etwa neun Jahre, sagt die Expertin. Das Thema habe auch mit dem Lebensstil der Briten zu tun: Man lege weniger Wert auf ein gesundes Leben und eine gesunde Ernährungsweise als in andern Ländern Europas. Aber: "Wenn man nicht die Einflüsse, denen Menschen ausgesetzt sind, angeht, dann kann man auch das Problem nicht angehen."

Sheena Bedi: "Übergewicht verkürzt das Leben."Bild: Lars Bevanger

Versagen der Politik

Vergangene britische Regierungen haben vergeblich versucht, das Problem Fettleibigkeit, das den Gesundheitsdienst jedes Jahr umgerechnet sechs Milliarden Euro kostet, in den Griff zu bekommen. Fettleibigkeit entwickelt sich zu einer ernsten und teuren Bedrohung des Gesundheitswesens und steht bald dem Rauchen und Alkohol in Nichts mehr nach.

Die Mitte-Rechts Koalitionsregierung von Premierminister David Cameron habe zwar etliche Gesundheitskampagnen gestartet, das wirkliche Problem dabei aber außer Acht gelassen, meinen Beobachter: die ständige Verfügbarkeit billiger, ungesunder Nahrungsmittel und Getränke.

"Es gibt ein Überangebot billiger, süßer oder kalorienreicher Nahrungsmittel und das schränkt unsere Fähigkeit ein, eine gesunde Wahl zu treffen", erklärt Aseem Malhotra, Co-Autor eines Zehn-Punkte-Plans gegen Fettleibigkeit, den eine Gruppe Ärzte zu Beginn des Jahres der Regierung präsentierte. Die Regierung habe die Pflicht und die Verantwortung, die Nahrungsmittelindustrie zu regulieren und damit die Bürger "vor deren Manipulationen und Exzessen" zu schützen, sagt Malhotra.

Der Plan schlägt eine 20-prozentige Steuer auf gezuckerte Getränke vor, sowie ein Verbot von Fast-Food-Restaurants in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern. Die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie wandte umgehend ein, der Schwerpunkt müsse auf mehr Bewegung und mehr persönlicher Verantwortung für die Gewichtsreduzierung liegen.

Sport ist die beste MedizinBild: picture-alliance/dpa

Sondersteuern gefordert

Die Regierungen in Europa versuchen mittels verschieder Maßnahmen das Problem in den Griff zu bekommen. Etliche europäische Länder haben Sondersteuern auf ungesunde Lebensmittel eingeführt - in Frankreich zum Beispiel gibt es eine Cola-Steuer. Auch UNO-Experten empfehlen Sondersteuern auf ungesunde Lebensmittel. Die britische Regierung erwägt die Einführung einer solchen Steuer aber nicht. Ihr Argument: Es sei nicht hinreichend bewiesen, dass solche Maßnahmen Fettleibigkeit landesweit senken würden. Dass jedoch höchste Zeit ist, etwas gegen das Problem zu machen, zeigt eine Studie der Universität Oxford: Danach werden 80 Prozent der Bevölkerung bis 2050 übergewichtig oder fettsüchtig sein, wenn nichts unternommen wird.

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