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Politik

Die Bundesregierung kommt nach Chemnitz

31. August 2018

Es ist nicht die Kanzlerin, nicht der Innenminister. Es ist nicht der Vizekanzler, aber immerhin: Im aufgeheizten Chemnitz lässt sich eine Ministerin sehen, während der Ministerpräsident über die Verantwortung spricht.

Chemnitz Franziska Giffey legt Blumen nieder
Bild: picture-alliance/dpa/Kahnert

Blumen an einem ruhigen Morgen: Als erstes Mitglied der Bundesregierung hat Familienministerin Franziska Giffey das seit Tagen von aufgeheizten politischen Debatten und zum Teil gewalttätigen Demonstrationen gezeichnete Chemnitz besucht. Die SPD-Politikerin (Artikelbild) legte Blumen an dem Ort nieder, an dem in der Nacht zum Sonntag ein 35-jähriger Mann mutmaßlich von zwei Migranten erstochen worden war. Dies sei für sie "ein zutiefst emotionales Erlebnis", erklärte die Bundesfamilienministerin.

Nicht nur ein Problem von Sachsen

Zu den Ausschreitungen der vergangenen Tage und der überregionalen Berichterstattung dazu sagte Giffey, man dürfe nicht den Fehler machen, so zu tun, als handele es sich nur um ein Problem von Sachsen. Demokratieförderung sei eine Aufgabe für ganz Deutschland.

Der Termin mit der Ministerin wurde von Pressevertretern verfolgt, weniger von den Chemnitzer Bürgern Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Entsprechende Programme ihres Hauses seien deshalb bereits vor den Ereignissen von Chemnitz aufgestockt worden. So seien für dieses Jahr 120 Millionen Euro für die Demokratieförderung in Deutschland vorgesehen. Auf Werte- und Demokratiebildung müsse mehr Wert gelegt werden, mahnte die Bundesfamilienministerin.

"Da ist das Bundesamt für Migration zuständig"

Unterdessen hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Mitverantwortung seines Landes dafür abgelehnt, dass einer der Tatverdächtigen für das Tötungsdelikt in Chemnitz nicht abgeschoben wurde. "Da ist das Bundesamt für Migration zuständig, der Bund", sagte der CDU-Politiker im ZDF. Dieser Vorgang müsse jetzt geklärt und öffentlich erläutert werden. Eine persönliche Mitverantwortung für das Vordringen rechter Tendenzen in Sachsen sieht Kretschmer für sich nicht. Auf eine entsprechende Frage verwies der Politiker, der lange CDU-Generalsekretär in Sachsen war, auf viele Aktivitäten in früheren Jahren. Hier gehe es nicht nur um ein Problem Sachsens.

Ministerpräsident Kretschmer (mit Mikrophon) beim BürgerdialogBild: Reuters/H. Hanschke

"Wir müssen denjenigen, die als Extremisten in die Mitte der Gesellschaft drängen, ein Stoppzeichen setzen. Dazu sind alle gefordert", erklärte der Regierungschef, der am Vorabend in einem Bürger-Dialog Stellung genommen hatte. Hier müsse vor allem die Zivilgesellschaft ein Zeichen setzen. Den Bürgern mit ihren legitimen Bedenken und Forderungen müsse klargemacht werden, dass sie in einer Art und Weise aktiv werden müssten und sollten, dass nicht die Rechtsextremisten davon profitierten.

Mehr als ein brauner Mob

Ein Teilnehmer der "Pro Chemnitz"-Demo, der von den Regierenden nicht überzeugt istBild: DW/Ben Knight

Die Sozialdemokratin Giffey traf sich in Chemnitz auch mit ihrer Parteifreundin Barbara Ludwig, der Oberbürgermeisterin der Stadt. Sie betonte, es müssten das Miteinander-Reden und die politische Bildung verstärkt werden. "Wir stehen zusammen dafür, dass Chemnitz und Sachsen mehr sind als ein brauner Mob", sagte Giffey, die früher als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln arbeitete.

Die Reaktionen auf Giffeys Besuch fielen bei vielen gemäßigteren Chemnitzer Bürgern positiv aus. "Ich hatte den Eindruck, dass sie wirklich was ändern will", sagte Felix Veerkamp einem DW-Reporter vor Ort. Der Funktionär des deutschen Gewerkschaftsbundes fügte hinzu: "Entscheidend ist, was dabei rauskommt. Wir haben Rechte, die sich noch mehr in die rechte Ecke gestellt fühlen - zu Recht, meines Erachtens -, und wir haben besorgte Bürger, die nicht genau wissen, ob sie dazu gehören oder nicht dazugehören wollen." Ähnlich sieht es Franz Knoppe, Vorstand beim Programm "Neue unentdeckte Narrative", einer Organisation, die verschiedene Lernprojekte in Chemnitz organisiert: "In dieser Krise steckt eine Chance. Giffey will sehen, welche Maßnahmen hier nötig sind, wie zum Beispiel Fördermittel verstärken. Die Frage ist auch: Wie kann man bestimmte Sachen einfacher machen? Wie kann man Dialogräume schaffen?". 

In Chemnitz war in der Nacht zum Sonntag am Rande des Stadtfestes ein 35-jähriger Deutscher erstochen worden. Zwei weitere Männer wurden verletzt. Die beiden mutmaßlichen Täter, ein 22-jähriger Iraker und ein 23-jähriger Syrer, sitzen in Untersuchungshaft. Der Vorfall löste zum Teil gewaltsame Demonstrationen auch aus dem rechten Spektrum aus.

ml/jj (dpa, epd, KNA)

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