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Die Cloud im Land der Faxer

Andreas Becker (z.Zt. Hannover)14. März 2016

In Hannover beginnt an diesem Montag die CeBIT. Die einst weltgrößte Computermesse will nun die führende Veranstaltung für digitale Veränderungen in der Wirtschaft sein. So manche Tradition steht dabei im Weg.

Deutschland Cebit 2016
Bild: DW/A. Becker

Cebit beginnt in Hannover

02:05

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1986, also vor genau 30 Jahren, wurde die CeBIT erstmals als eigenständige Messe eröffnet, zwischenzeitlich galt sie als größte Computermesse der Welt. Doch diese Zeiten sind vorbei, die CeBIT hat sich gewandelt. Neue Spiele, Tablets und Smartphones werden anderswo präsentiert: auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, dem Mobile World Congress in Barcelona, oder der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin.

Die Cebit konzentriert sich stattdessen ganz auf Unternehmen und Fachbesucher, im Vordergrund steht die Digitalisierung der Wirtschaft. Ab diesen Montag stellen rund 3300 Aussteller aus 70 Ländern ihre Produkte und Dienstleistungen vor, besonders stark vertreten ist in diesem Jahr das Partnerland Schweiz. "Es geht darum, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und in erfolgreiche Geschäftsmodelle umzuwandeln", sagt Oliver Frese, Vorstand des Veranstalters Deutsche Messe AG.

Beispiele dafür gibt es viele auf der CeBIT. Der IT- und Beratungskonzern IBM präsentiert eine Smartphone-App, die Blinden beim Einkaufen im Supermarkt helfen kann. Nutzer sagen einfach, was sie brauchen, und die App führt sie per Sprachausgabe genau zu dem Regal, wo das Gewünschte liegt. Die App wurde mit der US-Universität Carnegie Mellon entwickelt und ist noch nicht kommerziell erhältlich.

Ein IBM-Mitarbeiter demonstriert, wie die App Kunden zum richtigen Regal führtBild: DW/A. Becker

Alles nichts ohne Cloud

Die Blinden-App zeigt, worum es bei vielen Cloud-basierten Anwendungen geht: Die Masse der verfügbaren Daten so aufzubereiten, dass daraus ein neuer Nutzen entsteht. SAP versucht das in Fußballstadien. Die Sitzplätze sind individualisiert, Fans können sich per App Essen und Getränke bringen lassen oder eine Sitzheizung dazubuchen. Alle Informationen laufen beim Stadionmanager ein, der einen genauen Überblick über freie Plätze hat. Vor und nach dem Spiel können anhand der Daten Besucherströme und auch das Verkehrsaufkommen gelenkt werden.

Das Komplettpaket von SAP ist noch nirgendwo im Einsatz, einzelne Elemente werden aber schon in der Münchner Allianz-Arena getestet. Sollte sich das Konzept durchsetzen, wäre das angesichts der vielen Stadien ein lukrativer Markt für den Konzern. Noch offen ist, wie sich solche Investitionen auf die Ticketpreise auswirken.

Auf dem Intel-Stand werden Weinstöcke von Sensoren überwachtBild: DW/A. Becker

Der US-Chiphersteller Intel verbindet Sensornetzwerke, Smartphones und Cloud-Dienste, um sich für eine bisher sehr analoge Branche interessant zu machen: den Weinbau. Auf seinem Messestand präsentiert Intel echte Rebstöcke, die von der solarbetriebenen Messstation der Nürnberger Firma MyOmega überwacht werden: Luft- und Bodentemperatur, Blattfeuchte, PH- und Nährstoffwerte werden von Sensoren ständig analysiert und auf das Smartphone des Winzers geschickt. Der weiß dann, wie es seinen Reben geht - auch ohne die Weinberge abzulaufen.

Gesichtserkennung für den Kaffee

Noch mehr Komfort will die deutsch-schweizerische Firma Digitalstrom in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Microsoft in private Haushalte bringen. Schaltet man den Fernseher an, dimmen Sensoren das Licht im Raum oder schließen die Jalousien, und eine Kaffeemaschine will am Gesichtsausdruck erkennen, ob man lieber einen Espresso oder einen Milchkaffee möchte.

Gesichtskontrolle vor dem Kaffeetrinken beim Stand von DigitalstromBild: DW/A. Becker

Manche mögen solche Neuerungen für unnötig halten, zumal die Kaffeemaschine ja nicht billiger wird, wenn sie bald auch noch über eine Kamera und Monitor sowie eine Software zur Auswertung des Gesichtsausdruck verfügt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Datensicherheit: Ohne die Cloud, also das Senden von Informationen an externe Server, funktioniert keiner dieser Dienste.

Trotzdem führt mittelfristig an der Cloud kein Weg vorbei - auch für mittelständische Unternehmer, die diese Entwicklung oft sehr skeptisch beäugen, glaubt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom, dem Verband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. "Ich kenne keinen Mittelständler, der in der Lage wäre, seine Daten auch nur annähernd so sicher zu machen wie ein Cloud-Anbieter", sagt Rohleder.

Deutsche Rückständigkeit?

Umfragen von Bitkom haben ergeben, dass deutsche Firmen noch viel Nachholbedarf haben in digitalen Angelegenheiten. Rund die Hälfte habe nicht einmal einen Notfallplan für den Fall, dass die IT zusammenbricht oder gehackt wird. Und fast die Hälfte der Firmen geben an, gar nicht über die erforderlichen Mitarbeiter zu verfügen, um Digitalisierung voranzutreiben.

Hinzu kommt: In deutschen Unternehmen wird "noch extrem traditionell kommuniziert", so Rohleder. Das gute alte Fax-Gerät kommt in 79 Prozent der befragten Firmen häufig oder gar sehr häufig zum Einsatz, während soziale Netzwerke nur von 15 Prozent zur Kommunikation genutzt werden.

Das muss noch nichts heißen. Doch es kann auch als Warnsignal gesehen werden, dass deutsche Firmen bei der digitalen Entwicklung den Anschluss verpassen.

Um die Debatte über Chancen und Risiken des Digitalen zu beleben, setzen die Veranstalter der CeBIT verstärkt auf Vorträge und Diskussionen - auch, um sich von anderen Messen abzugrenzen. Insgesamt 2000 Reden, Panels und Kongresse finden während der fünf Messetage statt, die Themen reichen von Datensicherheit bis zur Veränderung der industriellen Produktion. "Die CeBIT ist nicht mehr nur eine Ausstellung", sagt Messe-Chef Frese, "sondern auch eine Konferenz."

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