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Politik

Auf der Suche nach Vorbildern

Nina Werkhäuser
17. August 2017

Mit allen Mitteln will Verteidigungsministerin von der Leyen rechtsextreme Umtriebe eindämmen - auch mit einer Neudefinition der militärischen Traditionen. Darüber diskutierten Soldaten auf einer Tagung in Hamburg.

Deutschland Hamburg Ursula von der Leyen
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Für den niederländischen General Ton van Loon ist die Sache simpel: Sein Regiment, berichtet er an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, blicke auf eine jahrhundertealte Tradition zurück und habe viele Schlachten geschlagen. Nicht minder geschichtsträchtig seien die Uniformen, die einst der König dem Regiment verlieh. Darauf seien seine Soldaten bis heute stolz, damit identifizierten sie sich. Die Menschen am Heimatstandort übrigens auch. Punkt. 

Dass es so einfach für seine deutschen Nachbarn nicht ist, weiß der Gast aus den Niederlanden auch. Der Bundeswehr, gegründet 1955, fehle dieses "große historische Narrativ", beschreibt die Historikerin Loretana de Libero den Unterschied zu Armeen wie der niederländischen oder der britischen. Die Bundeswehr kann sich zwar auf preußische Generäle berufen, aber keinen weiten Bogen in die Vergangenheit schlagen, da ihre unmittelbare Vorgängerin, die Wehrmacht, als Vorbild ausfällt.

"Nicht traditionsstiftend"

"Die Wehrmacht als Institution des Dritten Reiches", betont Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer Rede an der  Führungsakademie, könne "nicht traditionsstiftend für die Bundeswehr sein". Lediglich herausragende Persönlichkeiten des Widerstands gegen Hitler könnten heute noch als Vorbild dienen.

Das sagt sie nicht zum ersten Mal: Seit der Fall des rechtsextrem gesinnten Oberleutnants Franco A. bekannt wurde, der sich als syrischer Flüchtling ausgab und Anschlagspläne hegte, stellt die CDU-Ministerin die Truppe auf den Kopf. Sie ließ die Kasernen nach Wehrmachts-Devotionalien durchforsten, wobei auch ein Bild von Altkanzler Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform vorübergehend abgehängt wurde. Von der Leyen musste sich den Vorwurf gefallen lassen, sie schieße über das Ziel hinaus.

Gefunden bei einer Razzia in einer Kaserne: Zeichnung eines Wehrmachts-Soldaten neben einer WehrmachtswaffeBild: picture-alliance/dpa/P.Seeger

Neufassung des Traditionserlasses 

Auch die Veranstaltung an der Führungsakademie der Bundeswehr ist Teil ihres Programms: In insgesamt vier Workshops soll der sogenannte Traditionserlass von 1982 überarbeitet werden. Das ist jene Richtlinie, in dem die Bundeswehr ihr Traditionsverständnis schwarz auf weiß festhält. "In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht", heißt es darin. Und weiter: "Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen." Nach 35 Jahren, meint von der Leyen, könne dieser Text eine Auffrischung gebrauchen - nach ausführlicher Diskussion. Unter den 300 Teilnehmern des ersten Workshops sind, neben einigen Wissenschaftlern, überwiegend Soldaten.

Noch während die Diskussion im Gange ist, laufen neue Meldungen ein: Beim Kommando Spezialkräfte sollen Soldaten den Hitlergruß gezeigt und rechtsextremistische Musik gehört haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. "Warum greifen junge Soldatinnen und Soldaten auf die 12 dunkelsten Jahre unserer Geschichte zurück, wenn es doch 61 Jahre Bundeswehr gibt?", hatte sich von der Leyen gefragt, als sie die Diskussion startete.

Das Traditionsverständnis der Bundeswehr war Thema des Workshops an der Führungsakademie in HamburgBild: DW/N. Werkhäuser

Die Aussprache an der Führungsakademie der Bundeswehr fördert einige Antworten zutage: Viele Soldaten sind unsicher, an welchen Traditionen und Vorbildern sie sich orientieren sollen. "Wir sind brillant darin, unsere eigenen Traditionen zu zerstören", sagt ein Offizier und begründet seine Kritik damit, dass die Bundeswehr ständig umgebaut werde, dass Einheiten umbenannt, aufgelöst oder zusammengelegt würden. So könnten keine Traditionen wachsen. Ein anderer Soldat berichtet, dass Erinnerungsstücke seiner Kompanie durch einen neuen Kommandeur einfach weggeräumt worden seien. Vieles gerate "in rasender Geschwindigkeit in Vergessenheit".

Was ist traditionswürdig? 

Dann steht noch die Frage im Raum, an wen oder was genau erinnert werden soll. Genannt werden Hilfseinsätze der Bundeswehr wie beim Oder-Hochwasser 1997, gefallene Kameraden oder Soldaten, die Herausragendes geleistet haben. Das ist zwar Konsens, funktioniert aber in der Praxis nur teilweise. Historikerin Loretana de Libero attestiert der Bundeswehr "ein gewisses Unbehagen, eine Unsicherheit", wenn es um die Wertschätzung der eigenen Leistungen geht. Es sei der Bundeswehr kaum bewusst, dass sie "ein eindrucksvolles Repertoire an traditionswürdigen Ereignissen, Personen und Haltungen" besitze.

Die Bundeswehr müsse "ihre eigene stolze Tradition viel stärker herausstellen", fordert auch von der Leyen. Ein Offizier wundert sich, dass die Ministerin jetzt erst darauf komme und dabei noch so abstrakt bleibe. Er sieht die Bundeswehr-Führung in der Verantwortung, die Einzelheiten festzulegen und in der Truppe zu vermitteln. "Sonst laufen wir Gefahr, dass wir irgendwann gar keine Traditionen mehr haben."

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