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Politik

BND, Chile-Putsch und viele offene Fragen

Ben Knight hka
5. Januar 2019

War Deutschland in den Aufstieg des brutalen Pinochet-Regimes in Chile verwickelt? Das Bundesaußenministerium gibt wenig Auskunft über eine damalige Zusammenarbeit zwischen BND und CIA. Die Linke ist empört.

Chile gedenkt Opfer der Militärdiktatur
Bild: picture-alliance/Zuma/L. Vargas

Die Bundesregierung hat zurückhaltend auf Fragen zur Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA mit Militärdiktaturen in Griechenland und Chile in den frühen 1960er und 1970er Jahren reagiert.

Ende des Jahres hatten der Linkspolitiker Jan Korte und andere Abgeordnete der Partei dem Bundesaußenministerium 68 Fragen vorgelegt. Die Antwort der Bundesregierung vom 5. Dezember hat Korte in ihrer Lückenhaftigkeit so irritiert,  dass er eine offizielle Beschwerde über eine mangelnde Kooperation der Regierung eingereicht hat. "Diese Antworten sind eine Frechheit sondergleichen", schimpft Korte. "Im Übrigen geht man so nicht mit einem Parlament um."

Zwar räumt das Auswärtige Amt ein, dass die Regierung unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt über den geplanten Putsch der Junta unter Führung General Augusto Pinochets vorher informiert war. Am 11. September 1973 stürzte das Militär den demokratisch gewählten sozialistische Präsidenten Salvador Allende. Zehntausende Menschen wurden verhaftet, Tausende getötet. Details zur Rolle der damaligen deutschen Regierung will das Ministerium allerdings nicht preisgeben.

Verschwiegenheit "aus Staatswohlgründen"

Auch darüber hinaus lehnt die Bundesregierung es ab, zentrale Fragen zur Kooperation zwischen der CIA, die aktiv Pinochets Gruppe unterstützte, und dem BND zu beantworten - "aus Staatswohlgründen", wie es heißt. "Durch eine Offenlegung von Inhalten in Bezug auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden würde die gegenseitige strikte und unbefristete Vertraulichkeit, die die Grundlage jeglicher nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit bildet, verletzt", ist in der Antwort der Regierung auf die Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten zu lesen.

Franz Josef Strauß (l.), damals CDU-Vorsitzender, und General Augusto Pinochet 1977 in Vina del Mar in ChileBild: picture alliance/UPI

Unter anderem bleiben folgende Fragen unbeantwortet: Wann und in welcher Form war der BND in Chile aktiv? Informierte die CIA den BND über den Putsch, den die USA finanziell und durch ihren Geheimdienst unterstützten? War der BND in irgendeiner Form an CIA-Operationen in Chile beteiligt? Was war der Kern der damaligen deutschen Außenpolitik in Chile, wenn nicht die Menschenrechte?

"Es ist davon auszugehen, dass es dort diese enge Zusammenarbeit (zwischen dem BND und der CIA) gab, und dass diese ideologisch in Westdeutschland durch Antikommunismus legitimiert wurde", sagt Korte. Ob zwischen 1965 und 1995 chilenische Militärangehörige in Westdeutschland ausgebildet wurden, lässt die Bundesregierung ebenfalls offen.

"Kein Bewusstsein für Geschichte"

Besondere Sorgen bereitet Korte, dass die Antwort von einem SPD-geführten Ministerium herausgegeben wurde - ist den Sozialdemokraten doch sonst die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland ein wichtiges Anliegen. "Das zeigt, dass es kein Problembewusstsein dafür gibt", so Korte. "Es gibt offenbar überhaupt kein Bewusstsein für Geschichte bei (Außenminister) Heiko Maas."

Zweifel hat der Linkspolitiker auch mit Blick auf die Argumente, mit denen die Bundesregierung ihre Zurückhaltung begründet. Wie etwa sollten Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, Auswirkungen auf laufende BND-Operationen haben? Warum sollte die Bundesregierung Verschwiegenheitsabkommen mit einem Regime einhalten wollen, das Folterlager unterhielt?

Militärputsch am 11. September 1973 in Santiago: Truppen greifen den Präsidentenpalast anBild: OFF/AFP/Getty Images

Auch die Antworten der Regierung auf Fragen zur Zusammenarbeit des BND mit der Militärjunta in Griechenland zwischen 1967 und 1974 fallen vage aus. Zwar stand der BND vor und nach dem Coup, der einem rechtsextremen Regime zur Macht verhalf, in engem Kontakt mit dem griechischen Geheimdienst KYP. Dennoch konnte oder wollte die Behörde Korte keine Details aus den eigenen Berichten aus Griechenland nennen.

Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, Geheimdienstdokumente zu veröffentlichen, die jünger als 60 Jahre sind. Aus Sicht Kortes und anderer Kritiker steht ihre Zurückhaltung  allerdings im Widerspruch zur jüngsten Transparenzinitiative des BND: Im vergangenen Oktober veröffentlichte der Nachrichtendienst ein Buch, für das ein unabhängiges Gremium von Historikern in den BND-Archiven von 1945 bis 1968 recherchiert hatte. Die Behörde hatte das Projekt mit 2,4 Millionen Euro unterstützt.

Als Deutschland Augusto Pinochet feierte

Einen Einblick in die deutschen Beziehungen zu Chile bieten die Antworten des Bundesaußenministeriums auf Kortes Fragen allemal. So zeigen sie, dass der Handel mit Chile im Jahr nach der Machtübernahme Pinochets einen erheblichen Aufschwung erlebte. Die Ausfuhren stiegen 1974 um über 40 Prozent, die Einfuhren um 65 Prozent.

September 1973: Gefangene im Nationalstadium in Santiago de Chile nach dem Putsch gegen Präsident Salvador AllendeBild: picture-alliance/AP Photo

Tatsächlich zeigen zeitgenössische Zeitungsberichte, dass konservative Politiker und Teile der Medien den Machtwechsel und die damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile zunächst feierten. Der langjährige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß schrieb 1973 im Bayernkurier, "das Wort Ordnung" erhalte "für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang".

Im selben Jahr reiste der damalige CDU-Generalsekretär Bruno Heck als Zeichen der Solidarität nach Chile. Auf die Frage nach Berichten, denen zufolge das Nationalstadion in Santiago unter Pinochet in ein Gefangenenlager verwandelt worden sei, in dem Dissidenten gefoltert würden, sagte Heck nach seiner Rückkehr in der "Süddeutschen Zeitung" den berüchtigten Satz: "Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm."

Für Korte wirft die Antwort der Bundesregierung weitere Fragen über die - wie er sagt - "blinden Flecken" der westdeutschen Nachkriegsgeschichte auf. "Dazu gehört zum Beispiel die Kooperation der Bundesregierung mit dem Apartheid-Regime in Südafrika, mit der Pinochet-Diktatur, mit der griechischen Militärjunta und anderen. Ich finde, nach so vielen Jahren ist es jetzt an der Zeit, dass man diese Vergangenheit aufarbeitet und dass die Bundesrepublik dazu Stellung bezieht."

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